Angela Merkel sieht Vertrauen zu Obama wegen US-Abhörens ihres Telefons stark belastet

Man erwarte deshalb, sagte die deutsche Bundesregierung, dass die Bespitzelung von Freunden, erst Recht des Telefons der deutschen Bundeskanzlerin, umgehend aufhöre. Das Thema der Bespitzelung von Merkel durch US-Geheimdienste schlägt derzeit in den USA aber auch weltweit hohe Wellen. Tausende Artikel rund um den Globus schreiben über den Merkel-Obama-Konflikt. Auf CNN gab es beispielsweise zu einem Onlineartikel unter der Schlagzeile "Angela Merkel: Europe's Mrs. Nein" über 280 Kommentare zum Hackerangriff Obamas auf Merkels Handy. Hunderte anglikanischer Medien berichten jedenfalls umfangreich über die erneuten Spitzelvorwürfe gegen die US-Regierung.

Foto: Official White House Photo von Pete Souza
Obama bald allein zu Haus.... Wer sich so viele Gegner macht, braucht bald keine Freunde mehr.

In einer seltenen diplomatischen Geste der Missbilligung amerikanischer Stasi-Methoden hat sich am Mittwoch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über ihren Sprecher Steffen Seibert zu Wort gemeldet. Darin kritisierte sie den US-Präsident Barack Obama und seine Methoden des Abhörens auch von Freunden massiv. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass höchstwahrscheinlich auch das Telefon ("cell phone") von Merkel im Auftrag der US-Regierung in einem kriminellen Ausmaß durch amerikanische Geheimdienste gehackt worden war ("eavesdropping"). Merkel spricht von einer ernsthaften Belastung des Vertrauensverhältnisses. Auch die Telefone der Präsidenten von Brasilien oder Mexiko hatten die Amerikaner kriminell hacken lassen.

In Google News lauteten beispielsweise die im Minutentakt einlaufenden Headlines der Artikel: "Merkel quizzes Obama on reports US spied on her phone" (SKNVibes.com), "Obama denies NSA spying on Merkel's cell phone" (Greenville News), "Berlin claims US targetted Merkel mobile phone" (Financial Times), "Merkel Complains to Obama Over Phone-Tapping Intelligence" (Businessweek). Ähnlich lauten Schlagzeilen in spanisch-sprechenden Ländern: "Obama asegura a Merkel que Estados Unidos no espía su móvil" (El País.com España) oder "De Estados Unidos: Alemania: EEUU habría espiado teléfono de Merkel" (Univisión) schreiben die Zeitungen. "Merkel liga para Obama depois de descobrir que foi espionada", führt wiederum das "Jornal do Brasil" aus.

Derweil erklärte der Sprecher des Weißen Hauses in Washington D.C., Jay Carney, die USA würden nicht die Kommunikation von Chancellor Angela Merkel, also der deutschen Bundeskanzlerin, abhören. So sagte Obamas Sprecher, die US-Regierung würde "not monitoring and will not monitor the communications". Doch genau das ist der Vorwurf der deutschen Bundesregierung an die US-Regierung.

Für eine wirkliche Entspannung zwischen Merkel und Obama dürfte auch das Telefonat zwischen beiden, welches am Mittwoch geführt worden war, nicht gesorgt haben. Personen, die Angela Merkel kennen, wissen, dass sie zwar äußerst bemüht ist, zum amerikanischen Präsidenten stets ein gutes Verhältnis zu haben, dass sie aber auch sehr nachtragend reagieren kann, wenn ihr Vertrauen missbraucht wird. Das scheint nun der Fall zu sein.

Deshalb dürfte man wohl in der Berliner Regierungszentrale die Worte des Obama-Sprechers Carney vernommen haben, wonach "die Vereinigten Staaten von Amerika die enge Zusammenarbeit mit Deutschland in breiten Themenfeldern sehr zu schätzen wissen, besonders im Hinblick auf Sicherheitsaspekte". Doch genauso dürfte man im Berliner Kanzleramt klar zur Kenntnis genommen haben, dass die US-Regierung nicht leugnet, möglicherweise in der Vergangenheit Merkels Telefonate heimlich belauscht zu haben.

Schon einmal sollen die USA die deutsche Botschaft in Washington verwanzt haben

Allerdings wäre das nicht der erste Fall von amerikanischer Überheblichkeit im Umgang mit Freunden. So gibt es Berichte, wonach die US-Regierung schon einmal die komplette Botschaft Deutschlands in Washington habe verwanzen lassen - so schlimm, dass die Botschaft angeblich kaum mehr als arbeitsfähig eingeschätzt werden hätte können.

