Impfung Hollywood-Star Charlie Sheen: Pille Truvada kann HIV verhindern, sagen Mediziner und Aktivisten

In einem weltweit beachteten Schock-TV-Interview in der amerikanischen Morgenshow "Today" gestand der Vater von fünf Kindern, Hollywood-Star Charlie Sheen, dass er vor vier Jahren die für ihn selbst schockierende Diagnose bekam, HIV zu haben.

Bild: pixabay.com | ArtsyBee
Diese Schleife gilt als Symbol für den Kampf gegen HIV und AIDS. Sie sagt: Wir lassen euch nicht alleine.

Zwar ist das HIV-Virus heute durch die tägliche Einnahme von ein bis vier Pillen in den meisten Fällen recht einfach in den Griff zu bekommen und unter die Nachweisgrenze im Blut zu drücken, dennoch sagen Aktivisten: So weit muss es gar nicht mehr kommen. Denn in den USA gibt es von den Krankenkassen gefördert eine Art HIV-Impfung in Form einer täglich eingenommenen Pille. Als Anbieter wird sogar von offizieller Seite der amerikanischen Gesundheitsministerien das Produkt Truveda vom kalifornischen Biotechunternehmen Gilead Science (börsennotiert) empfohlen.

Mit nur einer täglich eingenommenen Truveda-Tablette, sagen Gesundheitspolitiker und Mediziner nahezu unisono, könne eine HIV-Infektion auf einem Impfniveau ausgeschlossen werden. Das bedeutet zwar nicht einen 100-prozentigen Schutz - den gibt es bei keiner Impfung - aber einen Schutz auf dem Niveau nahezu aller anderen sonst üblichen Impfungen. Heißt: einem sehr hohen.

Alleine in den USA sind rund 1,2 Millionen Bürger mittlerweile HIV-infiziert. Besonders betroffen sind farbige Menschen, aber auch zahlreiche homosexuell oder bisexuell orientierte Menschen, die ungeschützte Sexualität praktizieren. In Deutschland sind rund 80.000 Menschen offiziell mit HIV infiziert worden, darunter sind rund ein Drittel Frauen.

Börsennotiertes Unternehmen Gilead stellt die Wunderwaffe gegen HIV her

Die von Gilead Science hergestellte HIV-vorbeugende Pille Truvada funktioniert in einer sogenannte "pre-exposure prophylaxis," einer sogenannten PrEP. Das hatte man bislang auch in Deutschland angewendet, wenn nach einem Sexualkontakt der Verdacht bestand, dass sich jemand mit HIV angesteckt haben könnte. Unterzieht man sich in den ersten 12 bis 24 Stunden einer solchen PrEP-Therapie, ist die Chance hoch, das HIV-Virus gegebenenfalls wieder aus dem Körper zu bekommen. Ist es erst einmal im Körper und unbehandelt, gilt es bis heute als nicht mehr heilbar, sprich:

Der oder die Betroffenen kann nur durch tägliche Einnahme einer Pille eine relative Heilung, aber nicht eine ganze, herbeiführen. Das heißt: Das HIV-Virus wird dann daran gehindert sich im Körper weiter auszubreiten. Das führt auch dazu, dass selbst beim ungeschützten Sexualverkehr andere nicht mehr angesteckt werden können. Selbst Kinder können so wieder gezeugt werden, sagt das amerikanische "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC).

Laut Studien wird durch eine HIV-vorbeugende Truvada-PrEP das Infektionsrisiko durch Sexualverkehr um 92% gesenkt hat - also fast ganz. Selbst im Falle von Drogenkonsumenten kann das Risiko um 70% gesenkt werden. Dass die Rate bei Drogenkonsumenten geringer ist, liegt daran, dass hier unmittelbarer Blut betroffen sein kann: beispielsweise beim gemeinsamen Nehmen eines Kokain-Schnupfstäbchens (Blutrückstände durch übliches durch Kokain häufig hervorgerufenes Nasenbluten) oder durch Verwenden einer gemeinsamen Nadel beim Heroin-Spritzen.

Nur 21.000 Amerikaner nehmen die "HIV-Impfung" Truveda bislang

Nach dem HIV-Geständnis des heterosexuellen Hollywood-Stars Charlie Sheen weist die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC darauf hin: Bislang machten nur 21.000 Amerikaner von dem Angebot Gebrauch, wonach zahlreiche amerikanische Krankenkassen die Kosten für die vorbeugende HIV-Tablette Truveda von Gilead als verschreibungspflichtiges Medikament übernehmen. Dies erklärte CDC-Mitarbeiter Jonathan Mermin.

Die Nebenwirkungen von Truveda gelten als sehr gering und meist auch gar nicht auftretend. In Ausnahmefällen sollen Müdigkeit beobachtet worden sein oder etwas Magendruck. Fettverlagerungen, wie es noch vor zehn bis 15 Jahren bei einer HIV-Therapie üblich war, gelten heute als ausgeschlossen. Letztlich verhindert Truveda, vereinfacht ausgedrückt, dass sich HIV an einem Blutproteien satt fressen kann, um sich dann an menschlichen Zellen anzudocken (siehe Grafik in der Mitte des Artikels hinter diesem Link).

