CSU: No-Net Alexander Dobrindt wird deutscher Internetminister

Oliver Georgi, der Chef vom Dienst des Onlineauftrittes der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, faz.net, meint jedenfalls zunächst einmal, wonach Alexander Dobrindt "Seehofers oberster Wadenbeißer von der CSU" sei. Die Tatsache, dass Dobrindt nun Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur wird, steht sinnbildlich für ein Problem - nämlich jenes, dass die Bundesregierung Deutschlands immer noch nicht die Bedeutung des Internets für die gesamte Wirtschaft aber auch die Demokratie erkannt hat.

Foto: Microsoft
Tablets haben dem Internet einen weiteren Kick verliehen. Hier das Dell Venue 8 Tablet.

Es ist ja nicht so, als ob die CSU sich nicht um das Thema Internet gekümmert hätte. Bereits um das Jahr 2001, als Peter Schmalz Chefredakteur der CSU-Wochenzeitung Bayernkurier war und Edmund Stoiber Bayerns Ministerpräsident, kümmerte sich Markus Söder in der CSU um die neuen Technologien. Doch nicht er wird nun der erste Bundes-Internetminister Deutschlands, sondern Alexander Dobrindt. Eine richtige Wahl?

Dabei muss man zudem sagen: In der Internetszene ist Alexander Dobrindt ein No-Name, einige empfinden es als Zumutung dass ausgerechnet ein CSU-Mann nun Internetminister wird. Warum tun sich da einige schwer? Der Grund liegt auf der Hand: Viele verbinden mit der CSU eine rechtsaußen-Politik: Gegen Schwule, gegen Linke, gegen zu viel Demokratie, gegen zu viel Freiheit, vor allem gegen zu viel Freiheit im Internet.

Doch gerade das Internet ist aus der Freiheit heraus entstanden: Ohne Experimente geht es im Internet nicht. Wer das nicht versteht, der agiert so wie die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen, kurz Ines: Man überzieht Internetcompanys mit Razzien, Verhaftungen - "und immer mit der unterschwelligen Drohung, am besten Internetcompanys gleich ganz zu schließen" (O-Ton Internet-Kenner).

Jeder, der eine Internetcompany in Deutschland aufgebaut hat, weiß: Es gibt das Recht, den Rechtsstaat und es gibt viele junge Menschen, die sich im weltweiten Netz im globalen Wettbewerb behaupten müssen. Denn egal ob das Internet in den USA, in Australien, Frankreich oder Deutschland vorangetrieben wird - die Regeln geben die Amerikaner vor.

Die Internet-Unternehmen der USA können stets allen europäischen und deutschen Internet-Unternehmen eine Nasenlänge voraus sein, da in den USA die Themen Datenschutz und Freiheit im Netz eine schier grenzenlose Bande hat. Bereits seit über zehn Jahren gilt in den USA ein Gesetz, das die Freiheit des Netzes über alles stellt.

Das ist wiederum der Maßstab auch für die deutsche Internetszene. Doch dieser Maßstab wird seit gut zwei Jahren permanent von deutschen Institutionen, auch von deutschen Gerichten, untergraben, ja ausgehöhlt: Seien es völlig überzogene Razzien bei durchaus umstrittenen aber erfolgreichen jungen Internetunternehmen wie in Sachsen oder zehntausende Abmahnungen von Verbrauchern, die Sexvideos auf Portalen wie Redtube oder Youporn streamen: Mit drastischen Maßnahmen klemmen Deutschlands Institutionen immer stärker das Netz ab und spielen damit letztlich den amerikanischen Multi-Milliarden-Unternehmen der Digitalwirtschaft in die Hände (Google, Intel, Apple, Microsoft, Expedia etc.).

Würden amerikanische Institutionen so agieren, wie beispielsweise die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (Ines; auch bekannt als Antikorruptionseinheit Sachsen) agiert, oder das Kölner Landgericht, das Telekommunikationsunternehmen zwang, die Adressen von zehntausenden Deutschen herauszurücken, damit diese von dubiosen Abmahnkanzleien kostenpflichtig abgemahnt werden können - es gebe bis heute kein Google, kein Flickr, kein YouTube - und die Inhaber wären wahrscheinlich längst ins Gefängnis gesteckt worden.

