Abgefahren Aufstand um neue Gebühren bei Mitfahrgelegenheit.de

Eine breite Front von Gegnern versucht sich derzeit dagegen zu wehren, dass das führende Portal für Mitfahrgelegenheiten, mitfahrgelegenheit.de, ab sofort prozentual Gebühren für das Vermitteln einer günstigen Mitfahrgelegenheit kassieren möchte. mitfahrgelegenheit.de gehört zu Carpooling GmbH in München, an der seit kurzem auch Daimler mit einem niedrigen Prozentanteil beteiligt ist.

netz-trends.de
Hamburg gilt als Geburtsstadt der Idee, Mitfahrten über eine Zentrale zu organisieren. Erst das Internet macht es für fast alle Bewohner der rund 12.000 deutschen Gemeinden möglich, Mitfahrgelegenheiten fast überall selbständig zu organisieren.

Die Proteste wenden sich dagegen, dass die Mitfahrenden künftig ab einer Strecke von über 100 Kilometern elf Prozent der Fahrgebühr an mitfahrgelegenheit.de überweisen sollen. Das klingt dramatisch, hält sich aber in Grenzen. Beispiel: So kostet eine Fahrt von Hamburg nach Berlin in der Regel um die 15 Euro mit einer Mitfahrzentrale. Circa 1,70 Euro würden bei so einem Preis also künftig an mitfahrgelegenheit.de zu entrichten sein. Wenn man bedenkt, dass eine ICE-Bahnfahrt ohne Bahncard von Hamburg nach Berlin 76 Euro kostet und selbst mit der Bahncard 50 immer noch 38 Euro one-way zu bezahlen sind, ist die Lösung über eine Mitfahrzentrale zu buchen, nach wie vor für viele - vor allem junge Menschen - sehr attraktiv.

Damit die Abwicklung der neuen Gebühr von mitfahrgelegenheit.de möglich ist, müssen sich die Nutzer des Mitfahrportals künftig registrieren. Bislang war die Nutzung kostenlos, Einnahmen konnten für das Portal nur über Werbung erzielt werden - was allerdings auf Grund der hohen Nutzerzahl ebenfalls einigen Umsatz in die Kasse spülen dürfte. Dabei gilt jedoch, wie auf netz-trends.de auch: Nur wenn ein Leser auch einmal auf eine Anzeige klickt, verdient das Portal etwas Geld.

Auf Grund der neuen Gebühr, die auf mitfahrgelegenheit.de bei Nutzung einer Mitfahrgelegenheit fällig wird, sollen sich angeblich bereits tausende Nutzer nach Berichten einiger Medien von der mitfahrgelegenheit.de abgewendet haben und sich derzeit nach kostenlosen neuen Alternativen umschauen. So schreibt beispielsweise auf der Facebook-Präsenz von mitfahrgelegenheit.de ein "André Beerlink": "Ich werde keine Fahrten mehr über euch anbieten, da mir das zu unsicher ist!!! Ich mache jetzt seit 10 Jahren MFG und es hat immer alles geklappt!!! Wozu nehmt ihr diese blöden Gebühren ... die Leute werden euch weglaufen?!!!"

Kostenlose alternative Mitfahrzentralen im Internet

Vor allem auf Facebook ist nach wie vor eine große Szene an Protestlern gegen die neue Gebühr der mitfahrgelegenheit.de aktiv. Gleichzeitig geraten plötzlich neue Mitfahrseiten in den Fokus der Community, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat. Einmal mehr beweist dabei Facebook seine große Durchschlagskraft im Social-Media. Beispiel: "Blablacar.de - Die neue Mitfahrzentrale" verfügt bereits über 12.000 Facebook-Empfehlungen.

