Forbes-USA Titelgeschichte: Amazon's Krieg gegen Otto und die 18 Mrd. Dollar-Familie Otto

Die deutsche Unternehmerfamilie Otto gehört weltweit zu den reichsten Clans - mit einem von Forbes auf 18 Mrd. Dollar geschätzten Vermögen. Dennoch haben Versandhandels-Familie wie die Schickedanz von Quelle gezeigt, dass man auch als Milliardärsfamilie wieder recht weit unten ankommen kann - bringt man auch renommierten Bankhäusern, Privatbankhäusern, und Beratern zu viel Vertrauen entgegen und glaubt, Verträge nicht Zeile für Zeile persönlich lesen zu müssen.

In einer bemerkenswerten Titelgeschichte berichtet die aktuelle US-Ausgabe des Magazins Forbes über die Hamburger Unternehmerfamilie Otto (Otto-Versand, otto.de, Otto Group, ECE Einkaufscenter) und den aggressiven Kampf des amerikanischen Onlineportals amazon.de gegen das erfolgreiche Konkurrenzportal otto.de.

Kürzlich war bekannt geworden, dass ein Berater von Madeleine Schickedanz, der pleite gegangenen Quelle-Erbin, gesagt haben soll "dein Kissen gehört schon lange nicht mehr Dir". Dass es Otto im Gegensatz zu Quelle besser hinbekommen hat im Konkurrenzkampf mit dem amerikanischen Giganten-Onlinekaufhaus Amazon, liegt daran, dass Otto frühzeitig intensiv sein Onlinegeschäft über otto.de ausgebaut hat und sein Geschäft diversifizierte.

Das angesehene amerikanische Magazin Forbes zieht beim Blick auf die Familie um Firmen-Patriarch Dr. Michael Otto, 70 (den man schon einmal im ICE von Berlin nach Hamburg unauffällig treffen kann), zunächst einmal einen Rückblick und schreibt, wonach die Otto-Familie im Nachkriegs-Deutschland so omnipräsent gewesen sei, wie in den USA die Retail-Stores Wal-Mart, Sears oder Target.

Forbes stellt die Frage: Worüber möchte denn nun Michael Otto sprechen? Seine Antwort sei gewesen: Über eine Fabrik in Bangladesch. Grund: Otto lässt weltweit seine Kleider produzieren, unter anderem auch in Fabriken in Bangladesch. Dafür schickt Otto allerdings regelmäßig Qualitäts-Scouts in die Länder (wie beispielsweise VW oder BMW), welche die Aufgabe haben, die Produktions- und Sicherheitsbedingungen der Arbeitnehmer in den Firmen zu untersuchen.

Otto und die Suche nach sozialen Standards mit Nobelpreis-Gewinner Muhammad Yunus

Otto habe, schreibt Forbes, erzählt, wie er gemeinsam mit dem Nobelpreis-Gewinner Muhammad Yunus, sich daran gemacht hätten, eine humane Produktions-Stätte für Kleidung zu planen - wo Profite auch zurück in die örtliche Gesellschaft gingen: Für den Schulbau beispielsweise oder für Krankenhäuser.

Doch dass Entwicklungshilfe auch für einen Milliardär wie Michael Otto nicht immer einfach ist, habe sich früh gezeigt - beispielsweise daran, dass man es in Bangladesch frühestens hinbekommen hätte, in einer bestimmten Region in fünf Jahren für Elektrizität zu sorgen. Dass es so lange dauern hätte sollen, lag wohl daran, erzählt Otto, dass die örtlichen Behörden-Vertreter (welche aber selbst nur sehr schlecht vom Staat bezahlt werden), Bestechungsgelder ("bribes") hätten haben wollen.

Otto selbst hätte es aber abgelehnt, ein Geschäft, welches sich soziale Standards zum Vorbild genommen habe, damit zu beginnen, indem man an lokale Größen Ermöglichungs-Gelder, beziehungsweise Bestechungsgelder (die sowieso nach internationalem Recht bei hoher Strafe untersagt sind) zu zahlen. "Es ist unglaublich", habe Michael Otto dem Forbes-Magazin in Hamburg erzählt, während er auf seinen Schreibtisch klopfe, schreibt das US-Magazin. Er habe in Bangladesch gelernt, dass es eben nicht immer so sei, dass eine Regierung happy sei, wenn eine Firma bereit sei in einem Land zu investieren.

