Auf Schnäppchenjagd im Münchner Advent

Ich erinnere mich noch genau: Zu Weihnachten 2012 hatten wir im Münchner Süden einen Temperatur-Rekord von stolzen 21,6 Grad. Richtige Weihnachtsstimmung wollte da kaum aufkeimen. Dennoch mochten auch meine Lebensgefährtin und ich nicht auf einen traditionell geschmückten Baum verzichten. Und so erstanden wir an Heiligabend unseren Christbaum noch kurz vor Ladenschluss. Es war das bei Tengelmann in Planegg als „Unverkäufliches Ausstellungsstück“ gekennzeichnete allerletzte verfügbare Exemplar seiner Gattung: Ein etwa schief gewachsenes und dennoch irgendwie schnuckelig wirkendes lindgrünes Tannenbäumchen im Topf, das für den Heimtransport wunderbar im Fußraum des Beifahrersitzes unseres Smarts Platz fand.

Foto: cc
Die globale Weihnachts-Industrie läuft auch Hochtouren. Hier der berühmte Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller-Center in New York an der Fifth Avenue.

Es ist unglaublich! Auch zum dritten Advent gibt es in den Geschäften jetzt noch immer Adventskränze zu kaufen. Sie sind inzwischen zwar ein klein wenig preisreduziert – aber es gibt sie noch. Offensichtlich setzt man im Einzelhandel gezielt auf den Last-Minute-Käufer. Das ist klug. Denn im Vorjahr durfte ich auch mich zu der Spezies dieser Sonderlinge wähnen.

Es war ein echtes Schnäppchen: Wir zahlten für das Christbäumchen damals gerade einmal fünf Euronen. Hätten wir noch drei Tage gewartet, bis die Geschäfte wieder aufmachen, dann hätte man uns für dessen Entsorgung gewiss noch etwas draufgezahlt. In Schweden beispielweise – das weiß man bekanntlich aus den TV-Spots des Möbelhauses Ikea – bekommt man die Christbäume nach Weihnachten ja regelrecht nachgeschmissen…

Wie aber verhält es sich mit der weihnachtlichen Preisentwicklung bei Waren, die nicht schon von vorneherein mit einem saisonal geschuldeten Verfallsdatum gestempelt sind? Und so begab ich mich am vergangenen Adventssamstag schnurstracksl in den ungestümen Trubel des allgemeinen vorweihnachtlichen Kaufrausches der Münchner Shoppingmeile rund um Stachus und Marienplatz– in der Hand.eine Liste sorgsam ausgewählter Produkte.

Shopping im Advent – Ein Erlebnis!

Vor dem Eingang zum Karstadt bereits fleht mich mit bettelndem Blick eine junge Frau um eine mildtätige Spende an. Sie habe Hunger steht auf Ihrem Pappschild. Ich aber habe strikt die Spielwarenabteilung des Konsumtempels im Visier. Wenngleich gar auch in München Menschen zu Weihnachten Hunger haben, so gilt es heute doch für mich die Preisstabilität solcher für die weihnachtliche Kinderseele so lebenswichtiger Dinge wie die „Sprechende Katze“ (Nici) oder den 80 Centimeter großen Teddybär „Fynn“ (Steiff) zu ermitteln.

Die „Sprechende Katze“ ist nicht zu überhören, und auch Baby Anabelle, der zweite Artikel auf meiner Liste ist rasch gefunden. Es ist voll in der Spielwarenabteilung. Bei Märklin aber stehen sich die Verkäufer die Beine in den Bauch. Modelleisenbahnen fahren offenbar nur noch bei alternden Nostalgikern hoch im Kurs. Anders hingegen geht es gleich nebenan bei den Stofftieren zu.. Teddybären sind noch immer ein Klassiker. Teddy „Fynn“ ist beim Karstadt für 124 Euro zu haben. Später, beim Obletter am Stachus lächelt er zum gleichen Preis kleinen und großen Kunden gar schon direkt aus Schaufenster entgegen.

