
Vom Karriereweg in die Krise – Wie Deutschlands wirtschaftlicher Niedergang ein Leben zerstörte. Jobcenter zwingt Bürger vom Leipziger Waldstraßenviertel Nähe Waldstraße in Ghettos wie das von Leipzig Grünau.
Er hat alles richtig gemacht: Bankkaufmannslehre bei der Commerzbank in München, Einser-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Leipzig, ein Jahr Auslandsaufenthalt in den USA. Feste Jobs in den Kommunikationsabteilungen eines Tochterunternehmens der Deutschen Telekom AG.
Dazwischen arbeitete er als studentische Aushilfskraft im Leipziger Vorzeigeunternehmen UNISTER, dem erfolgreichsten deutschen Startup der vergangenen 25 Jahre. Dann die Promotion – ein akademischer Abschluss, der seine Karriere krönen sollte. Doch an der sitzt er nun, mit 37 Jahren, immer noch fest, weil jeder Neustart von einem neuen Rückschlag durchkreuzt wurde.
Eigentlich wollte er durchstarten. Immer fleißig, akribisch, perfektionistisch – jemand, der sich Chancen erarbeitet, statt sie nur zu erwarten. Doch dann kam alles anders. Der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands, seit Jahren sinkendes BIP, steigende Arbeitslosigkeit, Deindustrialisierung, maßgeblich hervorgerufen durch einige wesentliche Fehlentscheidungen der EU-Kommission unter Führung der Deutschen Ursula von der Leyen (CDU) im Zusammenspiel mit dem EU-Parlament und den Hauptverantwortlichen in der deutschen Bundesregierung, Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Annalena Baerbock (Grüne), getrieben vom Öko-Größenwahn, der wirtschaftliche Vernunft komplett ignorierte und alles abtat, was dem im Wege stand als old fashion, rechtsradikal, not modern.
Dazu der Russland-Ukraine-Krieg mit Hunderttausenden Toten. Die wirtschaftlichen Folgen eskalierten. Steigende Sozialausgaben, verbunden mit der Aufnahme von Flüchtlingen – Ende 2024 lebten über 14,1 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland (Statistisches Bundesamt). Seit 2015 kamen etwa 3 Millionen Flüchtlinge hinzu, darunter über 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Die Frage der Integration und der damit verbundenen Kosten belastet den Staatshaushalt zusätzlich. Schätzungen zufolge könnten sich die Kosten für die Versorgung und Integration der Flüchtlinge in den letzten zehn Jahren auf bis zu 500 Milliarden Euro belaufen. Gleichzeitig fegt die KI-Revolution durch den Arbeitsmarkt: ChatGPT, Perplexity.ai & Co. haben längst ganze Branchen verändert.
Auch ihn hat es getroffen. Nach seinem letzten festen Job als PR-Redakteur in einer Leipziger PR-Agentur, beziehungsweise Kommunikationsagentur ist er nicht nur arbeitslos – ihm droht jetzt auch noch der Verlust seiner Wohnung. Die Auswirkungen der KI haben die Lage zusätzlich verschärft.
Noch vor wenigen Monaten war er als PR-Redakteur in einer Leipziger Agentur tätig. Dann kam die Entlassungswelle, die Kollegen verschwanden, die Arbeit wurde mehr – und schließlich wurde auch er eiskalt aussortiert. Jetzt droht ihm nicht nur die Unsicherheit des Bürgergelds, sondern auch der Verlust seiner Wohnung. Denn in Leipzig dürfen Bürgergeldempfänger laut Stadtverwaltung maximal 346 Euro Kaltmiete zahlen – seine Wohnung ist teurer. Das bedeutet: Umzug oder im schlimmsten Fall die Wohnungslosigkeit.
Als er nun, Ende Februar 2025, den Anruf der Sachbearbeiterin der Leipziger Agentur für Arbeit bekam, wurde ihm unmissverständlich mitgeteilt, dass die Überschreitung des Höchstsatzes nur noch wenige Monate toleriert werde. Danach blieben nur drei Optionen: eine Untervermietung oder der Umzug in eine billigere Wohnung oder Obdachlosigkeit. Er suchte – und fand genau eine Möglichkeit, die die städtischen Vorgaben erfüllte: Das Leipziger Ghetto-Vierteil Grünau. Wer da strandet, kommt wohnungstechnisch nicht mehr viel tiefer. Es ist die Bronx von Leipzig. Wohnen will da niemand. Nichtmal die, die nichts haben.
