Gruner + Jahr Chefin Julia Jäkel und warum linksliberale Medien verschwinden

Deutschland droht, beflügelt durch die Abschreiberei in Google-News, mit einem immer dichter werdenden Netz konservativer Medienführerschaft demokratischen Schaden zu nehmen. Gefühlt könnten mittlerweile sieben von zehn politischen Meldungen auf den Google-News-Top-Platzierungen aus der konservativen Front sein - besonders aus dem Hause Axel Springer.

Oh je, wo geht es hin?

Der Hamburger Großverlag Gruner + Jahr gehört zu den angesehensten Medienhäusern in Deutschland: Mit Produkten wie Brigitte, Stern, Essen & Trinken und vielen anderen Medien prägten die Hamburger in Jahrzehnten Deutschland - und zwar im guten Sinne: Mal liberal, mal links, häufig kritisch, frech, demokratisch, meist fair, oft intelligent. Bei Journalisten gehört G+J zu den beliebtesten Arbeitgebern. Doch die Einschläge auf den linksliberalen Großverlag nehmen zu, die Wende im Internet gilt als nicht wirklich geglückt und die journalistische Durchschlagskraft geht immer mehr zurück. Dabei gilt die Sorge nicht nur den Umsätzen, sondern dem Input linksliberalen und intellektuellen Inputs durch Medien in die deutsche Gesellschaft.

Die immer stärker bröckelnde Fraktion linksliberaler Journalisten hat dabei eine gehörige Mitschuld, zu wenig linksliberale starke Medien im Internet auch. Geradezu phlegmatisch drücken sich die Intellektuellen und linksliberalen Autoren davor, sich den Herausforderungen des Internets zu stellen, flüchten sich stattdessen lieber in Magazine wie "Landluft & Co".

Bislang galt Gruner+Jahr als ein Bollwerk der linksliberalen Journalistenfront. Viele Medienkenner befürchten, dass, wenn die Wende im Internet bei Gruner + Jahr nicht endlich gelingt, das Dilemma des Verschwindens intellektuellen Anti-Main-Stream-Journalismus immer weiter an Fahrt zunehmen wird. Doch statt das Problem an der Wurzel anzupacken, wird lieber über Nebenkriegsschauplätze diskutiert, wie die gesetzliche Einführung einer Frauenquote.

Doch nicht nur Gruner+Jahr hat am zunehmenden Einheitsbrei journalistischen Schaffens Schuld, sondern auch viele andere Medien, die fast nicht mehr wahrnehmbar sind: Ob taz oder Süddeutsche Zeitung - ja, sie gibt es. Aber ihre intellektuell-demokratische Bedeutung geht von Jahr zu Jahr zurück. Symptomatisch hierfür steht die Dauerkanzlerin Angela Merkel von der CDU. Tritt sie mal ab, wird man sagen: War da was? Ja, da war was: Eine Frau, die die kritische Bürgergesellschaft mit zu Grabe getragen hat durch eine übermäßige Angepasstheit an das Motto - wenn ich nichts sage, kann ich auch nichts falsch machen. Damit macht sie dem kritischen Intellekt den Garaus.

Das Motto von Merkel ist längst zum Motto der einstigen linksliberalen Medien geworden: Wenn ich mich nicht einmische, ecke ich auch nirgends an. Doch eine Demokratie lebt nur davon, dass auch die Mächtigen einmal anecken und zeigen, dass man nicht immer gleicher Meinung sein muss. Dieser Schluss gilt auch für Journalisten: Wer nicht mehr aneckt bei den Mächtigen, ist seines Berufsstandes nicht würdig. Doch die Jobangst treibt viele dazu, in publizistische Deckung zu decken.

Nun möchte die Vorstandsvorsitzende von Gruner und Jahr, Julia Jäkel, gegen die Erosion ihres Großverlages ankämpfen, traditionell linksliberalen Medien wie Stern & Co zu neuer Größe verhelfen. Das sagte sie in einem Interview mit Johannes Ritter und Michael Hanfeld von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Bereits einige hundert Millionen Euro für Investitionen soll die Bertelsmann-Mutter dem Hamburger Verlagshaus genehmigt haben. Noch gehört Gruner+Jahr zu rund 75 Prozent Bertelsmann, zu rund 25 Prozent ist die Familie Jahr beteiligt.

Doch dass das nicht für alle Ewigkeit so sein muss, zeigte Axel Springer mit dem Verkauf der altehrwürdigen Springerblätter Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost an die Funkegruppe in Essen. Einige meinen, damit habe Springer sich das Herz herausgerissen. Das stimmt auch. Gleichzeitig zeigen aber selbst die konservativen Häuser: Nichts Traditionelles ist mehr heilig beim Überlebenskampf im digitalen Zeitalter. Google, Bing, Apple, Samsung, Facebook, Twitter & Co ist alles.

Sicher ist sich Jäkel, dass man mit Zeitschriften auch künftig gutes Geld verdienen könne. So sagte sie im FAZ-Interview: "Wir betreiben ein Inhalte-Geschäft und sind fest davon überzeugt, dass wir damit langfristig sehr gutes Geld verdienen können. Deshalb geben wir jetzt Gas. Wir betreiben ein hochprofitables Magazingeschäft mit Klassikern wie 'Stern', 'Geo', 'Brigitte', 'Capital' und so wunderbaren Erfindungen wie 'Elf Freunde', 'Beef' und 'Neo'. Wir sind da stark, wo das Geld ist, im Gedruckten und im Digitalen."

Doch bislang scheint Gruner+Jahr zumindest journalistisch vor allem mit belanglosen Einheitstexten von STERN.de im Internet präsent - in ihrer populistischen Ausrichtung nicht selten sogar bild.de hinter sich lassend. Wie Gruner + Jahr deshalb ein "führender Publisher von E-Magazinen und Apps in Europa" werden möchte, ist unklar. Denn ohne intellektuellen Input wird es das nicht geben.

Immerhin erkennt Jäkel, dass Beteiligungen, beispielsweise an Online-Händlern, das redaktionelle Content-Geschäft beflügeln können. Doch weder im Reisesegment, noch im Shopgeschäft oder Finanzgeschäft scheint G+J bislang sonderlich stark zu sein. Dabei haben etablierten eCommerce-Häuser ein Knowhow im Laufe der Jahre sich angelegt, das den traditionellen Medienhäusern häufig schlicht fehlt. Mit Geld alleine ist dieses Defizit nicht wett zu machen. Doch für viele etablierte Medienhäuser ist das Ausruhen auf dem einst Erreichten nach wie vor wichtiger, als die Schlagkraft auf dem Feld. Wie eng die Umsatzrendite im Printgeschäft mittlerweile ist, räumt Julia Jäkel selber ein: 8,6 Prozent.

Es ist das Drama der linksliberalen Medien, dass die Moderne zu zögerlich angepackt wird, während ausgerechnet die häufig einseitiger berichtenden konservativen Medien mittlerweile das Internet stark dominieren und damit die einstige Meinungsführerschaft der intellektuellen Linksliberalen flächendeckend und nachhaltig in der Öffentlichkeit immer weiter zu entgleiten droht. Doch gerade sie sind es, die die Demokratie beleben und immer wieder neu erfinden. Wenn sie nicht mehr da sind, geht die Demokratie zu Grunde.

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