Wem gehört der weltberühmte Happy Birthday-Song? Die Strophen "Happy birthday to you, happy birthday to you" kennt fast die ganze Welt. Viele empfinden den Song als Kulturgut. Doch weit gefehlt. Offiziell behauptet seit Jahren Warner/Chappell Music, Inc. (in Deutschland vertreten durch WARNER CHAPPELL MUSIC GMBH & CO. KG), sie wären die Rechteinhaber an dem Song. Entsprechend könnte diese Firma jährlich nach Schätzungen aus den USA rund 2 Mio. US-Dollar an Tantiemen aus den Copyright-Rechten kassieren. Doch das möchte nun eine New Yorker Filmemacherin beenden. Sie klagt vor Gericht dagegen, dass weiterhin Geld für die Aufführung von "Happy Birthday" an die internationalen Musik-Verwertungsgesellschaften bezahlt werden muss. In Deutschland nimmt diese Rechte die GEMA wahr.
Vor Gericht argumentieren die Rechtsanwälte der New Yorker Filmemacherin, wonach die Rechtslage an "Happy Birthday" bei weitem nicht so klar sei, wie von Warner/Chappell gerne getan wird. Die Ursprünge des Songs gehen mindestens auf die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, liegen möglicherweise aber noch tiefer.
Wenn die Schätzungen, die in den USA kursieren, stimmen, wonach "Happy Birthday to you" jedes Jahr für Warner/Chappell 2 Mio. US-Dollar abwerfen könnte, so würde das bedeuten: In den vergangenen Jahrzehnten dürften hier weit über 100 Mio. US-Dollar an Einnahmen mit "Happy Birthday" erzielt worden sein, schätzt Netz-Trends.de in einer Berechnung. Allerdings teilte die GEMA netz-trends.de mit, wonach "Über die Tantiemen für das Werk 'Happy Birthday'" man "aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilen" könne. Es handele sich um personenbezogene Daten, "die wir laut Gesetz nicht herausgeben dürfen".
Doch nun muss erst einmal das Gericht in New York, der federal court, klären, ob überhaupt jemals ein Copyright auf "Happy Birthday to you" bestanden hat und falls ja, ob dieses noch aktiv ist oder längst ausgelaufen ist. In Deutschland verfallen nach 70 Jahren die Urheberrechte an einem Werk. Dann ist die Nutzung also kostenfrei.
Entscheidend für den Gerichtsausgang wird sein, inwiefern "Happy Birthday to you" als eigenständiges Werk betrachtet wird oder nicht doch als die Zuspitzung vorheriger künstlerischer Einlassungen, die sich im Laufe der Jahrzehnte schlicht verändert haben, aber keinen namentlich dingbaren "Urheber" haben.
Eine solche künstlerische Vergangenheit haben beispielsweise viele deutsche Märchen. So ist zwar in Europa das deutsche Märchen vom "Rotkäppchen und dem Wolf" als eines von Grimms Märchen bekannt. Doch die deutschen Gebrüder Grimm haben das Märchen nicht wirklich selbst erschaffen. Vielmehr gibt es unzählige ähnliche Märchen-Varianten, die sich im Laufe von rund 1.000 Jahren vor allem im deutschsprachigen Raum immer wieder verändert haben. Das gipfelt darin, dass in den ältesten Märchen-Versionen letztlich wohl eine Vergewaltigung geschildert wurde. Je prüder aber die Gesellschaft wurde, desto märchenhafter wurde die Erzählung dieses eigentlich schrecklichen Ereignisses.
Eine mehrmalige künstlerische Wandlung hatte möglicherweise eben auch "Happy Birthday to you" im Laufe der Zeit. So gibt es Berichte, wonach zwei Schwestern im Jahr 1893 einen Song öffentlich gemacht hätten, der fast genauso gelautet habe, wie "Happy Birthday". Nur hatte man damals wohl gesungen - aber fast im gleichen Reim - "Good Morning to You".
In den folgenden Jahrzehnten, bis in die 1920er und 1930er Jahre hinein, könnte sich genau dieser Song dann verändert haben in "Happy Birthday to You". So ist auch erklärlich, warum es mehrere publizierte sogenannte copyrighted songbooks gibt. Das sind Werke, die einen Anspruch auf Urheberrechte erheben und folglich Anspruch auf jährliche Zahlungen der internationalen Musik- oder Wort-Verwertungsgesellschaften geltend machen.
Bis heute gelte es als nicht klar, wer den Song "Happy Birthday to you" künstlerisch ursprünglich komponiert oder getextet habe. So argumentiert zumindest derzeit vor Gericht der Rechtsanwalt Mark Rifkin von der Rechtsanwaltskanzlei "Wolf Haldenstein Adler Freeman & Herz LLP" aus New York im Auftrag der klagenden New Yorker Filmemacherin.