Die Otto Group sei "Human and civilized", schreibt Forbes ankerkennend. Das ist auch in Deutschland bekannt - schon in den 1950er Jahren ließ der Otto-Versand-Gründer Werner Otto arme Familien mit Lebensmitteln versorgen. In Deutschland hungerten auch noch Anfang der 1960er Jahre zehntausende Familien und Kinder, wie eine beispielhafte Dokumentation im Bayerischen Fernsehen (BR) am Dienstag den 25. März in seiner sehr guten Dokumentations-Reihe "Lebenslinien", welche seit 1990 läuft, zeigte:

Was Otto und das Playboy-Playmate Ursula Buchfellner gemeinsam haben

So berichtete das ehemalige Playboy-Playmate, Ursula Buchfellner, wie sie auf dem Münchner Hasenbergl in den 1960er Jahren aufgewachsen sei und in der Schule immer nur hungern habe müssen - da ihre Familie kein Geld für ein Pausenbrot oder Kakao gehabt habe. "Ich konnte immer nur das Essen der anderen riechen, das war furchtbar" erklärte Buchfellner dem BR. Doch auch Michael Otto räumt gegenüber Forbes ein, dass er sich in der Nachkriegszeit daran erinnern habe können, wie er hungrig ins Bett habe gehen müssen, da seine Mutter Eva in den ersten Nachkriegsjahren nicht genug Geld gehabt habe, um Essen zu kaufen. Das erging aber Millionen anderer Deutschen damals auch so.

In der Otto Group weiß man: Dass ein großes Unternehmen dauerhaft nur existieren kann, wenn es sich vielfältig gesellschaftlich einbringt und engagiert - nur das bringt Verbündete: Kunden (die durchaus gerade bei deutschen Unternehmen auf so etwas achten), aber auch in der Politik, bei Sozialverbänden, in der Kultur, bei Journalisten und Medien.

Die Otto Group ist heute mit 123 Unternehmen in 20 Ländern weltweit aktiv. Niemals oder fast niemals hätten Otto-Mitarbeiter, schreibt Forbes, gestreikt - so gut sei das Arbeitsklima am Hamburger Stadtpark in der Otto-Zentrale. Dennoch scheint Michael Otto auch das zu sehen: "Die steigenden Burnouts sind ein Problem, da die Menschen immer online sind". Es sei "sehr wichtig, sich einmal zu entspannen".

Die Art und Weise, wie die deutsche Unternehmerfamilie Otto Geschäfte betreibe, sei Meilen von dem Ansatz entfernt, welchen der US-Milliardär Jeff Bezon mit Amazon verfolge, schreibt Forbes. Amazon ist 2013 beispielsweise in Deutschland massiv unter Druck in den Medien geraten, da die Gewerkschaften immer wieder die als inhuman geltenden Arbeitsbedingungen in Zweigniederlassungen wie in Leipzig kritisiert haben - ob überzogen oder angebracht, ist dabei allerdings immer schwer zu beurteilen. Zudem hat es den Umsätzen von Amazon in Deutschland in keiner Weise geschadet.

Das ist das Groteske: Jedes deutsche Unternehmen, das so massiv in die Mangel genommen wäre, wie Amazon in Deutschland, hätte sich Sorgen um seine Zukunft machen müssen (Beispiel: Schlecker), nicht aber ein großer amerikanischer Konzern, welcher in Deutschland satte Gewinne einfährt: Hierzulande werden in den Medien kritisierte vermeintliche oder tatsächliche Missstände gerne von den deutschen Konsumenten ignoriert und den Amis verziehen – besonders wenn es vermeintlich "nur" um Online-Geschäfte geht.

Otto ist in 70 Jahren nie so negativ in die Schlagzeilen geraten wie Amazon

Fakt ist aber: Otto ist in gut 70 Jahren Firmengeschichte noch niemals so negativ in die Schlagzeilen geraten wie Amazon. Dennoch weiß man auch bei Otto: Die Zeiten der zu üppigen Social Welfares sind vorbei, man muss sich als deutsches Unternehmen mit Erz-kapitalistischen Ansätzen von US-Konkurrenten wie Amazon messen.

