Expedia übernimmt Konkurrent Travelocity für 280 Mio. Dollar von Sabre jetzt komplett

Bereits heute verfügt die Online Travel Agency (OTA) Expedia neben dem eigenen Reisebuchungs-Brand Expedia über weitere Marken im E-Commerce Segment Travel. Hierzu gehören beispielsweise Hotels.com, Hotwire oder Egencia (Geschäftsreisemanagement). Im Gegensatz zu der starken Marktstellung von Expedia in Nordamerika hatte Expedia in Europa oder Deutschland eher mit einem Verlust an Markteinfluss zu kämpfen und mit einer teils unterdurchschnittlich mäßigen Entwicklung:

Expedia übernimmt mal wieder einen Konkurrenten - um selbst zu wachsen. Dieses mal ist es Travelocity.

Für einen ungewöhnlich niedrigen Kaufpreis in Höhe von angeblich 280 Millionen US-Dollar in bar (250 Millionen Euro) übernimmt eine der weltgrößten Reise-Konglomerate - die amerikanische Expedia Inc. - die vor allem in Nordamerika aktive Reise-Webseite Travelocity vom amerikanischen Software-Entwickler Sabre Corp.

Dass die Bedeutung von Expedia vor 15 Jahren in Deutschland erheblich größer war, als heute, liegt an mehreren Faktoren: Zum einen an starken Wettbewerbern wie holidaycheck oder ab-in-den-urlaub, aber auch auf Grund mangelnden Feingefühls für die Belange unterschiedlicher Regionen in der Welt. So hatten die Amerikaner recht arrogant geglaubt, nahezu sämtliche Marketing-Aktivitäten zentral von den USA aus zu steuern – auch für hoch komplexe Länder wie Deutschland.

Deshalb ist es offensichtlich: Auch wenn Expedia nach wie vor weltweit eine der stärksten Reise-Brands ist und dafür bekannt ist, eine vorzügliche Technik zu haben, um Hotels anzuschließen, so ist Wachstum für Expedia vor allem durch Zukäufe möglich.

Nur die größten überleben im Online-Reisemarkt

Gleichzeitig kann gesagt werden: Die jetzt bekannt gewordene weitere Übernahme im Online-Reisemarkt – eben von Travelocity durch Expedia – zeigt einmal mehr, dass weltweit eine Marktbereinigung im Online-Reisemarkt stattfindet. Dabei zählt vor allem eines: Schiere Größe und Marktmacht – alle andere rutscht ins Minus.

Bekannt ist, dass der Verkäufer von Travelocity, die Sabre Corp., sich stärker als bislang auf sein eigenes Ur-Geschäft konzentrieren möchte. Dies liegt aber weniger im Bereich des E-Commerce, als in der Entwicklung von Softwarelösungen für Reisebuchungs-Systeme.

Bereits seit Jahren unter Druck: Travelocity.

Sabre wird auch in Ländern wie Deutschland für Backend-Systeme verwendet - beispielsweise für die Abwicklung des Verkaufs von Flugtickets, Hotelzimmern oder Mietwagen. Hier gilt Sabre neben den Konkurrenten Amadeus (ehemalige Lufthansa-Beteiligung) und Travelport als weltweit führender Dienstleister.

Jedoch kommt die Übernahme von Travelocity durch Expedia nicht ganz überraschend. Bereits 2013 hatte Expedia den in der Branche als angeschlagen gehandelten Kandidaten Travelocity in Teilen übernommen.

So wickelt Expedia seit 2013 wesentliche Dienstleistungen des Konkurrenten Travelocity für das Reisegeschäft in den USA und Kanada ab. Die von Expedia für Travelocity übernommenen Dienstleistungen sind vor allem im Hotel-Bereich und im Kunden-Bereich - also in Bereichen, welche auf Grund notwendiger hoher Personalstände kostenintensiv sind. In aller Regel sind bei großen Reise-Webseiten im Service (Kundenkontakt) oder Hoteleinkauf Call Center-Dienstleistungen notwendig. Hier beschäftigen große E-Commerce-Unternehmen auch im Reisemarkt leicht zwischen 400 und 1000 Mitarbeitern - pro Land.

Bereits seit 2013 übernimmt Expedia wichtige Service-Bereiche von Travelocity

Doch auch im Marketing - besonders im schwierigen und komplexen Bereich des Onlinemarketings (SEO, SEM, sonstige Brand-Kommunikation) - soll es bereits umfangreiche Zusammenarbeit zwischen Expedia und Travelocity geben. Die Rede ist von einem angeblichen "2013 marketing agreement". Doch sind angebliche freiwillige Marketing-Übereinkommen mit Vorsicht zu betrachten – erst Recht bei Online-Reisebüros.

