Facebook will Daten von anonymen Tor-Nutzern zentralisieren: Angeblich zum Schutz vor Hackern

Zu Tor-Browsern muss man wissen: Internet-Freaks, die die Stasi-Aktionen von Behörden wie der amerikanischen NSA & Co satt haben, reagieren immer öfters ihrerseits mit Maßnahmen der digitalen Gegenwehr. Neben der Nutzung von verschlüsselten Handy-Messengern wie dem deutschen Anbieter Chiffry oder der verschlüsselten Versendung von E-Mails über gmx.de, web.de oder T-Online (statt über US-Anbieter wie gmail oder hotmail), gibt es auch sogenannte Tor-Netzwerke:

Der weltgrößte Social Media-Anbieter, das amerikanische Facebook, versucht Nutzer des anonymen Tor-Netzwerkes davon zu überzeugen, sich doch bitte künftig geordnet über einen zentralen neuen extra für Tor-Nutzer eingerichteten Zugang anzumelden. Doch es bleiben Zweifel am Sinn und Unsinn dieser Facebook-Aktion:

Unter einem Tor-Netzwerk versteht man die Möglichkeit, sich mit seinem Browser anonym im Internet zu bewegen und wie bei einer Schnitzeljagt ständig falsche Fährten für die staatlichen Schnüffeldienste oder private Webseiten-Betreiber und Marktforscher zu legen. Das funktioniert primär dergestalt, dass mit falschen IP-Adressen aus anderen Ländern agiert wird. Das heißt: Nutzt jemand einen Browser über das Tor-Netzwerk beispielsweise aus Berlin, kann dem Webseiten-Betreiber, den dieser Nutzer aufsucht, vorgegaukelt werden, man komme aus dem Internet-Knotenpunkt USA. Außerdem unterbinden Tor-Netzwerke das Sammeln von Daten recht radikal.

Jedenfalls richtete nun der US-Dienst Facebook für Nutzer, welche über einen Tor-Browser kommen, offiziell das Facebook-Angebot "Hidden Services", versteckte Dienste ein. Nutzer über Tor-Netzwerke sollen sich über https://facebookcorewwwi.onion/ anmelden. Wer sich dort anmeldet, würde bei Facebook über die Endung .onion in das amerikanische soziale Netzwerk eintreten.

Zwiebel-Router ermöglicht recht anonymes Surfen im Internet

Die Endung .onion steht für "The Onion Router" (Zwiebel-Router). Unter einem Zwiebelrouter versteht man die mehrfache Verschlüsselung von gesendeten und empfangen Daten, wobei weltweit unterschiedlichste Computer-Knotenpunkte genutzt werden und Daten so mehrfach nicht mehr nachvollziehbar umgeleitet werden.

Vor allem in Ländern mit starker staatlicher Internet-Zensur sind Tor-Browser sehr beliebt. Dazu dürften neben China auch Länder wie der Iran gehören, aber auch Dubai oder Russland, wo homosexuell orientierten Menschen Strafverfahren drohen. Doch auch im Westen, beispielsweise in Deutschland oder den USA, gehen immer mehr Menschen über Tor-Browser ins Netz, um sich der totalen radikalen und oft auch illegalen Schnüffelei durch staatliche Stellen einigermaßen zu entziehen.

So ist beispielsweise Dank Edward Snowden bekannt, dass der britische Geheimdienst sich automatisch selbst in über 1 Millionen Webcam-Sessions eingeschaltet hat, um dort parallel zu schauen, was die Menschen vor der Webcam treiben: Ob sie reden, onanieren, die nackten Brüste zeigen oder sonstige Dinge machen.

Der britische Regierungschef David Cameron verteidigte diese perverse staatliche Schnüffelei damit, man wolle die Bürger vor Terrorangriffen schützen. Ähnliche Worte, die in diese Richtung deuteten, äußerte der deutsche Innenminister Thomas de Mazier (CDU).

200.000 Menschen nutzen Tor-Netzwerk in Deutschland

In Zensur-Ländern sind Tor-Netzwerke zumindest insofern hilfreich, dass Kontaktdienste wie Facebook oder der deutsche Dienst gayromeo.com (Kontakt-Webseite für Homosexuelle) aufgerufen werden können auch für den Fall, dass diese sozialen Netzwerke dort blockiert sind. Tor selbst teilte mit, dass weltweit bereits rund 2 Millionen Menschen über das Tor-Netzwerk sich im Internet fortbewegen würden, wovon rund 200.000 Menschen aus Deutschland kämen.

