Shopkick App will beim Obi- oder Edeka-Einkauf helfen / Gründer Cyriac Roeding

Gewinner beim Trend zum Onlineshopping sind nicht nur Shops wie otto.de, amazon, foryou, shopping.de oder notebooksbilliger.de, sondern Tausende Onlineshops die zwar keiner kennt, welche aber in ihrer Nische häufig ebenfalls sehr erfolgreich agieren:

Shopkick-Partner: Bislang vor allem Großkonzerne.

Dass es immer weniger Kunden in Geschäften der Gemeinden und Städten gibt - nicht nur in Innenstädten, sondern auch in Randzonen - hat fünf zentrale Gründe. Ohne sie kann der Erfolg von Apps wie Shopkick nicht verstanden werden: Der bekannteste Umstand, warum der lokale Handel leidet, aber nicht der einzige, ist, dass immer mehr im Internet einkaufen. Das ist ein Trend, der seit gut 15 Jahren an Fahrt zunimmt:

Digitalisierung sorgt dafür, dass immer weniger Dienstleister benötigt werden

Die zweite wichtige Ursache, warum der lokale Handel Kunden in den Städten und Gemeinden verliert, ist der rasante technische Fortschritt und die Digitalisierungswelle, die nun auch die Generation 60+ erreicht. In dessen Folge werden immer mehr Dinge privat zu Hause erledigt, ein Dienstleister ist einfach unnötig. Erst kürzlich hatte beispielsweise in Stuttgart-Botnang das letzte Fotofachgeschäft geschlossen.

Die klassischen Fotogeschäfte wie Kodak & Co, welche es früher an jeder Ecke gab, gibt es nur noch selten. Heute fotografieren immer mehr Bürger digital. Wer Fotos dennoch abziehen möchte, geht in die Drogerie zu den dortigen Fotoautomaten. Abzüge gibt es da nicht erst in einer Woche - wie es in Fotofachgeschäften Jahrzehntelang üblich war - sondern innerhalb von einer Stunde.

Im Bereich des beispielhaften Segments Fotofachgeschäfte kommt also technischer Fortschritt mit katastrophalem schlechtem Kundenservice in vielen Fotofachgeschäften zusammen. Zu lange hatte der Fotofachhandel die Nerven der Verbraucher durch tagelange Lieferzeiten strapaziert. Das ist ins kollektive Gedächtnis gebrannt und bewirkt nun ein umkehrbares Konsumentenverhalten, was bedeutet: Millionen Verbraucher machen um Fotogeschäfte einen großen Bogen.

Unübersichtliches Sortiment treibt Kunden aus Geschäften

Der dritte Grund, warum viele Menschen Geschäfte in Städten und Gemeinden zunehmend meiden, ist ein unübersichtliches Sortiment. Als unübersichtlich empfinden die Verbraucher ein Geschäft, das zu klein ist mit zu viel Ware vollgestopft, aber ohne Waren-Akzente. Als unübersichtlich empfinden Shopper aber auch Geschäfte, die zu groß sind, ebenfalls zu viel Ware aufweisen und dies die Orientierung beim Einkauf sehr schwer macht.

Ein weiterer Grund, warum Bürger Geschäfte meidet, der vierte Grund also, liegt in schlechter Warenpräsentation, die moderne Einkaufsgewohnheiten ignoriert. Als bestes Beispiel kann hier Schlecker fungieren. Die grandiose schwäbische Erfolgsgeschichte endete in einem Desaster, im Untergang eines Drogerie-Imperiums, im Fall des Milliardärs Anton Schlecker - ein einstiger Vorzeigeunternehmer Baden-Württembergs.

Als Schlecker beispielsweise vor einigen Jahren im Stuttgarter Stadtteil Botnang seine eher schäbig aussehende Drogerie-Filiale schloss, wunderte das viele nicht. Klar waren viele Bürger auch in Botnang von den Negativ-Nachrichten bezüglich angeblicher Mitarbeiter-Zustände in Schleckerfillialen schockiert gewesen. Doch das soziale Mitempfinden für Verkäuferinnen und Verkäufer bei Schlecker dürfte nicht der Hauptgrund gewesen sein, warum zunehmend Verbraucher Schlecker den Rücken kehrten.

Schlecker starben die Trümmerfrauen als Kundinnen aus

Der Hauptgrund, warum selbst billigste Preise nicht mehr als Magnet funktionierten, war: Schlecker wirkte in die Jahre gekommen. Waren die Bürger in den Wirtschaftswunderzeiten, in den 1950er, 60er und 70er Jahren bis Mitte der 80er Jahre noch relativ anspruchslos bei Einkäufen, vor allem von den Wehen des totalen Nicht-Konsums im Zweiten Weltkriegs und auch in der Weimarer Republik geprägt, kehrte sich der Trend spätestens Mitte- bis Ende der 1990er Jahre um:

Die Bürger wollten mehr als billige Windeln, Schrauben oder Waschmittel in lieblosen Regalen, sie wollten ein wohliges Einkaufsgefühl, ganz so, als bewegten sie sich im eigenen Wohnzimmer. Doch in Läden wie Schlecker oder Woolworth kam man sicher immer vor, wie ein ätzender Billigheimer, der unter dem Mülleimer glaubte, noch das letzte Schnäppchen abgreifen zu können und zu wollen.