NETZ-TRENDS.de spricht mit einem ehemaligen PR-Redakteur aus Leipzig über Mobbing, katastrophalen Führungsstil in einer Leipziger Agentur und den Weg vom festen Job zur Unsicherheit des Bürgergelds.
Nach der Kündigung droht ihm nun die Abschiebung ins Leipziger Ghetto Grünau – ein sozialer Brennpunkt mit hoher Arbeitslosigkeit, Kriminalität und wenig Perspektiven. Leipzig hat Grünau de facto zu einem Abschiebebahnhof für arbeitslose Deutsche wie Ausländer gemacht.
NETZ-TRENDS.de: Wir hatten uns zuletzt vor einigen Monaten über deine Situation in Leipzig unterhalten. Hat sich seitdem etwas verbessert?
Antwort: Nein. Im Gegenteil. Es wird immer schlimmer.
NETZ-TRENDS.de: Was heißt das konkret?
Antwort: Ich habe 2024 acht Monate lang in einer PR-Agentur in Leipzig gearbeitet, offiziell auf 30-Stunden-Basis. Doch als nach und nach alle anderen Kollegen gekündigt wurden, blieb die gesamte Arbeit an mir hängen. Ich hatte im Monat 14 Überstunden, arbeitete also fast in Vollzeit – obwohl ich das nie wollte. Eigentlich wollte ich meine Promotion endlich abschließen. Doch stattdessen wurde ich in dieser Agentur aufgerieben.
NETZ-TRENDS.de: Wie groß war die Agentur früher?
Antwort: Angeblich hatte sie mal über 25 Mitarbeiter.
NETZ-TRENDS.de: Und als du gekündigt wurdest?
Antwort: Da waren es nur noch fünf reguläre Mitarbeiter, mich eingeschlossen. Drei Manager gaben die Anweisungen. Wir waren ihnen ausgeliefert.
NETZ-TRENDS.de: Warum war das so schlimm?
Antwort: Weil wir nur noch Nummern waren. Ich habe fast alle Kundenaufträge allein erledigt, während die Führungsebene das Geld eingestrichen hat.
NETZ-TRENDS.de: Was musstest du täglich tun?
Antwort: Jeden Tag das Pressespiegel-Monitoring. Sechs bis sieben Texte, Pressemeldungen oder Blogartikel.
NETZ-TRENDS.de: Wie lang war ein Text?
Antwort: Durchschnittlich anderthalb Seiten.
NETZ-TRENDS.de: Ein Text pro Tag klingt machbar.
Antwort: Ich hatte aber nur eine 30-Stunden-Woche. Hochgerechnet fast 15 Seiten pro Woche. Dazu tägliches Pressemonitoring, zwei interne Pressespiegel, zwei bis drei für Kunden. Zwei Meetings pro Woche, jeweils 30 bis 60 Minuten. Danach Protokolle schreiben. Dann vier bis fünf Presseanfragen pro Woche. Zusätzlich die To-do-Listen der Vorgesetzten und der ganze bürokratische Wahnsinn der Agentur.
NETZ-TRENDS.de: Hat dir ChatGPT geholfen?
Antwort: Offiziell durfte ich es nicht nutzen. Aber ohne hätte ich die Arbeit nicht bewältigt. Also habe ich es heimlich verwendet – natürlich ohne Kundennamen oder sensible Daten.
NETZ-TRENDS.de: War das ausdrücklich verboten?
Antwort: Ja. Aber was hätte ich tun sollen? Ich habe es genutzt, um Ideen und Konzepte zu entwickeln. Meist nachts, weil ich wegen des Stresses nicht schlafen konnte. Ich lag wach, hatte Panik vor der Arbeit, also habe ich angefangen, vorzubereiten – in der Hoffnung, den nächsten Tag zu überstehen.
NETZ-TRENDS.de: Nach acht Monaten wurdest du Ende 2024 gekündigt. Kam das unerwartet?
Antwort: Ich hatte gehofft, dass es weitergeht. Aber eigentlich war es absehbar. Mit jedem weiteren Kollegen, der ging, wuchs mein Arbeitspensum. Ich war völlig auf mich allein gestellt, erledigte Projekte, für die früher vier Leute zuständig waren. Ich habe durchgehalten, weitergekämpft, sogar zu Hause weitergearbeitet. Ich dachte: Wenn ich die Probezeit überstehe, bin ich sicher.