So tobt in den USA, Kanada, aber auch in europäischen Kernländern wie Deutschland seit geraumer Zeit eine Übernahmeschlacht im Online-Reisesegment. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass, wer es jetzt nicht schafft, wirklich groß im Online-Reisemarkt zu sein, die Chance hoch ist, wonach dieses eher ein für alle Mal nicht mehr erreicht werden kann. Zu groß ist der Wettbewerbsdruck, zu groß die Einflussgröße Google.

Denn ähnlich wie im Bereich der Automobilindustrie kann im Reisemarkt nur wachsen, wer über eine starke Marke verfügt und über viel Geld. Selbst große deutsche oder amerikanische Online-Reiseunternehmen haben in den vergangenen Jahren teils über eine Milliarde Euro an den Internet-Monopolisten Google dafür überwiesen, dass sie mit werblichen Textteil-Anzeigen über, unter oder rechts neben den Suchergebnissen nach Suchanfragen von Verbrauchern auftauchen.

Ohne diese Textteil-Anzeigen – im Fachjargon spricht man von AdWords – kann faktisch kein Onlineunternehmen in Deutschland Geschäfte tätigen. Sowohl Umsatz als auch Gewinn sind in Europa wie in den USA nahezu eins zu eins davon abhängig, wie gut die werbliche und natürliche Präsenz in den Suchergebnissen der Internetsuchmaschine Google (oder Bing.com und Yahoo) ist. 80 Prozent weniger Sichtbarkeit bedeutet 80 Prozent weniger Umsatz und Gewinn.

Kosten für Google AdWords-Anzeigen sind oft nicht mehr profitabel für die Werbekunden

Da aber die Google Inc. seine Textteilanzeigen, also die Google AdWords-Anzeigen, auf Grund einer Versteigerung und der Konten-Historie seiner Kunden meistbietend versteigert, erlebte auch der Werbemarkt für den Online-Verkauf von Reisen – Pauschalreisen, Lastminute, Flugtickets, Hotels – in den vergangenen drei Jahren einen exorbitanten Preisanstieg. Das wiederum führe "zu einem ruinösen Preiswettbewerb der Anbieter", erklärt ein sehr guter Kenner der Branche.

Am Ende bliebe für immer mehr Online-Reisebüros beziehungsweise Reisebuchungsportale eine rote Bilanz, da sich die Kosten für das Onlinemarketing in Google nicht mehr durch den normalen Verkauf von Reisen refinanzieren lasse. So mancher Anbieter im E-Commerce in Deutschland oder den USA hatte in den vergangenen zehn Jahren bis über 1 Milliarde Euro an Werbegeldern für die Google-AdWords-Anzeigen an die Google Inc. überweisen (müssen). Denn ohne Google-Anzeigen kein Wachstum.

Da Google auch das Volumen von geschalteten Anzeigen als Preisvorteil im Versteigerungs-System wertet, steuert der gesamte E-Commerce in Europa und den USA derzeit vor allem auf eines zu: Dass Größe zählt. Denn wer groß ist als Werbekunde bei Google, der kann auch etwas günstiger Anzeigen schalten, als die kleineren Konkurrenten.

Deshalb – aber auch wegen der immer stärkeren Forderungen nach noch transparenteren Reisebuchungs-Vorgängen auf Reisewebseiten - rutschen diese immer mehr ins bilanzielle Minus. Denn ein kostendeckendes Reiseangebot kann beispielsweise im Flugbereich nur noch durch den Mitverkauf von Zusatzprodukten profitabel erfolgen. Dieses Prinzip gilt nicht nur in den USA, sondern auch in Ländern wie Deutschland. Unter Zusatzprodukten versteht man beispielsweise den Verkauf von Reiserücktrittsversicherungen oder des Stornoschutzes.

Ohne Servicegebühren lässt sich das Onlinereise-Geschäft kaum profitabel für die Verbraucher machen

Zudem müssen, um eine Negativ-Bilanz zu vermeiden, Kosten aus Service auf den Kunden umgelegt werden, weshalb nicht mehr nur stationäre Reisebüros an der Straßenecke eine Servicegebühr erheben, sondern auch immer mehr Online-Reisebüros. Dabei gibt es zwei Servicegebühren.

