Arbeit Bundesamt für Migration: Deutschkurs für EU-Ausländer erst im Mai 2021?

(k) Die EU ist eine Art loser Vielvölkerstaat. Oberstes Ziel der Europäischen Gemeinschaft ist es, dass Bürger aus diesem Staatenverbund sich europaweit einfacher niederlassen können und arbeiten können. Doch ohne die Sprache im jeweiligen Land wird es schwierig. Wie im Falle von Mihai T. aus Stuttgart.

Das BAMF stellt sich gerne so hin, als sei es nur für Asylbewerber zuständig. Doch in Wirklichkeit muss es sich auch um die Integration von EU-Bürgern kümmern.

Der 30-jährige mit rumänischem Pass arbeitet seit er 12 Jahre ist, davon mehr als 10 Jahre in Italien sowie seit drei Jahren in Deutschland. Die Jobs in der Landwirtschaft, dem Gemüsehandel oder der Gastronomie bekam er meist über private Kontakte. Doch dieses System stößt nun an seine Grenzen, auch wegen Corona. Deshalb muss er erstmals lernen, wie man einen Computer betätigt, sich bei Jobportalen für Job-Newsletter anmeldet und sich digital bewirbt. Da er kaum deutsch spricht versucht seit Monaten die Caritas in Stuttgart über ihre Migrationsberatung ihm zu helfen.

Wegen Corona verlor Mihai seinen Job als Hilfskraft. Deshalb ist er vorerst auf staatliches Geld angewiesen. Dabei wollte er das nie: Geld vom Staat. Doch jetzt ist er darauf angewiesen und es dauert. Doch ohne Geld ist es schwierig einen Wohnsitz zu bekommen. Immer wieder musste er deshalb in Stuttgart seit Juni 2020 umziehen. Meist zu dubiosen Vermietern, die Mietverträge maximal drei Monate vergeben. Das bedeutet für ihn eine immer neue Adresse.

Doch jede neue Adresse bedeutete für die Caritas Stuttgart, dass der zuständige Migrations-Berater den Antrag auf Wohngeld neu stellen muss. Bis es eine Entscheidung über Wohngeld gibt, vergehen aber gut fünf bis sechs Wochen. Ein Zeitraum, der bei Menschen mit Geld normalerweise leicht zu überbrücken ist. Nicht aber, wenn man wie Mihai, den Freunde wegen seiner langen Zeit in Italien Giovanni nennen, derzeit von lediglich 410 Euro monatlicher Einnahmen aus einem Minijob leben muss.

Leben von 410 Euro

Da zählt jeder Cent. Und eigentlich ist dann kein Geld für die Miete da. Ärger mit dem Vermieter ist vorprogrammiert. Ärger, der manchmal auch in körperlichen Auseinandersetzungen endet. So attackierte der italienische Vermieter Mihai vor kurzem körperlich dermaßen, dass seine Nase angebrochen ist und der Arm in der Notfallaufnahme eines Krankenhauses in eine Schiene gelegt werden musste. So mancher Vermieter scheint zu glauben:

Der spricht ja eh kein Deutsch, kommt aus Rumänien, also sind solche Leute vogelfrei. Immerhin hatte Mihai für sein Stuttgarter Keller-WG-Zimmer 500 Euro monatlich bezahlen müssen. Der Vermieter war gewaltsam in sein Zimmer eingedrungen mit einem Zweitschlüssel, um die ausstehende Miete einzufordern. Dabei kam es zum Eklat, wobei der italienische Vermieter abstreitet, seinen Mieter krankenhausreif geschlagen zu haben. Als Zeuge führt er seinen italienischen Vater an, mit dem er vor Ort war. Zustände wie in Sizilien.

Ohne die Bewilligung von Wohngeld bekommt der sehr engagierte Rumäne auch keine Genehmigung auf Grundsicherung und keine Genehmigung für die Teilnahme an einem kostenlosen Deutsch-Sprachkurs und auch keine Staatshilfe für einen PC-Kurs. Der ist aber wichtig, damit er lernt, sich online zu bewerben. Ein Teufelskreis, der schnell in die Obdachlosigkeit führen kann – egal wie engagiert jemand ist.

Wir fragten bei der Caritas Stuttgart an: Wann kann Mihai endlich in einen Deutsch-Sprachkurs, damit er Deutsch lernen kann, um sich dann am Arbeitsmarkt behaupten zu können? Denn selbst in der Landwirtschaft sind Hilfsarbeiterjobs ob hierzulande, in der Schweiz oder Österreich schwer zu bekommen, wenn man kaum Deutsch spricht. Es sei denn, man schließt sich irgendwelchen dubiosen Kolonnen an, in die aber nicht jeder möchte. Auch nicht jeder Rumäne.