Und dann kam der Tag. Mein Chef rief mich ins Büro. Ich hatte die letzten Monate alles gegeben, Überstunden geschoben, mich selbst an meine Grenzen gebracht – und was kam?
Er sah mich an, mit diesem kühlen, distanzierten Blick. Keine Spur mehr von dem überschwänglichen Lob, das ich noch wenige Wochen zuvor erhalten hatte. Stattdessen: „Wir müssen uns von dir trennen.“
Mir wurde heiß. Mein Magen zog sich zusammen. Ich fragte: „Warum?“ Doch eine richtige Antwort bekam ich nicht. Nur vage Ausflüchte, leere Phrasen. Zuvor wurde ich als unverzichtbar bezeichnet, und jetzt? Ich war nur noch eine Zahl, die sie aus ihrer Kalkulation streichen konnten.
Ich saß da, während er mir mit monotoner Stimme erklärte, dass es „leider nicht anders geht“. Keine Wertschätzung, kein Danke. Einfach nur raus.
Ich ging nach Hause, setzte mich auf mein Bett – und fühlte mich leer. Ich hatte so gekämpft, so viele Opfer gebracht, und am Ende war es alles umsonst.
NETZ-TRENDS.de: Du hattest eine Vorgesetzte in Dresden. Wie war euer Verhältnis?
Antwort: Anfangs gut. Nach vier Monaten kippte es plötzlich. Ich weiß bis heute nicht, warum. Vielleicht wusste sie schon, dass Kunden abspringen, und wollte mich loswerden.
NETZ-TRENDS.de: Du hast erzählt, dass sie dich vor anderen bloßgestellt hat.
Antwort: Ja, es war systematisches Bossing. Ich bekam Aufgaben und dann kam im Verteiler an alle: „Das geht ja gar nicht.“ Oder ich musste jeden Tag angeben, wie lange ich für das Monitoring brauche – als Einziger.
NETZ-TRENDS.de: Warum diese Ungleichbehandlung?
Antwort: Ich weiß es nicht. Sie wollten mich loswerden.
NETZ-TRENDS.de: Was passierte nach der Kündigung?
Antwort: Ich musste sofort Bürgergeld beantragen. 563 Euro plus Zuschüsse für Miete und Heizung. Strom und andere Kosten zahle ich selbst.
NETZ-TRENDS.de: Dann kam die Nachricht von der Arbeitsagentur?
Antwort: Ja, meine Sachbearbeiterin rief an. Sie teilte mir mit, dass meine Kaltmiete über dem zulässigen Höchstsatz für Bürgergeldempfänger liegt.
NETZ-TRENDS.de: Was bedeutet das konkret?
Antwort: In Leipzig darf die Kaltmiete maximal 346 Euro betragen. Meine Wohnung kostet mehr. Die Differenz wird nur noch übergangsweise übernommen. Danach muss ich entweder untervermieten oder umziehen.
NETZ-TRENDS.de: Was hast du dann gemacht?
Antwort: Ich habe sofort nach einer neuen Wohnung gesucht. Doch es gab nur eine Option: Grünau.
NETZ-TRENDS.de: Was bedeutet das für dich?
Antwort: Ich lebe Nähe der Waldstraße im Waldstraßenviertel – eine der besten Gegenden Leipzigs. Ich habe so hart gearbeitet, um mir das leisten zu können. Und jetzt soll ich nach Grünau? Ich war noch nie dort, aber ich kenne den Ruf. Es gilt als sozialer Brennpunkt, als Ghetto. Leipzig macht Grünau zum Auffangbecken für Arbeitslose.
Grünau wurde in den 1970er-Jahren für 85.000 Menschen gebaut. Ein DDR-Vorzeigeprojekt mit guter Infrastruktur und viel Grün. Nach der Wende kam der Niedergang: Leerstand, steigende Kriminalität, Perspektivlosigkeit. Wer konnte, zog weg. Wer blieb, hatte keine Wahl.
NETZ-TRENDS.de: Wie geht es für dich weiter?
Antwort: Ich habe Angst. Die KI verändert die Arbeitswelt rasant, und es wird immer schwerer, mitzuhalten. Gleichzeitig zerstört die Politik mit Bürokratie und Vorschriften die wirtschaftlichen Grundlagen. Ich fühle mich allein gelassen.