Das eine Serviceentgelt wird für die erfolge Serviceleistung des Preisvergleichs von Reisen erhoben (was kostenintensiv ist), das andere für die Akzeptanz unterschiedlichster Zahlungsmittel. Auch wenn sich viele Verbraucher verwundert zeigen, dass Unternehmen plötzlich eine Gebühr beispielsweise für die Bezahlung mit Kreditkarten erheben, so gilt doch:

Viele E-Commerce-Unternehmen leiden zunehmend unter Betrug durch Kunden. Das Stichwort lautet Kreditkartenbetrug. In Ländern wie Frankreich oder Spanien sind mittlerweile bis zu 20 Prozent aller Bezahlvorgänge im E-Commerce Betrugsfälle. Den Schaden müssen direkt die E-Commerce-Plattformen abfedern.

In Frankreich musste ein großes Online-Reiseunternehmen alleine 2012/2013 rund 8 Millionen Euro netto an die Reiseveranstalter und Airlines bezahlen, da die Verbraucher mit Kreditkartenbetrug die Plattform geprellt hatten. Da aber Online-Reisebüros entweder als Reiservermittler oder Reisehändler auftreten, bleiben diese im Falle der Vermittlung oder des Verkaufs von Reiseangeboten Dritter im Falle von Zahlungsausfällen durch Verbraucher auf Grund von Betrug auf den Kosten sitzen.

Insofern könnte man durchaus sagen, dass zwar Rufe von Verbänden im Internet Reisevertrieb oder der deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) nach mehr Kostentransparenz aus Verbrauchersicht verständlich sind, aber für viele Onlinereisebüros das finanzielle Aus bedeuten könnten. Am Ende könnte aber wieder der Verbraucher, also der Kunde, der Dumme sein.

Wenn Online-Reisebüros verschwinden...

Denn wenn es keine Preisvergleichs-Plattformen, also keine Online-Reisebüros mehr gibt, welche die Reiseangebote unterschiedlichster Fluglinien oder von Reiseveranstaltern vergleichen, so gibt es am Ende auch keine umfangreiche Kostentransparenz für den Verbraucher mehr. Wir wären dann also da, wo wir in der Vor-Internet-Zeit waren – im Zeitalter, als große Reiseanbieter wie TUI oder Lufthansa die Konditionen dem Kunden leichter diktieren konnten, da dieser sowieso kaum einen Überblick über die Preise von Konkurrenten hatte.

Doch ist das Problem noch vielschichtiger. Denn US-Wettbewerber wie Expedia verzichten häufig bewusst auf Service-Entgelte und riskieren damit sogar vorsätzlich ein Minus-Geschäft zu machen, tun dies aber nicht nur aus angeblicher Verbraucherfreundlichkeit, "sondern primär um Konkurrenten auszuschalten", erklärt ein sehr guter Kenner des Online-Reisevertriebs. Müssen nun aber immer mehr Online-Reisebüros auf Grund von politischem oder sonstigem öffentlichen Druck, auch auf Grund herbeigeführter Gerichtsentscheidungen beispielsweise Serviceentgelte bereits in die Anfangs angezeigte Summe für eine Reisebuchung in die Preisdarstellung einbinden, gilt:

Es sind jene im Vorteil, die versuchen, durch keine Service-Entgelte auf Grund ihrer schieren Marktmacht weitere Marktanteile zu ergattern. Hierzu gehört beispielsweise tendenziell der US-Konzern Expedia, der dieses beim Verkauf von Flugtickets gerne macht. Im Nachteil sind aber jene Marktteilnehmer, welche auch auf Grund der exorbitant gestiegenen Werbepreise in Google versuchen, ihre Reiseangebot mittels Zusatzangeboten oder mittels Serviceentgelten kostendeckend anzubieten.

Insofern dürfte auch die jetzt bekannt gegebene Übernahme von Travelocity durch Expedia kein Grund zur Freude sein, sondern ein Schritt hin zu einem Reisemonopol in Ländern wie den USA oder Kanada, welches von US-Konzernen wie Expedia schon jetzt dominiert wird und immer mehr dominiert werden wird.

Expedia benötigt regelmäßig Übernahmen um zu wachsen - am Aktienmarkt

Expedia wiederum benötigt regelmäßige Übernahmen, um den Aktienmärkten des börsennotierten Unternehmens immer wieder zu sagen, wonach man wachse. Dara Khosrowshahi, CEO von Expedia, erklärte jedenfalls, wonach man sich freue, nun Travelocity als "eine der bekanntesten Reisemarken in Nordamerika" zu übernehmen, welche Tausende von Reisezielen anbieten. Angeblich nutzten vor allem in den USA und Kanada über 20 Millionen Unique User die Webseite Travelocity.

Jedoch sind in den USA oder Kanada von Webseiten ausgewiesene "Unique User" nicht mit jenen vergleichbar, die in Deutschland die unabhängige Arbeitsgemeinschaft Onlinewerbung (AGOF) ausweist. Grund: Die in Deutschland ausgewiesenen Unique User, also Nutzer einer Webseite, sind eher weniger, da die Messung etwas strenger erfolgt.