Kurz und gut: Ladenanbieter wie Schlecker starben die Trümmerfrauen, die ein solches Konsumverhalten gewohnt waren, einfach weg. Die nächsten Generationen wollten mehr Glamour, mehr Luxus, mehr Respekt beim Einkauf. Das boten Drogerieketten wie Rossmann oder dm, auch Kaufhof mit seinem Galeria Kaufhof Rezept (das aber auch nicht in jeder Stadt aufgeht).

Der für den deutschen lokalen Handel geradezu symbolträchtige Untergang des Imperiums Schlecker hat deshalb mit dem Internet rein gar nichts zu tun. Nach wie vor kaufen Bürger ihre Drogerieartikel lieber vor Ort ein, als im Internet (von Gleitgel, Kondomen & Co einmal abgesehen).

Immobilliengurus werden immer reicher, pressen auch den lokalen Handel aus

Der fünfte wichtige Grund für den Niedergang der einstigen vielfältigen Kultur des lokalen Handels sind die seit Jahren drastisch steigenden Immobilienpreise. Der Skandal ist, dass selbst kleine lokale Einzelhändler für die Miete in Immobilien vom Schlage Köllner Billig-Plattenbau von Jahr zu Jahr mehr abdrücken sollen an die Immobilienhaie. Der Gesetzgeber greift hier mittlerweile und unverständlicherweise so gut wie gar nicht mehr regulierend ein.

Gerade in Innenstädten können es sich Boutiquen und sonstige kleinere Fachgeschäfte einfach nicht mehr leisten, im Monat 20.000 Euro oder mehr an die Immobiiengurus abzudrücken. Denn ob Leipzig, München, Dresden, Stuttgart, Köln oder Frankfurt: Die Masse der Immobilien konzentriert sich immer stärker in den Händen von immer weniger Anbietern.

So gibt es mittlerweile selbst in Regionen wie Leipzig Immobiliengurus, welche auf ein privates Vermögen von über 100 Millionen Euro geschätzt werden. Solche Anbieter können zunehmend die Preise für ihre Ware Immobilie diktieren. Jahrelang gepflegte Kontakte zwischen Immobiliengurus, den städtischen Baudezernenten, Stadtplanern, Bauämtern, Denkmalschützern, den Stadträten verstärken den Trend, dass nicht mehr unbedingt zum Wohle der sozialverträglichen städtischen Infrastruktur agiert wird, sondern zum Wohle der Immobiliengurus.

Selbst für Schrott-Immobilien wie die Kölner Plattenbauten sollen Händler Unsummen an Miete bezahlen

Diese bieten zwar im Gegenzug beispielsweise den Neubau von Immobilien oder die Sanierung von Häusern. Doch haben die Städte beim anschließenden Vermietungs-Verfahren wenige Mitspracherechte. Für den lokalen Handel bedeutet dies: Nur noch weltweit agierende Ketten können sich an den infrastrukturellen Shopping-Knotenpunkten von Städten und Gemeinden die steigenden Immobilienpreise leisten.

Der Vorteil von Handelsketten beruht im Wesentlichen auf der Einkaufsmacht, also dem Preisvorteil beim Prinzip Masseneinkauf von Konsumgütern, aber auch beim Kostenfaktor Marketing: Wenn jeder schon Hennes & Mauritz kennt, ist ein mühevoller ständig zu wiederholender Markenaufbau eher unnötig. Mit bundesweiten Imagekampagnen im TV, Zeitschriften oder Zeitungen, aber auch online, können regionsübergreifend Millionen potentieller Kunden angesprochen werden - zentral für alle Filialen. Die Lokalwerbung in den örtlichen Anzeigenzeitungen, wie beispielsweise im Regensburger Wochenblatt, dem Sendlinger Anzeiger in München, der Holsteiner Allgemeinen in Elmshorn oder Pinneberg, auch im Stadtkurier Freiburg hat dann nur noch eine ergänzende lokale Marketing-Funktion, die aber ebenfalls wichtig ist.

