Kommentar netz-trends.de zu Tamedia Sparplänen

Dass auch Tamedia unter sinkenden Werbeumsätzen und sinkenden Vertriebserlösen leidet, ist bekannt. Immerhin verlor das erfolgsverwöhnte Medienhaus 2012 zu 2011 fast 12 Prozent Umsatz im Bereich Print Regional. Dass die Chefebene und die Aktionäre bei Tamedia da etwas nervös werden, ist verständlich. Dass man sich für die Zukunft rüsten möchte und aus der Position der Stärke heraus agieren möchte, auch.

Dennoch ist es von der Tamedia-Führung taktisch und diplomatisch äußerst unklug, mit einer solch vermittelten Kaltschnäuzigkeit, welche derzeit an den Tag gelegt wird, in einem demokratischen System wie dem der Schweiz, zu agieren. Besonders die Schweizer Gesellschaft ermöglicht und gewährt der Wirtschaft erhebliche Entfaltungsmöglichkeiten – und damit auch der Anhäufung von privatem Vermögen und privatem Reichtum. Doch Reichtum ist und darf keine gesellschaftliche Einbahnstraße sein. Ein Unternehmen ist – und da hat die Tamedia-Belegschaft Recht – kein privater Goldesel jener glücklichen Menschen, die Eigentümer sind (häufig auch durch Erbe). Ein Unternehmen muss auch im Kapitalismus eine umfangreiche gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Derzeit besteht zu Recht der Eindruck, dass Tamedia im Zuge einer sich andeutenden Krise in einem umfänglichen Ausmaß sich jenseits der Spielregeln in der Schweiz stellt, in dem das Gemeinwohl über dem Wohl einzelner steht. Ein Unternehmen zu sichern ist die eine Seite, mit Brachialgewalt eine über Jahrzehnte gewachsene Sozialstruktur zu beschädigen, ist die andere. Sparrunden sind richtig und wichtig in Unternehmen, die unter rückläufigen Umsätzen und Gewinnen leiden.

Das mindeste was aber die Gesellschaft und die Belegschaft erwarten dürfen, ist, dass mit Augenmaß und Rücksicht sozialverträglich agiert wird. Tamedia sollte hier recht deutliche Zeichen setzen, dass es das tut. Wenn der Medienkonzern hier nicht einlenkt, sollten die Verbraucher "künftig stärker denn je darauf achten, mit welchen Medien man eigentlich welche gesellschaftspolitische Richtung unterstützt", so ein Tamedia-Journalist zu netz-trends.de.

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