Wirbel um Studie Anzahl Arztbesuche in Deutschland - Diskussionen um angebliche Rückgänge

Wie oft gehen die Deutschen zum Arzt? Diese Frage zu klären, ist genauso schwierig, wie die Aussage zu belegen oder zu widerlegen, ob tatsächlich - wie Renate Künast es einmal als Bundesverbraucherministerin behauptet hatte - jedes dritte Kind fettleibig sei. So wundert nicht, nachdem am Freitag bekannt geworden ist, wonach angeblich die Deutschen so selten zum Arzt gehen würden wie zuletzt im Jahr 1995, dass sich nun Fachleute verwundert die Augen reiben und eine hitzige Debatte geführt wird. Dabei hätte alleine schon ein Blick auf die Alterspyramide von Deutschland recht simpel klar machen können, dass von einem wirklich signifikanten Rückgang an Arztbesuchen wohl eher nicht gesprochen werden kann. Denn Ältere gehen auch öfters zum Arzt. Je mehr Alte desto mehr Arztbesuche. Dennoch lohnt es sich, der Frage nachzugehen, wie kommt die aktuelle Studie zu dem Ergebnis, wonach die Deutschen angeblich immer seltener zum Arzt gingen?

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Deutschland wird immer älter. Hier eine 101 Jahre alte Frau aus Maxdorf, geboren 1911. Kaum vorstellbar, dass die Anzahl der Arztbesuche da sinken soll. Wirbel um eine neue Studie.

Ausgangspunkt ist eine Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das am Freitag den 12. April 2013 sein Sozioökonomisches Panel (SOEP) vorgelegt hat. Hier ist nun zu lesen, wonach die Deutschen im Schnitt nur noch rund zehnmal im Jahr durchschnittlich einen Arzt aufsuchten, während es 1995 noch 13 Arztbesuche gewesen seien.

Als einer der Gründe wird genannt, wonach immer mehr Medikamente von den Bürgern in Deutschland selbst bezahlt werden müssten. Die Schwachstelle von Panel-Studien ist bekannt: Es wird eine zwar wissenschaftlich signifikante Anzahl an Probanden (im Falle des Sozioökonomisches Panels waren es aktuell 20.000 Befragte) genommen, aus deren Verbraucherverhalten dann eine Ableitung erfolgt auf das wahrscheinliche Verhalten in der Gesamtbevölkerung.

Grundsätzlich ist das auch zulässig. Nur: Wenn es sich um solch mathematisch geringen Abweichungen handelt, wie in der Frage, ob die Verbraucher Deutschlands nun 10 mal jährlich zum Arzt gehen oder 12 mal, kann es eben doch zu Fehlschlüssen kommen. Vor allem dann, wenn die einen Zahlen die zur Diskussion hinzugezogen werden, auf einer Panelstudie beruhen (wie im Falle des "Sozioökonomisches Panel (SOEP)") und im anderen Falle möglicherweise eine andere Erhebungsbasis zu Grunde liegt.

Wenig Veränderung beim Arztbesuch oder Anstieg?

In bisherigen Studien des Sozioökonomisches Panels waren jedenfalls innerhalb des Panels über die Jahre keine großen Schwankungen in Bezug auf die Anzahl der Arztbesuche festzustellen: Durchschnittlich gingen die Deutschen demnach im Jahr 2004 insgesamt 2,52-mal innerhalb "der letzten drei Monate" zum Arzt. Bis heute hat sich diese Angabe nur recht wenig verändert und liegt aktuell bei 2,49 Arztbesuchen.

Ein weiteres Problem im Sozioökonomischen Panel liegt darin, dass die Anzahl der Arztbesuche wohl auf einen Drei-Monats-Zeitraum abgefragt worden waren, ohne dass klar zu scheinen scheint, ob es sich um einen Drei-Monats-Zeitraum in der Kälte- und Krippe-Hochzeit - also Oktober bis Februar - handelt oder um sonstige Monate. Doch gerade das wäre absolut hilfreich in der Interpretation und auch für die Hochrechnung der Anzahl der Arztbesuche in Deutschland für das Gesamtjahr - sofern das überhaupt zulässig erscheint.

Fakt ist, dass Angaben der Barmer GEK ("Arztreport 2010") besagen, wonach die Deutschen im Jahr 2008 durchschnittlich 18,1 Mal im Jahr pro Personen einen niedergelassenen Arzt aufgesucht hätten. Für das Jahr 2004 wies der "Arztreport 2006" noch 16,4 Arztbesuche pro Person aus.

Daraus lässt sich schlussfolgern: Es kann wohl eher angenommen werden, dass die Deutschen nicht weniger, sondern eher sogar etwas öfters zum Arzt gehen.

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