Apps wie der US-Anbieter Shopkick wollen Einzelhandel nun helfen

Summiert man diese fünf Hauptgründe des lokalen Handels zusammen, kommt man nur zu einem Fazit: Er hat ein großes, aber nicht unlösbares Problem. Dies hat auch Cyriac Roeding, der 41-Jährige deutschstämmige und deutschsprachige Gründer der US-App Shopkick erkannt und in den USA gehandelt:

Die App Shopkick hilft beim Einkauf vor allem in den großen amerikanischen Marken-Malls wie Best Buy, Target, Macys. Mit dem nun anstehenden Start in Deutschland konnte Shopkick, welche mit 8 Millionen Downloads in den USA zu den erfolgreichsten Apps gehört, bereits einige große Kunden gewinnen: Obi, Karstadt, Douglas, Mediamarkt, Saturn. Das berichtet zumindest Britta Weddeling in einem umfangreichen Artikel in der Wirtschafts-Tageszeitung Handelsblatt (Ausgabe vom 23. Oktober, Seite 1 ff).

Bereits im Jahr 2013 war Shopkick-Gründer Roeding vom bekannten "World Economic Forum" im schweizerischen Ort Davos zum "Tech-Pioneer" ausgezeichnet worden. Ende September 2014 hatte er sein mit Hilfe von Venture Capital aufgebautes Unternehmen zwar an die südkoreanische SK Telecom für 200 Millionen Dollar verkauft, dennoch blieb er als Geschäftsführer an Bord.

Angeblich habe Shopkick bereits 1000 Einzelhändler als Partner

Angeblich, sagt zumindest Shopkick, habe man alleine in Deutschland bereits 1000 Handelspartner gewonnen. Dabei hoffen alle auf eine Win-Win-Situation in der Zusammenarbeit mit Apps wie Shopkick:

So lotst die App die Kunden durch Geschäfte und zeigt ihnen Produkte, die sie möglicherweise bereits woanders gekauft haben. Das Handelsblatt schreibt: "Das Shopkick-Prinzip ist einfach, aber effektiv. Der Nutzer erhält beim Betreten eines Geschäfts Punkte ('Kicks') auf seinem Smartphone, egal ob er etwas einkauft oder nicht. Betritt der Nutzer einen der Partnerläden, wird er über ein Verfahren registriert, das in jedem Laden für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbare Audiosignale an die App schickt".

Konkret agiert die App damit, dass es eine Konsum- und Konsuminteressens-Geschichte des Smartphone-Inhabers aufzeichnet und auf Grund der erworbenen "Kicks" anschließend kleine Gutschriften beim Kauf erteilt. Dabei würde aber Wert darauf gelegt, dass angeblich die Daten nicht an Dritte veräußert würden, heißt es.

Jeder Kunde erhält jedenfalls pro Betreten eines Ladens 35 Kicks, was wiederum einer späteren Gutschrift in Höhe von 14 Cent entspricht. Beim konkreten Einkauf erhält man weitere Kicks, auch beim Scannen von Produktinformationen. Einige Einzelhändler bieten in den USA sogar weitere Kicks für das reine Kleider-Probieren in der Ankleide-Kabine.

Umsatz mit Shopkick in Höhe von 125 Dollar pro Kunde?

Doch ob zutrifft, was das Handelsblatt schreibt, nämlich dass sich Shopkick für die teilnehmenden Unternehmen rechne, was eine Studie des Kreditkartenanbieters Visa belege, nämlich da "ein Shopkick-Nutzer in den USA durchschnittlich 50 bis 100 Prozent mehr Geld" ausgebe, als andere Kunden, ist noch nicht ausgemacht. Denn man könnte auch sagen: Vielleicht sind Shopkick-Nutzer sowieso Menschen, die lieber als andere lokal einkaufen geben.

Jedenfalls, schreibt das Handelsblatt, habe Shopkick den teilnehmenden Händlern angeblich "Werte in Höhe von gut einer Milliarde Dollar" bislang erwirtschaftet. Das würde bedeuten: Jeder der 8 Millionen Shopkick-Kunden hat im Schnitt 125 Dollar ausgegeben. Bedenkt man, dass alleine ein Wochenendeinkauf für eine einzige Person im deutschen Supermarkt Kaisers beispielsweise in der Berliner Filiale Schönhauser Allee Arcaden leicht mit 70 Euro zu Buche schlägt, ist das nicht viel:

Immerhin wird im Handelsblatt Karl-Erivan Haub, der Mann von Tengelmann & Co und Groß-Investor in Rocket Internet (Samwer Brüder) mit den Worten zitiert, wonach er zuversichtlich sei, dass Anbieter wie Shopkick auch in Deutschland eine Erfolgsgeschichte werden könnten: "Zum Vorteil der beteiligten Einzelhändler, die dadurch mehr Kundenfrequenz in die Läden bekommen und sich so die digitale Entwicklung zunutze machen."

Doch gerade Karl-Erivan Haub hatte erst kürzlich bekannt gegeben, er wolle seine über 400 Supermärkte verkaufen – am besten an die Edeka Gruppe – da er und seine Familie vor allem auf Grund der großen Konzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel kaum mehr eine langfristige Chance erblicke. Man selbst habe in einigen deutschen Supermarkt-Filialen bereits jahrelang hohe Verluste abfedern müssen.

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