Anfrage beim Nürnberger „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“

Wir fragten zudem beim Nürnberger „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ an, das auch für die Integration von EU-Bürgern zuständig ist, wie es sein könne, dass im Falle von Mihai eine Caritas-Beraterin aus Stuttgart uns mitteilte, es gäbe frühestens im Mai 2021 noch Plätze für Deutschkurse und selbst hier sei es nicht klar, ob er da überhaupt einen Platz erhalten könne. Hier die Antwort von Lioba Hebauer vom BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:

„Bereits seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 ist der Integrationskurs das zentrale Sprachförderinstrument des Bundes. Die Integrationskurse werden, so der gesetzliche Auftrag (§ 43 AufenthG), vom Bundesamt koordiniert und durchgeführt. Das Bundesamt bedient sich hierzu privater und öffentlicher Träger. Das Bundesamt legt die inhaltlichen Anforderungen und Curricula fest und lässt Kursträger und Lehrkräfte nach einheitlichen hohen Qualitätsstandards zu.

Integrationskurse richten sich an Menschen aller Nationen ohne ausreichende Deutschkenntnisse - Zugewanderte, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit einer guten Bleibeperspektive, Geduldete und Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG.

Der Integrationskurs ist ein nach unterschiedlichen Lernbedürfnissen ausdifferenziertes Kurssystem. Er wird in Vollzeit angeboten, kann jedoch in Ausnahmefällen, etwa bei einer Berufstätigkeit, auch in Teilzeit besucht werden. Eine Kinderbetreuung ermöglicht auch jungen Eltern die Teilnahme an einem Kurs. Den Teilnehmenden stehen acht verschiedene Kursarten zur Verfügung. Die Angebote der Spezialkurse richten sich an Frauen, Jugendliche, Menschen mit guten Lernvoraussetzungen, Analphabeten, Zweitschriftlerner sowie an Seh- und Hörbehinderte.

Das Integrationskurssystem ist nachfrageorientiert aufgebaut: Die vom BAMF zugelassenen Träger können ihr Kursangebot jederzeit an die regional bestehende Nachfrage anpassen und gegebenenfalls mehr Kurse anbieten. Das Bundesamt erprobt derzeit bundesweit ein neues Verfahren an 27 Standorten zur optimierten Integrationskurs-Zusteuerung. Erste statistische Auswertungen der bisherigen Pilotphase zeigen vielversprechende Ergebnisse:

- an den Pilotstandorten beginnen deutlich mehr Teilnehmende einen Integrationskurs als im Bundesdurchschnitt und

- die Teilnehmenden nehmen die ausgesprochenen Kursempfehlungen grundsätzlich gut an.

Zum Stand 30.11.2020 bieten rund 1.550 Kursträger in Deutschland ein Angebot von etwa 40.740 Kursplätzen für Kurse, die in den kommenden drei Monaten beginnen. Etwa 7.200 Kurse mit rund 96.500 neuen Kursteilnehmenden starteten in den elf Monaten seit Jahresbeginn.

Auf der Homepage des Bundesamts ist ausführlich in verschiedenen Sprachen beschrieben, wer an einem Integrationskurs teilnehmen muss bzw. darf. Dort finden Sie neben weiteren Informationen auch den Antrag auf Zulassung zu einem Integrationskurs sowie den nach Postleitzahl zuständigen Regionalkoordinator; außerdem über Postleitzahlen-Suche potentielle Integrationskurs-Träger und laufende sowie zukünftige Kursangebote.

https://www.bamf.de/DE/Themen/Integration/ZugewanderteTeilnehmende/AsylbewerberGeduldete/asylbewerbergeduldete.html

Im Umkreis von 5 Kilometern vom Wohnort von (Anmerkung: Mihai) ist z. B. am 17.2.2021 vom Anglo-German Institute (AGI), Rotebühlstr. 133 in 70197 Stuttgart, der Beginn eines Allgemeinen Integrationskurses geplant.

Das Bundesamt hat angesichts der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ein Maßnahmenpaket geschnürt, das die Kursträger intensiv unterstützt. Dazu zählt die Genehmigung von mehreren Tausend Online-Tutorien und Virtuellen Klassenzimmern.

In den Tutorien erhalten die Lernenden Aufgaben, genau wie in den Integrationskursen. Sie lösen grammatikalische Aufgaben, füllen Lückentexte aus, machen Sprechübungen – begleitet von einer qualifizierten Lehrkraft. Bei den Berufssprachkursen kann das Virtuelle Klassenzimmer den Ausfall des Präsenzunterrichts gut kompensieren, da in diesem Format der direkte Kontakt zwischen Teilnehmenden und der Lehrkraft sowie der Kontakt zwischen den Teilnehmenden untereinander möglich ist.“

Wir bleiben am Ball und schauen, ob Mihai T. wirklich zum Februar an einem Sprachkurs teilnehmen kann. Denn eines ist klar: Für EU-Bürger wie Mihai ist die Vermittlung der deutschen Sprache oberstes Gebot. Und der Staat ist hier in oberster Pflicht. Sonst können wir uns die EU auch schenken. Und: Von den Onlinekursen wusste die Mitarbeiterin für Migration bei der Caritas nichts.

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