Schon heute agiert Facebook etwas seltsam im Umgang mit Menschen, die reisen und sich deshalb mit unterschiedlichen IP-Nummern aus unterschiedlichen Ländern bei Facebook anmelden, also ein natürliches Verhalten an den Tag legen, das Tor-Netzwerke vorgaukeln.

So kann es passieren, dass ein deutscher Urlauber, der sich auf Kuba befindet, plötzlich mit der Nachricht konfrontiert wird, Facebook befürchte, das Profil sei gehackt worden, weshalb man Nutzer nun auffordern müsse, eine Sicherheitsfrage zu beantworten oder sich Fotos mit Menschen anzuschauen, welche man kenne. Dabei werden zu den Fotos von Facebook mehrere Namen eingespielt, welche man durch Anklicken den eingeblendeten Fotos zuordnen muss.

Interessant an der ganzen Geschichte ist, dass Facebook bereits sehr umfangreich und sehr tiefgreifend Gesichtserkennungssoftware anwendet, mittels derer Fotos identifiziert werden können. Das ist die Vorstufe zur totalen Kontroll-Diktatur eines Staates, die irgendwann sicherlich wieder einmal mit der Behauptung, man wolle die eigenen Bürger vor dem Terror schützen, Anwendung findet. Ganz vorne weg dürften die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Großbritannien sein. Also jene fünf Länder, die sich in einer seltsamen ausschließlich anglikanischen Spionage-Allianz zusammengeschlossen haben.

Gesichtserkennungssoftware von Anbietern wie Facebook macht totale staatliche Kontrolle möglich

Mit einer weiter perfektionierten Gesichtserkennungssoftware und mit Hilfe von eigener forcierter oder durch Freunde forcierter Personen-Zuordnung in Diensten wie Facebook, dürfte es in nicht mehr allzu weiter Ferne möglich sein, jeden beliebigen Menschen weltweit über simple Straßenkameras oder Kameras in Einkaufszentren oder sonstigen öffentlichen oder privaten Einrichtungen zu erkennen.

Dabei spielt es irgendwann keine Rolle mehr, ob der Mensch von oben zu sehen ist, von hinten, von der Seite, im Schatten, im grellen Sonnenlicht, mit oder ohne Mütze, gebückt oder grabbelnd.

Facebook argumentiert, wonach jener Effekt, den immer öfters Urlauber in anderen Ländern erleben, nämlich dass Facebook beim Anmelden plötzlich behauptet, man befürchte das Profil sei gehackt worden und deshalb müsse das Facebook-Profil erst einmal durch Sicherheitsfragen neu geöffnet werden, auch bei Tor-Nutzern Anwendung finde. Deshalb nun der neue Zugang auch für Tor-Nutzer.

Kommentar: Facebook und Tor-Netzwerk - was soll der Unsinn?

Der US-Dienst Facebook muss sich bezüglich des neuen Zugangs über ein Tor-Netzwerk mehrere kritische Fragen stellen lassen: Wer soll eigentlich geschützt werden? Im Prinzip ist es doch auch für Facebook völlig egal, ob ein Nutzer sich heute von den USA, morgen von China und übermorgen von Bulgarien anmeldet. Würde Facebook die Passwort-Abfrage endlich sicherer machen - durch die Vorgabe, mindestens 8 Zeichen zu nutzen, die durchmischt sein müssen mit Ziffern und Buchstaben und auch mit Groß- und Kleinschreibung -, würden Facebook-Konten sowieso seltener gehackt werden.

Hinzu kommt: Auch Tor-Nutzer agieren im Internet nicht komplett anonym, gerade wenn ein Nutzer sich mit Anmeldedaten auf Seiten wie Facebook, StudiVZ oder Lokalisten.de anmeldet: Jedes Mal würde ja der Webseiten-Betreiber merken: ups, der Nutzer ist heute (Dank Tor angeblich) in Schweden, morgen (angeblich) in der Türkei und übermorgen (angeblich) in den USA.

Insofern erklärte auch Tor-Mann Runa Sandvik: "Der Hidden Service ist ein sehr großer Vorteil für Nutzer, welche Privatsphäre und Sicherheit wollen, nicht aber unbedingt überall Anonymität suchen".

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