Das Internet in Deutschland ist schon lange kein rechtsfreier Raum mehr. Die Claims sind gesteckt - fast alle großen Internetcompanys in Deutschland sind mittlerweile von Konzernen einverleibt worden - ob von Burda, Gruner+Jahr, Axel Springer, Bertelsmann oder der Deutschen Telekom AG. Es gibt nur noch wenige Filetstücke die nicht zu irgendeinem alten Konzern gehören.

Was also soll der neue Internetminister tun? Das Netz dem Großkapital noch stärker zuschanzen? Wir wissen es nicht. Wir haben derzeit auch keine Visionen, die uns den Weg markieren könnten. Nur eines haben wir mit Alexander Dobrindt und der CSU: Es sind keine guten Zeichen.

Die deutschen Internetgenies und Internet-Nerds müssen ihre Freiräume behalten können. Sie müssen auch ein Recht auf Fehler haben und ein Recht diese zu korrigieren. Gleichzeitig müssen die Gerichte verstehen: Gerichtsurteile müssen die Bedingungen des Internet berücksichtigen.

Wie wenig nicht nur die Politik, sondern auch die Justiz bislang das Internet verstanden hat, zeigt sich daran, dass so gut wie kein Amtsgericht, kein Landesgericht, eine spezielle Internetkammer hat. Während fast alle Landesgerichte mittlerweile zumindest Fachabteilungen für das Presserecht aufweisen, wursteln viele Gerichte beim Thema Internet und Digitalwirtschaft immer noch vor sich hin.

Beispiel Landgericht Stuttgart: Möchte jemand sich über einen Online-Artikel beschweren, landet er dort nicht in der Pressekammer (die ist immer noch nur für Zeitungs- und Zeitschriftenartikel etc. zuständig), sondern bei fachfremden Richtern. So kann es sein - wie bei Netz-Trends.de geschehen - das ein kritischer Artikel über einen Fahrradschloss-Hersteller mal kurz mit 150.000 Euro Streitwert belegt wird.

So hohe Streitwerte erlebt selbst die milliardenschwere BILD-Zeitung selten, auch die BUNTE. Nur: Webseiten wie Netz-Trends haben nicht einmal ansatzweise Umsätze, die solch hohe Streitwerte rechtfertigen würden. Gerichte, die solche Streitwerte festsetzen, zerstören die Freiheit im Internet durch absolut unverhältnismäßig ausgesprochene Urteile. Eine Webseite wie Netz-Trends.de macht derzeit rund 200 Euro Umsatz im Monat - es ist also ein ideelles Projekt.

Wer aber in der Rechtsprechung, in der Gerichtssprechung, nicht den ideellen Ansatz des Internets versteht und entsprechend unverhältnismäßig hohe Auflagen den Internetmachern macht, der zerstört die Freiheit. Er attackiert ein Stück weit die Demokratie.

Was also erwarten wir von einem CSU-Mann Alexander Dobrindt als erster deutscher Internetminister? Nicht viel. Nur eines: Dass er sich freut, wenn er in der Bibliothek im 19. Stock der Axel Springer AG empfangen wird, oder auf dem Burda-Internetkongress in München von Hubert Burda hofiert wird oder auf dem Eröffnungspodium der Münchner Medientage sich zeigen darf.

Wir erwarten von ihm also vor allem Nähe zum Großkapital - und nicht die Nähe zu der Masse an kreativen jungen Internetmachern, die durch viel Ehrgeiz, Mut und Experimentierfreude das Internet zu dem gemacht hat, was es heute noch einigermaßen ist: Ein großer etwas unregulierter Flohmarkt für die Nerds, der auch unkonventionell hunderttausenden jungen Menschen Arbeitsplätze beschafft hat. Doch genau dieser Flohmarkt wird immer mehr bedroht. Die Berufung Alexander Dobrindt sorgt deshalb zu Recht für einen Aufschrei in der Internetszene.

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