Frank Schirrmacher ist tot: Sein Vermächtnis die Google-Debatte muss in der FAZ erhalten bleiben!

Auch die deutsche Internetszene trauert – sie trauert um einen Mitkämpfer, einen der einflussreichsten, zum Erhalt eines freien Internets, das nicht durch amerikanische Megakonzerne wie Google dominiert wird und damit in der Freiheit bedroht wird:

Auch die Bild-Zeitung trauert um den FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher - unter anderem in einem Nachruf von Bild-Chef Kai Diekmann.

Man sagt, dass Gott die Menschen früh zu sich holt, die er besonders gerne hat. Doch man sagt auch, dass Gott jeden Menschen mit einer besonderen Aufgabe auf die Welt schickt, die man erledigen muss. Insofern fragen wir uns: Wie kann ein solches journalistisches Talent, ein solch intellektueller brillanter und flexibler Kopf wie Frank Schirrmacher, der weltweit geachtete Mit-Herausgeber der FAZ (Frankfurter Allgemeinen Zeitung), denn schon jetzt seine Aufgabe erledigt haben? Mit erst 54 Jahren ist er nun einem Herzinfarkt erlegen.

Frank Schirrmacher war für Generationen von Journalistinnen und Journalisten ein Vorbild außergewöhnlicher Couleur. Wie großzügig Gott den obersten Feuilleton-Chef der FAZ intellektuell ausgestattet hat, zeigten die vergangenen Wochen auf beeindruckende Art und Weise:

Wo im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (SZ) die 5000. Büchner-Inszenierung rezensiert wird (nichts gegen Büchner), überraschte Frank Schirrmacher plötzlich im (man darf es offen sagen) Zusammenspiel mit Mathias Döpfner nicht mit einer Debatte über Kant, über Heideggers verlorenen Briefe, über Hitler und den Holocaust, sondern mit einer Debatte rund um Google:

Mit der Allmacht jenes weltweit einmaligen Internet-Konglomerats, welches von sich sagen kann: Das Internet, das bin ich. So wie einst Rockefeller sagte: Der Ölmarkt in den USA, das bin ich. Und nur ich: Bis der Staat das Rockefeller-Imperium, die Standard Oil mit Hilfe des Kartellrechts zerschlug.

Ausgerechnet zwei Vertreter der Old Economy - Schirrmacher und Döpfner - durchdrangen das Google-Problem, während die Internetszene sich feige wegduckt

Döpfner, ein ehemaliger FAZ-Feuilleton-Mitarbeiter und heutige CEO der Axel Springer SE (Bild-Zeitung, Die Welt, N24) sowie Frank Schirrmacher - ausgerechnet zwei Vertreter der Old Economy - trieben in den vergangenen Wochen eine längst fällige und so wichtige Debatte rund um die Allmacht und Ohnmacht gegenüber dem US-Megakonzern Google nicht nur in Deutschland voran, sondern - das kann jeder im Netz überprüfen - weltweit. Kleine wie große Internetunternehmen staunten und waren froh, dass endlich einmal zwei Alfatiere sich des Themas annahmen – nicht irgendwo, sondern mitten in der Gesellschaft – eben der FAZ.

Schirrmacher und Döpfner waren in Deutschland bislang die einzigen, die intellektuell in der Lage waren, das Prinzip Google gut genug zu durchdringen (was schwierig genug ist), um die Tragweite des Problems wirtschaftspolitisch, kartellrechtlich, gesellschaftspolitisch und natürlich kulturpolitisch plausibel zu bewerten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Während sich beispielsweise mit Millionen Euro GEZ-finanzierte ARD Sendungen wie Plusminus regelmäßig ausführlichste Gedanken über Gott und die Welt machen, trieben die beiden Großmeister Schirrmacher und Döpfner seit Wochen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Debatte einer wichtigen Internetgeschichte voran:

Eben jene, von der Problematik eines unkontrollierten Wirtschaftsmonsters Namens Google, welches schon heute gut 60 Milliarden Dollar jährlich umsetzt bei gut 13 Milliarden Dollar Gewinn (mehr als alle deutschen Tageszeitungen, Zeitschriften, TV-Sender und Radiosender zusammen). Ein Drittel aller weltweiten Werbeausgaben im Internet vereint nach Schätzungen Google auf sich.

