Einkauf Aktuell: Deutsche Post lässt Zeitungen seit Jahren ausbluten

Genau das ärgert den 18-jährigen: Warum müssen Millionen Werbeprospekte jeden Samstag auch noch in Plastik eingehüllt sein, fragt er und löste damit nun einen Proteststurm gegen die Deutsche Post AG aus. 20 Millionen Haushalte, gibt die Deutsche Post in Gesprächen mit Werbekunden gerne an, beliefere sie mittlerweile mit Einkauf Aktuell in Deutschland. Verschont bleibt nur, wer ausdrücklich auf seinen Briefkasten schreibt: Bitte kein Einkauf Aktuell. Was viele nicht wissen:

Foto: dpag
Will noch höher hinaus: Die Deutsche Post AG.

Kommentar - Derzeit macht ein 18-jähriger Schlagzeilen. Er brüskiert sich darüber, dass die Deutsche Post AG (DPAG) die Briefkästen von Millionen Haushalten unerwünscht mit Einkauf Aktuell zumüllen lässt. Bei Einkauf Aktuell handelt es sich um eine Werbepostille der Post bestehend aus einem TV-Programmheftchen, das als Werbeträger für Werbeprospekte genutzt wird. Eingehüllt ist das Papier-Konvolut in eine Plastikfolie.

Die Deutsche Post AG nutzt seit über zehn Jahren ihr staatlich seit Jahrzehnten zementiertes und gefördertes Monopol (zum Beispiel steuerlich), um die Tageszeitungen und regionalen kostenlosen Wochenzeitungen ("Anzeigenblätter", beziehungsweise "Anzeigenzeitungen") im Werbemarkt in die Defensive zu bringen und diese ausbluten zu lassen. Denn faktisch kann kein Zeitungsverlag der Billig-Vertriebsoffensive der Deutschen Post AG etwas entgegensetzen.

Die Deutsche Post AG hat mit Hilfe des Staates ihr Post-Vertriebsmonopol stets sehr gut verteidigen und ausbauen können. Was viele Verleger und Direktvertriebler ärgert: Während normale Unternehmen die üblichen Steuersätze bezahlen müssen, kommt die Post immer noch in erhebliche steuerliche Vergünstigungen.

Das bedeutet: Während die Zeitungs-Verlage teuer den Direktvertrieb von Zeitungen und Werbeprospekten gewährleisten müssen, kann die Post im Wettbewerb wesentlich günstiger auftreten. Denn ihre Zusteller sind vor allem für das Austragen von Briefen und Päkchen staatlich gefördert worden, nicht aber, um Zeitungen in die Knie zu zwingen. Doch genau das geschieht nun seit Jahren. Alle wissen es, keiner tut etwas: Politiker nicht, Gerichte nicht, das Bundeskartellamt nicht.

Bereits vor Jahren hatten dagegen der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sowie der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) geklagt - auch vor dem Bundeskartellamt. Aber immer wieder hatte es die Deutsche Post geschafft, sich in den Verfahren so darzustellen, als könne sie keine Wettbewerbsverzerrung feststellen.

Doch Fakt ist: Das Geld, das die Post mittlerweile mit Einkauf Aktuell umsetzt - nach Schätzungen jährlich weit über 100 Millionen Euro - fehlt den Zeitungen, die kaum mehr ihre Redaktionen oder kaufmännischen Abteilungen, geschweige denn ihren Vertrieb finanzieren können. Hinzu kommt die wahnwitzige neue Regelung der deutschen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD, dass selbst Zeitungszusteller nun 8,50 Euro die Stunde erhalten sollen.

Alleine das bedeutet für einen durchschnittlichen Tageszeitungsverlag rund 4 Millionen Euro netto an Mehrkosten - jährlich. Geld, das eigentlich längst nicht mehr da ist. Summiert man diese Summe auf alle gut 120 deutschen Tageszeitungen hoch, bedeutet das: Der Mindestlohn für Zeitungsausträger kostet die sowieso schon krisengeschüttelten Tageszeitungen und Wochenblätter um die 400 bis 500 Millionen Euro netto jährlich mehr.