Truvada wird in den USA bereits seit 2012 offiziell vom amerikanischen Bundes-Gesundheitsministerium, der Food and Drug Administration, empfohlen.

Dass Truvada wirkt, darauf soll auch Sheen's Ex-Freundin, Amanda Bruce, hingewiesen haben. Sie sagte, obwohl das HIV-Virus bei dem Hollywood-Star nicht mehr vorhanden war - da er selbst eine Therapie macht - habe sie eine vorbeugende HIV-Tablette (also wahrscheinlich Truvada) genommen. Bis heute habe sie sich nicht mit HIV angesteckt, soll Amanda Bruce gesagt haben.

AIDS führt nach wie vor unbehandelt zum Tod

Nach wie vor führt eine HIV-Infektion unbehandelt in zahlreichen Fällen nach rund 10 Jahren zum Tod, da das Immunsystem-Killer AIDS die Abwehrkräfte des Körpers zerstört.

Dennoch: Trotz der phantastischen Fortschritte in der HIV-Behandlung gelten in den USA nur rund 30 Prozent der Betroffenen als gut medizinisch behandelt. Grund: Viele sind nicht krankenversichert oder sozial so aus der Bahn geraten, dass eine konsequente medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist.

Nach wie vor ein Problem ist auch, wenn die Patienten willkürlich die Behandlung einige Tage immer mal wieder absetzen, beispielsweise aus purer Lust und Laune heraus oder Schlamperei. Dann kann sich das HIV-Virus - ähnlich im Falle von Bakterien - einen Immunitäts-Schutz gegen das jeweilige Medikament anlegen. Die Wirkstoffe zur HIV-Bekämpfung versagen also, das Virus mutiert. Deshalb ist eine konsequente tägliche Einnahme elementar, wie im Falle von zahlreichen anderen üblichen Therapien auch - beispielsweise einer Antibiotika-Anwendung.

Die beste Vorbeugung ist Safer Sex mit Kondom und nicht abspritzen

Dass Vorbeugung im Falle von HIV nicht nur Safen Sex bedeutet - also mit Kondom - sondern eben auch die Möglichkeit einer Truveda-Einnahme, darauf verwies kürzlich die Stadt New York in einer großen Werbekampagne. Sie pflasterte die ganze Stadt mit Plakaten zu, die die Einnahme von Truveda als HIV-vorbeugendes Medikament offiziell empfahl. Auch wenn viele Menschen, auch zahlreiche Homosexuelle, nach wie vor Safen Sex praktizieren, so ist es doch für die meisten noch so vorsichtigen Bürger schwierig, ein solches Verhalten über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Irgendwann entsteht bei den meisten Menschen ganz natürlich der Drang nach mehr Nähe als es mit einem Kondom möglich ist. Und genau das ist das Einfallstor für HIV / AIDS: Da wo Menschen sich lieben, schlägt das Virus heimtückisch zu. Perverser geht es in der Natur kaum.

Und genau darin liegt das Problem: Nach wie vor genügt ein einziger unsafer Sexkontakt auch nach 15 Jahren Safer Sex, um sich mit HIV zu infizieren. Als sicher gilt hingegen Blasen, so lange der Sexualpartner nicht im Mund des anderen abspritzt. Als hochgefährlich gilt Analverkehr und Vaginalverkehr wenn keiner der beiden Partner sich entweder mit Truveda vorbeugend schützt oder - im Falle einer HIV-Infektion - durch tägliche Einnahme von wenigstens einer Tablette das HIV-Virus im Blut und Sperma unter die Nachweisgrenze, also Ansteckungsgrenze, drückt.

Vor allem 18- bis 30-Jährige stecken sich auch in Deutschland häufig an

Besonders hoch ist die Ansteckungsrate mittlerweile vor allem in der jungen Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen. In den USA war die Hauptgruppe der Infektionen in den Jahren 2001 bis 2011 sogar unter den 13- bis 24-Jährigen, schreibt vox.com. Viele Jüngere meinen oft, sie könnten übers Wasser laufen und unterschätzten die große Gefahr. Doch auch das ist ein Risiko: Dass viele meinen, sie bekämen eine HIV-Infektion mit nur einer Tablette ja eh wieder in den Griff.

"Medizinisch stimmt das nur bedingt. Was viele unterschätzten, ist die massive psychische Belastung wenn man sich das HIV-Virus erst einmal eingefangen hat. Nicht wenige haben danach Selbstmordgedanken und das dauerhaft", sagt ein Münchner Psychiater. Außerdem müssen Betroffene nach derzeitigem Stand lebenslang alle drei bis sechs Monate zum Arzt und ihr Blut untersuchen lassen, was auch nicht gerade angenehm sein dürfte. Artikelempfehlung: "The CDC wants 1 in 4 sexually active gay and bisexual men to use an HIV prevention pill".

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