TikToks neuer KI-Trend: Wie ‚AI Alive‘ Fotos in Videos verwandelt – und warum das Fragen aufwirft

TikTok hat ein neues Kapitel in seiner KI-Offensive aufgeschlagen. Mit dem Tool „TikTok AI Alive“ können Nutzerinnen und Nutzer ab sofort ihre Fotos direkt in der App zu kurzen Videos animieren. Das Feature, das seit Mai 2025 zunächst in den USA und Großbritannien ausgerollt wird, erlaubt es, statische Bilder in bewegte Szenen zu verwandeln – etwa indem sich Wolken über dem Meer bewegen, Lichtverhältnisse wechseln oder Gesichter leicht lächeln. Laut TikTok soll das neue Werkzeug „kreative Ausdrucksformen erweitern“ und „Bewegung, Atmosphäre und Emotion“ in Bilder bringen (TechCrunch).

Technisch basiert AI Alive auf Bildanalyse und KI-gestützter Animation. Das System erkennt Bildelemente und fügt passende Bewegungen, Übergänge und Geräusche hinzu. Nutzer können dabei eine Eingabeaufforderung („Prompt“) formulieren, um die Art der Animation zu beeinflussen. Das fertige Ergebnis lässt sich nur als TikTok Story veröffentlichen. Alle mit dem Tool erzeugten Clips tragen automatisch den Hinweis „AI-generated“ und enthalten C2PA-Metadaten, eine internationale Norm zur Kennzeichnung künstlich erzeugter Medien (The Verge).

AI Alive - Weiterentwicklung oder was?

Auf den ersten Blick ist AI Alive eine konsequente Weiterentwicklung früherer Experimente mit KI bei TikTok. Schon 2022 hatte die Plattform einen textbasierten Bildgenerator integriert, ähnlich den später populären Tools wie Midjourney oder DALL·E. Nun geht es um die nächste Stufe der Bewegtbildproduktion. Auch Konkurrenten wie Snapchat oder Instagram arbeiten an ähnlichen Lösungen, wobei Snapchat laut Ankündigung ebenfalls KI-Videos aus Fotos generieren will. Der Wettlauf um die kreativste KI-Funktion in sozialen Netzwerken ist damit offiziell eröffnet.

Doch der neue Trend wirft auch kritische Fragen auf. Besonders heikel sind die Datenschutz- und Urheberrechtsaspekte. Wer ein Foto hochlädt, gibt der Plattform Zugriff auf Gesichter, Umgebungen und möglicherweise sensible Metadaten. TikTok betont zwar, dass Inhalte durch interne Prüfmechanismen und Moderationssysteme kontrolliert würden, doch unklar bleibt, ob die hochgeladenen Fotos auch zum Training weiterer KI-Modelle genutzt werden dürfen. Medienethiker sehen hier ein Problem der „nachträglichen Einwilligung“: Nutzerinnen und Nutzer stimmen oft zu, ohne zu wissen, welche Folgedaten tatsächlich entstehen (EM360Tech).

Potenzial für Missbrauch

Auch das Potenzial für Missbrauch ist nicht zu unterschätzen. Schon heute kursieren auf TikTok Deepfake-Videos, in denen Gesichter manipuliert oder Bewegungen künstlich erzeugt werden. Zwar sollen AI-Alive-Videos durch Kennzeichnungen und Metadaten eindeutig als KI-Inhalte erkennbar bleiben, doch die Erfahrung zeigt: Solche Hinweise gehen beim Teilen über Drittplattformen schnell verloren. Damit droht erneut ein Authentizitätsproblem – ähnlich wie bei textgenerierten Bildern auf X oder Instagram.

Zudem steht die kulturelle und kreative Dimension des neuen Tools zur Debatte. KI-gestützte Animation kann Bilder lebendig machen, aber auch den künstlerischen Prozess vereinfachen und damit standardisieren. Wenn Bewegungen und Effekte automatisiert entstehen, wird der kreative Beitrag der Nutzenden kleiner. Das könnte langfristig die Ästhetik sozialer Medien verändern – hin zu einer Flut uniformer, algorithmisch generierter Inhalte, bei denen Emotionen zwar simuliert, aber kaum mehr selbst gestaltet werden.

TikTok erhöht technische Abhängigkeit von Nutzern

Aus ökonomischer Sicht stärkt TikTok seine Position als technologische Leitplattform. Durch solche Features bleibt die App relevant, bindet Creators und erzeugt neue Formate, die länger konsumiert werden. Doch diese Strategie vergrößert auch die Abhängigkeit der Nutzerinnen und Nutzer von der Plattform – und damit die Macht von ByteDance über das digitale Storytelling ganzer Generationen.

TikTok versucht, die Balance zwischen Innovation und Verantwortung zu wahren, indem es Sicherheitsprüfungen und Moderationsmechanismen betont. Doch im Kern bleibt AI Alive ein Experiment mit offenem Ausgang. Die Funktion kann kreative Grenzen erweitern – oder sie verwischen. Zwischen spielerischer Animation und manipulativer Inszenierung liegt oft nur ein Klick.

Damit zeigt sich: TikToks „AI Alive“ ist mehr als ein neues Gimmick für Stories. Es ist ein Symbol für den nächsten Evolutionsschritt der sozialen Medien – hin zu einer Welt, in der künstliche Intelligenz nicht nur Inhalte produziert, sondern Emotion und Realität zugleich formt. Wie verantwortungsvoll TikTok mit dieser Macht umgeht, wird darüber entscheiden, ob aus dem Trend ein Fortschritt oder eine neue Form der digitalen Täuschung wird.

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