Wie unklar die Schöpfungsgeschichte von "Happy Birthday to you" ist, führte der Anwalt vor Gericht aus. So seien der Text, die Lyrics des Songs, erstmals im Jahr 1911 vom Board of Sunday Schools der "Methodist Episcopal Church" publiziert worden, sagte er. Das sei aber lange bevor es copyright-Versionen des Songs oder Textes gegeben habe.
Bislang gilt auch in Deutschland immer noch: Wer den Song "Happy Birthday to you" in einem Restaurant, auf einer Schulfeier oder einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung anstimmt, müsste an die Rechteinhaber Geld bezahlen. In Deutschland würde dies als künstlerischer Statthalter die GEMA, also die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, administrativ vollziehen. Sie bietet unter https://www.gema.de/nc/zbv/neuregistrierung online eine Registrierung an, für jene, die ein Lied oder eine sonstige Komposition öffentlich aufführen möchten.
Dass sich dieses Geschäft auch im Zeitalter des Digital Business lohnt, zeigt ihr jährlicher Jahresbericht. So schreibt sie im Gema Jahrbuch 2012/2013 (S. 44), wonach sie alleine im Jahr 2011 insgesamt 841 Mio. Euro vor allem aus Aufführungs-, Vorführungs-,Sende- und Wiedergaberechte mit Kompositionen eingenommen habe. Davon entfielen rund 262 Mio. Euro auf die Rundfunksender und 22,3 Mio. auf Online-Medien.
Dabei gilt: Der Online-Bereich gehört zu den am stärksten wachsenden Einnahmequellen für die Gema. Noch im Jahr 2009 verfügte sie hier lediglich über 11,4 Mio. Euro Einnahmen. Insgesamt vertritt die Gema derzeit die Rechte von rund 65.000 Komponisten, Textdichtern, Verlegern oder Rechtsnachfolgern verstorbener Künstler und treibt für diese die Gelder ein.
Die wichtigsten Rechtsgrundlage für die Ausschüttungen (Vergütungsansprüche) an die Künstler ist in Deutschland das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz –UrhG–) vom 9. September 1965 (Bürgerliches Gesetzbuch I S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 53 des Gesetzes vom 22. 12. 2011, BGBl.I S. 3044). Besonders wichtig sind im UrhG die Paragraphen § 54 UrhG, § 27 UrhG sowie § 52a UrhG.
Für Musikaufführungen bezahlen müssen in besonderem Maße die folgenden Gruppen: Rundfunk und Fernsehen, Sende- und Kabelweitersender, Vervielfältiger, Inkassomandate, Kabelweiterleiter, Werbefenster (z.B. 2,98 Mio. Euro im Jahr 2011), der Tonfilm, Onlinemedien, Bild- und die Tonträger-Industrie.
Dafür dass die Musikindustrie gerne über angeblich umfangreiche Rückgänge der Einnahmen klagt, kassiert die Gema nach wie vor erklecklich ab. Lagen die Einnahmen im Jahr 2002 noch bei 813 Mio. Euro, waren es gut zehn Jahre später, 2011, immerhin noch 826 Mio. Euro. Entsprechend stiegen auch die Ausschüttungen an die Künstler - von 694 Mio. Euro im Jahr 2002 auf 702 Mio. Euro im Jahr 2011.
Trotz der nach wie vor hohen Musik-Einnahmen schreibt die Gema: "Der Wandel im privaten Musikkonsum hat sich auch im Jahr 2011 unverändert fortgesetzt. Die Anzahl der verkauften Tonträger ist weltweit weiterhin stark rückläufig, wobei sich der Rückgang im deutschen Markt noch verhältnismäßig moderat darstellt. Das Online-Geschäft konnte trotz des deutlichen Wachstums diese Rückgänge nicht kompensieren. File-Sharing, kostenloses Online-Streaming und der Wettbewerb aus anderen Medien sind im Wesentlichen Gründe für die oben beschriebene Entwicklung des Tonträgermarktes."
Wie weitreichend die Gema dennoch mittlerweile Geld für Künstler eintreibt, zeigt sich an einem Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2011. So schreibt die Gema, wonach der BGH mit seinen Urteilen vom 27. Oktober 2011 entschieden habe, wonach die GEMA beispielsweise berechtigt sei, "die Vergütung bei Straßenfesten und ähnlichen Veranstaltungen ohne Eintrittsgeldern nach der Größe der gesamten Veranstaltungsfläche zu bestimmen".
Weiter entschied der Bundesgerichtshof wonach die GEMA in der Berechnung der Kunst-Vergütungspauschale auch berücksichtigen dürfe, wonach es beispielsweise auf Weihnachtsmärkten oder sonstigen Straßenfesten üblich sei, dass das Publikum "ständig wechselt und damit insgesamt wesentlich mehr Zuhörer die Musik wahrnehmen", als dieses für Musikaufführungen auf einer beschallten Fläche der Fall sei. Denn hier gebe es eher Standpublikum und damit weniger Zuhörer oder Zuseher.