Die FAZ muss das Thema Google und Machtmissbrauch weiter debattieren - und zwar langfristig

Damit ist Google der größte Werbekonzern in der Geschichte der Menschheit. Doch beschränkt sich Googles Macht nicht nur auf pure finanzielle Potenz, sondern umfasst die Google-Macht faktisch jedes kleine wie große Internet-Unternehmen. Google hat sie alle an der Kandare. Überzieht Google ein Nachrichtenportal oder ein eCommerce-Angebot mit einem sogenannten Filter, kann die Webseite wirtschaftlich ins Trudeln geraten oder gar komplett versiegen. Selbst Webseiten mit über einer Millionen Unique User im Monat (Nutzern), haben das schon erlebt und erleben es immer noch.

Google – das gibt es im Guten (Hunderttausende Bürger konnten sich auf dem Rücken der Suchmaschine entwickeln und selbstständig machen), wie im Bösen – eben dem puren Machtmissbrauch des amerikanischen Internetsuchkonzerns, was immer mehr Unternehmen und Institutionen Google derzeit vorwerfen.

Weder das ZDF, noch die ARD, auch nicht das Magazin DER SPIEGEL, der STERN oder die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, durchdringen das Thema Google derzeit intellektuell und fachlich. Hinzu kommt: Kuschen vor Google - das gilt weltweit bis in die höchsten Ebenen der größten Internetkonzerne. Alle wissen: Google kann jeden im Netz vernichten.

Voller Scherz fragen deshalb auch wir uns: Wer führt denn nun die so wichtige Google-Debatte weiter, wenn Frank Schirrmacher einfach von uns gegangen ist? Mathias Döpfner alleine wird trotz seiner umfangreichen Machtfülle als Chef der Axel Springer SE das Thema nicht vorantreiben können. Er braucht Verbündete. Einen scheint er mit Sigmar Gabriel, dem deutschen Wirtschaftsminister von der SPD gefunden zu haben. Auch Gabriel ließ Schirrmacher mit seiner Feuilleton-Redaktion in einem umfangreichen Artikel in der FAZ zu Wort kommen.

Wir möchten an dieser Stelle nicht all das schreiben, was andere nun zum viel zu frühen Ableben Frank Schirrmachers schreiben: Dass er von Theater, Oper, der Kultur bis eben hin zu Google sich für Dinge interessierte und diese auch durchdrang, das ist ein intellektuelles Vermächtnis, weshalb man Tageszeitungen wie die FAZ kauft.

Insofern hoffen wir als die Vertreter der Internetszene, dass die FAZ den Mut, den Willen und die intellektuelle Fähigkeit aufbringt, die notwendige tiefschürfende Google-Debatte auch als das Vermächtnis Frank Schirrmachers nicht nur abstrakt ab und an in die Zeitung zu tragen -und zwar strategisch und langfristig. Nein: Eine solche Debatte sollte und muss mit jener Strahlkraft und Durchschlagskraft weitergeführt werden, wie es eben nur eine Zeitung vom Schlage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vermag.

Gleichzeitig wünschen wir uns, dass Mathias Döpfner, der selbst einmal Mitarbeiter im Feuilleton der FAZ war, seinen Schmerz über den Verlust von Frank Schirrmacher überwinden wird können und ebenfalls beim Thema Google am Ball bleibt. Der Chefredakteur der BILD-Zeitung, Kai Diekmann, schreibt in seinemNachruf auf Frank Schirrmacher:

"Als Journalist, als Kollege, als Bewunderer sage ich: Der viel zu frühe Tod dieses Mannes ist ein nicht zu ersetzender Verlust für die Debatten-Kultur in Deutschland. Frank Schirrmacher hatte wie kein Zweiter ein Gespür für die großen Themen unserer Zeit. Und eine geradezu kindliche Begeisterung, neue Debatten loszutreten." Dem möchten wir nichts hinzufügen. Außer: Wir müssen alle den Mut haben, solche Debatten loszutreten.

Zudem lesen: "Sigmar Gabriel: Google-Macht in der Netz-Trends-Analyse"

Gefällt mir
0