Bei den Uhren wird es mühsamer. Die Preise für die „Pink Berry LR123“ und die kaum minder kitschige „GP 139 Shine Collection Pink“ von Swatch kann mir immerhin eine freundliche Verkäuferin aus dem Katalog heraussuchen. Sie ist ein wenig enttäuscht, dass ich keine der beiden scheußlich-rosafarbenen Uhren kaufe und tut mir dafür sogar ein wenig leid. Bei den Citizen-Herrernuhren gegenüber in der Galerie Kaufhof aber scheitere ich völlig. Die Modelle auf meiner Liste sind nicht zu finden und auch ein bemühter Kundenberater blättert erfolglos in seinen Katalogen.

Auf dem Weg zwischen Hugendubel und Saturn wird das Geschiebe der Menschenmassen langsam unerträglich. Sowohl in der Fotoabteilung bei Saturn als auch in deren Smartphonabteilung scheint sich an diesem Tage die geballte Kaufwut ganz Münchens zu entladen. Samsungs Galaxy S4 und das Apple iPhone 5S stehen offenbar ganz oben auf den Wunschzetteln der gutverdienenden Münchner Upperclass. Das Gedränge und Gemetzel ist entsetzlich. Hinein in die Schlacht: Offenbar naht Weihnachten das Ende der Welt! Es scheint fast so, als ob es nach dem Fest gewiss nie wieder jemals irgendwo ein Smartphone zu erwerben geben wird.

Bei den Navigationsgeräten im zweiten Stock bei Saturn hingegen herrscht Entspannung. Ich möchte Durchatmen. Doch bei meiner Suche nach den Tagespreisen des „TomTom GO 5000“ und seiner konkurrierenden Produktrivalen von Becker und Garmin werde ich sogleich von einem fachkundigen Produktberater über die enormen Unterschiede in den qualitativen Fähigkeiten der Navis aufgeklärt.

Als ich zur Dokumentation meiner Studie die Geräte dann jedoch lediglich abfotografieren möchte, trittt ein zweiter Kundenberater hinzu und fragt mich nach meinem Presseausweis. Und nun gesellt sich als Dritter gar auch noch der Abteilungsleiter hinzu und erteilt mir schließlich Fotografierverbot. Schade, ich muss meine Studie hier abbrechen! Aber, dass in dieser Abteilung gleich drei Verkaufsberater gemeinsam Zeit haben für einen einzigen Interessenten, ist auch eine wertvolle Erkenntnis: Navigationsgeräte – so erschließt es sich mir aus dieser Szene – genießen auf weihnachtlichen Wunschzetteln heuer wohl eher eine nachrangigere Priorität.

Auf dem Weg zu Conrad Electronics und zum benachbarten Drogeriemarkt Müller nimmt das Gewühl der Menschenmassen immer bedrohlichere Züge an. Zwischen den Buden des Münchner Christkindelmarktes wir es enger und enger, ich komme zuweilen nur in Trippelschritten voran. Selbst Taschendiebe dürften sich wohl schwer tun, für ihr schändliches Treiben noch adäquate Fluchtwege zu finden, so schießt es mir durch den Sinn. Und ich beginne es zu erahnen: Meine Shopping-Liste komplett abzuarbeiten, wird heute zum schier aussichtslosen Unterfangen!

Nach knapp acht Stunden inmitten des kollektiven Kaufrausches gebe ich entnervt auf. Ich war in sieben Geschäften und meine Nase ist inzwischen völlig verstopft. Ich fühle mich elend und krank und habe mir bestimmt sämtliche Grippeviren und Influenzabakterien der gesamten kaufwütigen Bürgerschaft Münchens, der nicht minder betuchten Besucher ihres Umlandes samt aller inmitten darin mit Ihren Fotoapparaten munter umherwuselnden japanischen Touristen angeeignet.

Shopping am zweiten Advents-Samstag in München – kann es etwas Schöneres geben? Gewiss doch! Es kommen schließlich ja noch die Samstage vor dem dritten und vierten Advent…

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