Dennoch: Niemand habe 2013 mehr Kleider online verkauft, als Otto.de, schreibt Forbes. Dabei operiere Otto "the world’s largest mail-order retail operation". Dennoch gerät Otto durch Amazon zunehmend unter Druck: Erstmals ist es den Amerikanern mit Amazon gelungen, in Deutschland das eigene Handelsvolumen mit 10,5 Milliarden Dollar Umsatz jenes von Otto (9 Milliarden Dollar) zu überholen.

Das liegt auch daran, dass es Amazon geschafft hat, sich zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung breiter aufzustellen als Otto es bislang gelungen ist. Während Amazon den Ruf eines virtuellen Grabbeltisches hat - wo man vom Eros-Gleitgel bis hin zum neuesten Braun-Rasierer alles Mögliche bestellen kann - denken viele Deutsche noch, otto.de sei primär ein Online-Shop für Kleider. Allerdings hat otto.de einen wesentlich besseren Ruf als Amazon.

Wie drastisch Otto auch in Deutschland unter Druck gerät, führt Forbes vor Augen: Während sich die Umsätze von Amazon seit dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise (gemeint ist das Jahr 2010) verdoppelt hätten, habe Otto lediglich um 17% zulegen können.

Dass der märchenhafte Aufstieg der Otto-Familie mit dem Otto-Versand gelingen konnte, habe daran gelegen, schreibt Forbes in seiner Titelgeschichte, dass Michael Ottos Vater im Jahr 1949 eine geniale Idee gehabt habe: Damals habe er 28 Paar Schuhe schlicht in einem Katalog angeboten, welchen man wohl den Haushalten in den Briefkasten der Hamburger stecken ließ. Die Preise habe er damals noch mit Handschrift in den Katalog geschrieben. Otto sei mit dem deutschen Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren nach oben gekommen, resümiert Forbes. Bereits 1967 sei es gelungen, mehr als eine Millionen Kataloge mit 748 Seiten in Deutschland an die Haushalte auszuliefern.

Legendär: Claudia Schiffer auf dem Otto Katalog in der Kollektion 1993 / 1994.

Noch in den 1970er Jahren, auch in den 1980er und 1990er Jahren, gehörten die dicken Kataloge von Otto und Quelle zu den geliebten Standards vieler Millionen deutscher Haushalte. Legendär ist eine Katalog-Ausgabe mit dem deutschen ehemaligen Supermodel Claudia Schiffer. Sie war 1993 das erste Supermodel auf einem Otto-Katalog. Die große Beliebtheit der Otto- und Quelle-Kataloge (auch jener von Neckermann oder Adler Moden), lag daran, dass über 50% der deutschen Bevölkerung außerhalb der 120 größten deutschen Städte leben und dort die Infrastruktur für Einkäufe gänzlich dünner ist, als in Ballungsgebieten. Erst das Internet hat die Kauf-Optionen auch für die ländliche Bevölkerung erheblich verändert.

ECE sei für Zweidrittel des Familien-Vermögens der Ottos verantwortlich, schreibt Forbes

Otto - das ist heute nicht nur der Versandhandel, sondern auch das Einkaufs-Center-Unternehmen ECE Projektmanagement. Es sei, schreibt Forbes, "Europe’s biggest developer of American-style shopping malls". Geführt werde ECE von Michael Ottos jüngerem Halbbruder Alexander. Heute sorge das ECE-Geschäft für zwei Drittel "of the family’s net worth", schreibt Forbes. Michael Otto selbst sei seit 1971 im Otto-Unternehmen tätig.

Eingestiegen sei er damals mit 28 Jahren, schreibt Forbes. Erstaunlich ist, was man in Forbes über Ottos Hobbys liest. Erst kürzlich sei er von einem 10-tätigen Camping-Trip aus Kasachstan zurückgekommen. Doch ob Otto wirklich in einem billigen Zelt in der Steppe von Kasachstan gecampt hat, darf wohl eher bezweifelt werden.

Dennoch scheint ein solcher Trip von Michael Otto nicht nur ein Spleen eines Milliardärs zu sein, sondern sein persönlicher Versuch Bodenhaftung zu behalten - gerade auch wegen der zahlreichen gigantischen Herausforderungen in der Zukunft für die Otto Group: "Ich weiß sehr gut, wie es ist, arm zu sein", sagt er. Dabei könne er "es manchmal nicht verstehen, wie Menschen, die Erfolg haben, eine komplett andere Persönlichkeit werden".