NETZ-TRENDS.de: Vielen Dank für das Gespräch. Wir begleiten dich weiter auf deinem Weg.
Antwort: Danke.
Es sollte ein Musterbeispiel moderner Stadtentwicklung sein. Eine Antwort der DDR auf die Wohnungsnot, ein sozialistisches Zukunftsversprechen. Doch heute steht Leipzig-Grünau für etwas anderes: Armut, Perspektivlosigkeit und soziale Isolation.
In den 1970er-Jahren begann die DDR mit dem Bau von Grünau, einem der größten Neubaugebiete des Landes. Es war ein Prestigeprojekt. Innerhalb weniger Jahre sollten zehntausende Wohnungen entstehen – hell, funktional und modern. Grünau wurde am Reißbrett entworfen, mit breiten Straßen, großzügigen Grünanlagen und einer durchdachten Infrastruktur. Schulen, Kindergärten, Einkaufszentren, sogar ein Schwimmbad – alles war da.
Die Wohnungen waren begehrt. Junge Familien, Arbeiter, Ingenieure, Lehrer – sie alle zogen nach Grünau. Die Plattenbauten standen für Fortschritt, für ein besseres Leben. Man hatte fließend warmes Wasser, Zentralheizung, eine eigene Straßenbahnlinie in die Innenstadt. Während in Altbauwohnungen in Leipzig noch Ofenheizungen rußten, konnte man hier mit nur einem Handgriff die Temperatur regeln. Doch dann kam die Wende.
Der Absturz nach 1989
Mit dem Ende der DDR brach auch Grünau auseinander. Die Wirtschaft kollabierte, Betriebe schlossen, Arbeitsplätze verschwanden. Wer konnte, zog weg. Die Plattenbau-Träume wurden zu Betonschluchten ohne Zukunft. Zurück blieben jene, die keine andere Wahl hatten: Arbeitslose, Rentner, Alleinerziehende.
Die Abwanderung war massiv. Wo einst 85.000 Menschen lebten, waren es zur Jahrtausendwende nur noch 45.000 bis 50.000. Häuser standen leer, ganze Straßenzüge verfielen. Manche Wohnblöcke wurden abgerissen, andere verfielen in einen trostlosen Dämmerzustand – bewohnt, aber ohne Perspektive.
Heute ist Grünau ein Brennpunkt. Die Mieten sind niedrig, Sozialwohnungen dominieren das Bild. Wer hier lebt, hat oft wenig Geld – und kaum eine Perspektive. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Einkommen niedrig. Wer einmal hier landet, kommt oft nicht mehr heraus.
Das Bild auf den Straßen ist geprägt von Discounter-Tüten, Spielhallen und grauen Betonfassaden. Viele Geschäfte haben längst geschlossen, große Einkaufszentren stehen halb leer. Statt florierendem Einzelhandel gibt es Wettbüros und Pfandhäuser.
Die Kriminalität ist ein Problem. Drogenhandel, Einbrüche, Gewalt – immer wieder Schlagzeilen, die sich gleichen. Für viele Leipziger ist Grünau ein Synonym für soziale Abwärtsspiralen.
Doch das eigentliche Problem ist nicht die Kriminalität, sondern die Perspektivlosigkeit. Grünau ist eine Sackgasse. Wer hier lebt, spürt es täglich: Der Weg hinaus wird mit jedem Jahr schwerer. Jobs sind rar, Bildungschancen schlechter, Netzwerke schwach. Wer hier als Kind aufwächst, hat es schwerer als andere.
Die Stadt Leipzig versucht seit Jahren, Grünau wiederzubeleben. Es gibt Sanierungen, neue Bauprojekte, Förderprogramme. Doch gegen den Ruf des Viertels kommen diese Maßnahmen kaum an. Der Stempel „sozialer Brennpunkt“ klebt an Grünau wie Betonstaub an den Fassaden.
Grünau ist längst nicht mehr das Vorzeigeviertel von damals. Es ist ein Ort, an dem viele unfreiwillig landen – weil sie sich nichts anderes leisten können. Und es ist ein Ort, den viele so schnell wie möglich wieder verlassen wollen. Doch nicht jeder schafft es.
Leipzig wächst, wird teurer, schicker, beliebter. Doch in Grünau scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Ein Stadtteil, der einst ein Versprechen war – und heute eine Mahnung ist.