Dabei sind die Zeiten lange vorbei, wo ein Zeitungsdruck dem Gelddrucken gleich kam. Jährlich müssen im Schnitt fünf Prozent der Stellen in Redaktionen und Verlagen abgebaut werden. Das Ende der Fahnenstange dürfte in spätestens 20 Jahren erreicht werden – das sagt die pure Statistik.

Denn immer mehr Werbespendings, die für die Refinanzierung von Redaktionen dringend benötigt werden, wandern nicht nur zu Einkauf Aktuell (Werbeprospekte gehörten für die Zeitungen einst zum wichtigsten profitablen Rückgrat), sondern obendrein zu Google ab.

Nach Schätzungen konzentrieren sich mittlerweile weltweit rund 30% der Werbeausgaben auf Google. Besonders die Google Anzeigensysteme Google AdWords und Google Adsense sind die großen Profiteure des weltweiten Paradigmawechsels im Konsumieren von Nachrichten und Unterhaltung via Internet.

Damit ist Google zum auch historisch gesehen weltgrößten Werbe-Konglomerat aller Zeiten geworden. Google druckt heute Geld. Der Umsatz liegt bereits jetzt knapp bei 70 Milliarden US-Dollar, der Gewinn liegt jährlich über 13 Milliarden Dollar. Nimmt man Googles Handy-Betriebsstem Android hinzu, so lässt sich ebenfalls sagen: Rund eine Milliarde Menschen hat Google täglich direkt auch via Handy im Zugriff. Kürzlich erklärte der Konzern, er wolle diese Anzahl auf 2 Milliarden Menschen steigern:

2 Milliarden Menschen, die für Google gläsern sind. Denn 2 Milliarden Menschen sind gezwungen, über ein Google E-Mail Fach (Gmail) Apps herunterzuladen und sonstige Handydienste zu nutzen. So viel Macht gibt es auf der Welt wenig, wie sie nun Google aufbaut.

Je mehr Geld Google verdient, desto weniger Geld haben die deutschen, österreichischen oder Schweizer Tageszeitungs-Verleger, aber auch Verleger der kostenlosen regionalen Tageszeitungen.

Einkauf Aktuell verschärft die Krise in einem Ausmaß, das auch unter demokratischen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar ist. Es kann und darf nicht sein, dass Zeitungen mit Hilfe der Deutschen Post AG und der deutschen Bundesregierung unter Führung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Grab geschaufelt werden.

Einkauf Aktuell weitet von Jahr zu Jahr den Vertrieb aus. Neuerdings ist auch Niederbayern dran, auch Ostdeutschland ist dazu gekommen. Dabei unterbieten sich die Zeitungen schon heute auf Grund des harten Wettbewerbs gerade in Ostdeutschland mit Dumpingpreisen, geht es darum, noch die eine oder andere Anzeige, den einen oder anderen Werbeprospekt im Markt abzufischen.

Einkauf Aktuell: Für viele bedeutet das vor allem viel lästigen Müll. Doch für die Zeitungen bedeutet es: eine staatlich subventioniertes Werbepostille, die die Krise der Zeitungen weiter beschleunigt hat. Sowohl unter demokratischen wie unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten ist das letztlich ein Skandal:

Die Plastikverpackung von Einkauf Aktuell hat sich die Post hingegen schon vor Jahren als angeblich umweltfreundlich bestätigen lassen. Angeblich, behauptet die Post, würden beim Recycling Papier und Folie ordentlich getrennt. Doch wer einmal in die Mülleimer schaut, der sieht nur eins: jeden Samstag haufenweise Einkauf Aktuell in der Folie mitten im Mülleimer. Von ordentlicher Trennung dürfte bei der Mehrzahl der Haushalte wohl eher nicht die Rede sein. 20 Millionen Mal Einkauf Aktuell:

Das bedeutet Tonnen an Müll. Bei Anzeigenzeitungen geht man davon aus, dass rund 50% ungelesen in den Papiertonnen landen und 50% werden gelesen. Bei Einkauf Aktuell dürfte diese Quote eher noch niedriger sein - egal, welche Statistiken die Post hervorzaubert. Doch selbst mit Goodwill wären das immer noch 10 Millionen Mal Plastikmüll und Papiermüll für die Tonne.

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