Dennoch gibt es auch kritische Stimmen von kostenlosen Mitfahrzentralen. Denn die Probleme liegen auf der Hand: Bislang kam es so manches Mal vor, dass ein Fahrer einfach nicht kam oder ein Mitfahrer den Fahrer nicht zum vereinbarten Zeitpunkt aufgesucht hat. So postete denn auch auf Facebook ein gewisser "Marcel Minkus SUPER" über eine kostenlose Mitfahrzentrale:

"Eine weitere Plattform für Psychopathen und Vergewaltiger um sich noch schneller und unauffälliger an junge Frauen zu vergehen!!! Aber selbst Schuld wenn manche Frauen so naiv sind und mitmachen, später dann beim Psychologen sitzen müssen weil sie Dinge machen mussten die sie nicht wollten..".

Doch gerade den zahlreichen Nutzern, die meinen, jegliche Dienstleistung müsse im Internet kostenlos angeboten werden, erteilt Alexander Hennig, Wirtschaftsprofessor und Konsumforscher an der Universität Mainz in der Berliner Zeitung eine Absage. So zitiert ihn die Zeitung am 25. April 2013 mit den Worten: "Unter vielen Internetnutzern herrscht die völlig irrige Vorstellung, dass Freiheit im Netz auch Kostenfreiheit zu bedeuten hat".

Fakt ist: Obwohl das Portal mitfahrgelegenheit.de in Europa angeblich rund 4,5 Mio. Nutzer hat, gibt es dennoch ausreichend Alternativen - auch kostenlose. Dazu gehören zum Beispiel Drive2day.de, Blablacar.de (aus Frankreich), mifaz.de oder fahrgemeinschaft.de.

Die Carpooling GmbH begründet ihre neuen Gebühren damit, dass sich rund 60 Mitarbeiter um 4,5 Mio. Kunden kümmern müssten. Dabei würden 750.000 Mitfahrgelegenheiten angeblich permanent im Netz angeboten - bei angeblich über einer Mio. vermittelten Mitfahrten im Monat. Das sei ohne Gebühren nicht mehr refinanzierbar.

Kommentar Gebühr Mitfahrzentralen Online

Der Shitstorm der über mitfahrgelegenheit.de einbricht, ist einerseits verständlich: Was jahrelang kostenlos ist, kostet plötzlich etwas. Ein solcher Prozess ist immer schmerzlich. Dabei sollte aber nicht vergessen werden: Es ist mit enormen infrastrukturellen und personellen Aufwendungen verbunden, ein Portal zu betreiben, das monatlich in einem solchen Ausmaß als Mitfahrzentrale fungiert, wie es das Portal mitfahrgelegenheit bislang getan hat.

Zudem: Noch vor wenigen Jahren war es nicht unüblich, dass tausende Menschen direkt in die Mitfahrzentralen gegangen sind. Eine bekannte war beispielsweise gegenüber dem Hauptbahnhof in Hamburg, eine andere in der U-Bahn-Etage am Berliner Bahnhof Zoo oder in der Nähe des Berliner Kudamms. Erstkunden mussten stets dort hin und sich erst einmal unter Vorlage eines Ausweises anmelden.

Auch war eine Gebühr zu entrichten. Mit diesem System konnten Generationen von Mitfahrern leben und sie waren dankbar, dass es überhaupt solche günstigen Car-Share-Möglichkeiten gab. Dabei nahmen sie durchaus in Kauf, dass beispielsweise in Hamburg jahrelang der Treffpunkt fast immer im Umfeld des Hauptbahnhofs Nähe der Mitfahrzentrale stattzufinden hatte.

Jahrelang war es auch so, dass man erst direkt in der Mitfahrzentrale mitgeteilt bekam - und zwar vor Ort - mit welchem Auto und Fahrer man mitfahren durfte. Dafür müsste man aber auch erst einmal in die Mitfahrzentrale kommen. Meist war also alleine die Organisation einer Mitfahrgelegenheit schon wesentlich komplizierter und zeitintensiver als heute.

Deshalb: Die Netz-Community muss in ihrem Nutzerverhalten endlich erwachsen werden und Leistung auch honorieren. Denn letztlich ist es doch ein unglaublicher Fortschritt, dass es überhaupt so bequem so viele Möglichkeiten gibt, sein Leben zu bereichern. Eine Mitfahrgelegenheit gehört gerade für Menschen, die aufs Geld achten müssen oder achten wollen, dazu.


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