Angela Merkels Sprecher Seibert hatte erklärt, wonach diese "die Abhörmethoden, sollten sich die Indizien bestätigten, als komplett unakzeptabel" ansehe. Gleichzeitig forderte Merkel einmal mehr, dass die US-Regierung endlich über das Ausmaß der Stasimethoden der N.S.A. (National Security Agency) einen ausführlichen Bericht vorlegen solle. Doch bis heute sitzen die Amerikaner das aus. Seibert sagte, die deutsche Regierung erwarte, dass die USA endlich "Fragen beantworten, welche die deutsche Regierung schon vor Monaten" bezüglich der NSA-Affäre gestellt habe.

Auch in Frankreich ist man dieser Tage über das Ausmaß der amerikanischen Spitzeleien bis in höchste Regierungskreise sauer. So war kürzlich bekannt geworden, dass die amerikanische Stasibehörde NSA auch 70.3 Millionen französische Telefonate in nur 30 Tagen abgehört habe. Daraufhin bestellte die Regierung Frankreichs den US-Botschafter, den U.S. ambassador, für die Übermittlung einer Protestnote ein.

Gleichzeitig gab die Europäische Union (EU) bekannt, wonach sie den Datenschutz in der EU stärker als bislang ausbauen wolle, auch um Massenbespitzelungen durch die US-Regierung oder mit ihr zwangsverbündeter Unternehmen zu verhindern. So ist es bekannt, dass nahezu alle großen IT-Unternehmen der USA von der US-Regierung gezwungen werden, ihre Kunden auszuspionieren. Dazu gehören Microsoft, Google, Yahoo, Apple, Skype und viele andere.

Frankreich ist geschockt über Stasi-Obama

Bernard Kouchner, bis 2010 französischer Außenminister und Mitbegründer der "Médecins sans Frontières" (MSF, Ärzte ohne Grenzen), sagte im Angesicht der neuerlichen Vorwürfe gegen die USA: "Die schiere Gigantonomie der Abhörmaßnahmen ist, was uns schockt". Dabei räumte er ein: "Lasst uns ehrlich sein. Jeder hört jeden ab. Aber wir haben scheinbar nicht die gleichen Ansichten über das, was sich noch schickt oder nicht. Das macht uns so ärgerlich".

Auch die Beziehungen der USA zu Italien waren schon einmal besser. Denn auch die italienische Regierung ist mittlerweile über das schiere Ausmaß amerikanischer Abhörmethoden in Italien erzürnt. So war bekannt geworden, dass die NSA Millionen italienischer Telefonate, emails oder Text Messages abfängt. Der italienische Premierminister Enrico Letta hatte sich deshalb bei dem amerikanischen Außenminister John Kerry persönlich am Mittwoch beschwert. Kerry hatte dabei gesagt, die US-Regierung bemühe sich eine gute Balance zwischen Sicherheits-Ansprüchen und dem Recht auf Privatheit zu finden. Doch solchen Worten glaubt weltweit im Angesicht hunderter Millionen Spitzelaktionen der Amerikaner niemand mehr.

Derweil ist die US-Regierung mit ihren Geheimdiensten immer stärker dabei, die Beziehungen der USA weltweit zu beschädigen - und zwar nachhaltig. Schon im Sommer hatte Brasiliens Präsident Dilma Rousseff nach Bekanntwerden der Stasimethoden Obamas seine Reise in die USA abgesagt. So hatten sich die Brasilianer massiv darüber geärgert, dass von Spitzenpolitikern bis zu business executives alle möglichen wichtigen Leute in Brasilien durch amerikanische Geheimdienste ausspioniert worden waren.

Die amerikanische Zeitung Boston Herald zitiert beispielsweise David Fleischer, ein Politologe der University of Brasilia, mit den Worten, wonach die brasilianische Regierung gewusst habe, dass die USA seit den Anschlägen an 9/11 ihre geheimdienstlichen Abhöraktionen erhöht habe, man habe aber erst über Edward Snowden erfahren, dass die US-Regierung sogar das Büro der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff habe hacken lassen ("... But what the government did not know was that Dilma's office had been hacked as well...").

Neben Brasiliens Regierung gab auch die mexikanische zu Protokoll, dass sie das Verhalten der US-Geheimdienste als "nicht akzeptabel" ansehe. So war bekannt geworden, dass die USA die emails gleich zweier mexikanischer Präsidenten abgefangen hatten - und zwar von Enrique Pena Nieto sowie Felipe Calderon. Man könnte auch sagen: Die US-Geheimdienste hackten sich auch hier kriminell in die Computer von Regierungschefs. Seitdem fordert auch Mexiko ungehalten eine eingehende Untersuchung der kriminellen Stasimethoden der USA.

Gefällt mir
0