Die Otto Group ist, wie Amazon, seit 1995 online - also bereits sehr früh und zu seinem Zeitpunkt, wo man im Internet noch über Papier-Kataloge nachgeschaute, welcher Online-Betreiber was anbietet - und nicht über Internetsuchmaschinen wie Google oder bing.com.

Was viele nicht wissen, ist, dass zur Otto Group auch Brands gehören wie der Kinderspielzeug-Laden myToys.

Michael Otto gilt heute als einer der 1.645 reichsten Menschen auf der Welt, dabei gebe es 268 neue Milliardäre auf der jährlichen Forbes-Billionaires-List, darunter seien 42 Frauen, schreibt das US-Magazin. Alleine die 268 neuen Milliardäre kämen laut Forbes auf ein geschätztes Vermögen von 510 Milliarden Dollar - das sei so viel wie das Bruttosozialprodukt (GDP) von Norwegen.

Otto gilt noch mit einer Rendite von 6% als profitabler als Amazon - doch der Druck nimmt zu

Doch trotz der weltweiten Erfolge von Amazon, scheint Otto nach wie vor profitabler zu sein. So liege die Marge bei Amazon bei 0,9%, jene der Otto Group aber bei 6% (im fiskalischen Jahr 2013), schreibt Forbes. Das würde aber alleine in Deutschland immerhin noch einem möglichen Amazon-Gewinn von rund 100 Millionen Dollar im Jahr entsprechen.... So gerät Otto nicht nur auf Grund der Handelsmasse von Amazon unter Druck, sondern auch auf Grund der hohen technologischen Innovationskraft von Amazon. So investiert Amazon beispielsweise in technische Produkte wie den E-Book-Reader Kindle.

Gleichzeitig gerät Otto nicht nur wegen Amazon unter Druck, sondern auch wegen dem schrillen deutschen Online-Kaufhaus Zalando, das mit aggressiver TV-Werbung sich immer mehr Umsätze in Deutschland sichert. Immerhin komme Zalando mittlerweile auf einen Umsatz von 2,47 Milliarden Dollar im Jahr 2013, schreibt Forbes. Das sei ein Wachstum von 57%. Allerdings: Das Wachstum gilt als teuer erkauft - durch massive Investments in TV-Werbung und "geschätzte jährliche 100 Millionen bis mindestens 200 Millionen Euro Marketing-Ausgaben für Online-Werbung in Europa", erklärt ein Netz-Kenner gegenüber Netz-Trends.de.

Doch Zalando gilt unter Branchenbeobachtern "als meilenweit davon entfernt, profitabel zu sein und finanziert derzeit seine europaweite Expansion wohl vor allem durch Investorengelder", erklärt ein eCommerce-Fachmann gegenüber Netz-Trends. Insgesamt geschätzte 5 Milliarden Dollar habe Zalando alleine im September 2013 eingesammelt - schreibt Forbes, und weiter: "Zalando continues to lose money, however, in pursuit of growth".

Doch auch die Otto Group möchte weiter online expandieren. Erst kürzlich habe sie, schreibt Forbes, einige hundert Millionen Dollar in "early-stage venture investments" gebuttert. Damit habe man neue Online-Brands finanziert, wie Tirendo, ein "digital wallet payments"-System. Gleichzeitig expandiere man in Brasilien, China, Indien oder Mexiko.

Das Geschick der Otto Group liegt künftig in den Händen des Sohns von Michael Otto - und zwar bei Benjamin Otto. Ob es ihm gelingt, als Enkelgeneration nicht doch noch das große deutsche Unternehmen Otto an die Wand zu fahren, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls gibt es nicht viele Enkel, die in der Lage sind, einen Milliarden-Konzern wie Otto zu erhalten und auszubauen und nicht nur das große Vermögen zu verscherbeln.

Oder, um die legendären etwas derben Worte des verstorbenen Fürsten Johannes von Thurn und Taxis aufzugreifen: So soll er einst gesagt haben, wonach man ein großes Vermögen weder versaufen, noch verfressen noch verhuren könne, man könne es allenfalls verdummen.

Fakt ist: Im digitalen Zeitalter überleben nur die Flexiblen, die jährlich bereit sind, alte Gewohnheiten über Nacht über Bord zu werfen.

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