Die Unique User von US-Webseiten sind aber eher mit den Visits vergleichbar, also Seitenbesuchen, welche in Deutschland die IVW Online misst (Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbedaten e.V.).

Hinzu kommt: da die Weltsprache Englisch ist, sind Erfolge im Internet mit vielen Nutzern für englischsprachige Webseiten deutlich einfacher, als beispielsweise für deutschsprachige Webseiten. Es sprechen nun mal deutlich weniger Menschen deutsch als englisch.

Neben Expedia ist der US-Megakonzern Priceline Group die weltweit dominierende Reisegruppe. Zu Priceline gehören beispielsweise Booking.com, Kayak oder OpenTable. Booking.com hatte erst kürzlich bekannt gegeben, wonach man seinen Call Center für Reisebuchende in Deutschland auf gut 1.000 Mitarbeiter aufstocke - unter anderem in Hamburg.

Verteilungskämpfe um Marktanteile im Reismarkt sind in vollem Gange

Insofern gilt auch für Deutschland: Die Verteilungskämpfe um Marktanteile im Reismarkt sind in vollem Gange und nur wer Größe hat, wird langfristig auf dem heiß umkämpften Reisemarkt in Deutschland, aber auch in Österreich oder der Schweiz und in sonstigen europäischen Märkten, überleben können.

Dreh- und Angelpunkt für die Frage, wer im Online-Reisemarkt überlebt, sind die sehr hohen Marketingkosten für Onlinewerbung (Google AdWords), aber auch TV-Werbung. Sie sind schon heute von kleinen Anbietern nicht mehr zu stemmen. Dabei gilt. Die Anzeigenpeise für die lebensnotwendigen Google-AdWords-Anzeigen sind schon heute für immer weniger E-Commerce-Anbieter bezahlbar. Grund: Durch Google aufgerufene Preise von 5 Euro bis 25 Euro pro Klick durch einen Nutzer auf eine eingeblende Anzeige in den Google-Suchergebnissen sind keine Seltenheit mehr.

Dabei ist es aber längst Realität, dass durchschnittlich bis zu 300 Klicks auf eine Google-Anzeige erfolgen können, ehe es überhaupt zu einer Reisebuchung, beispielsweise dem Kauf eines Flugtickets oder einer Pauschalreise, kommt. Wird den Portalen auch noch die Möglichkeit der Refinanzierung über Service-Entgelte oder den Verkauf von Reiserücktritts-Versicherungen oder von Stornoschutz genommen, dürfte auch in Deutschland der lachende Dritte amerikanisch sein: Expedia oder Priceline und Google selbst - alles Milliarden-Konzerne mit schier unermesslichem Zugang zu den Kapitalmärkten.

Neben Nordamerika und Europa haben Expedia und Priceline Entwicklungsregionen wie Indien, Asien, Afrika oder Südamerika im Blick. Gleichzeitig gibt es aber auch in den USA immer wieder kleinere Reisewebseiten, die in eng umgrenzten Geschäftsfeldern Marktanteile gegen Mega-Konglomerate wie Expedia oder Priceline gewinnen können.

Hierzu gehören beispielsweise airfare, Hipmunk oder der Last-Minute-Anbieter HotelTonight. Dass aber auch das Geschäft mit Last-Minute-Reisen in Europa ins Schwanken gerät und zunehmend schwierig wird, sich zu refinanzieren, zeigt sich am kürzlichen Verkauf der Webseiten rund um Lastminute.com.

Noch gibt es in Deutschland starke Anbieter im Reisemarkt, wozu auch die ProSieben Travel gehört – doch es werden immer weniger. Auch in Asien gibt es Reisegruppen im Online-Reisemarkt, die nicht zu amerikanischen Großkonzernen wie Expedia oder Priceline gehören – beispielsweise die Agoda Company Pte Ltd, ebenfalls eine Online Travel Agency (OTA):

Agoda gilt vor allem in Asien als führend, ist aber auch in Ländern wie Südafrika stark. Ein Guesthouse-Besitzer aus Südafrika erklärte netz-trends.de:

"Wir arbeiten als deutsches Guesthouse bei Kapstadt nur noch mit Priceline, also booking.com sowie Agoda zusammen, da die meisten deutschen Online-Reisebüros und Reiseveranstalter über keine der sehr teuer zu entwickelnden Schnittstellen verfügen, die Doppelbuchungen unmöglich machen". Deshalb habe er, sagt er, sich beispielsweise von HRS getrennt.

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