ECommerce in Russland, Brasilien oder Indien - Onlinezahlung schwierig

Ähnlich hoch sind die Wachstumsraten für Ecommerce-Geschäfte in Ländern wie Russland oder Brasilien. In beiden Nationen gehen Fachleute davon aus, wonach die Onlineumsätze bis 2017 um 45 % steigen könnten. Das prognostiziert zumindest die Marktforschungsgruppe eMarketer. Drastisch ansteigen werden demnach wohl auch die Online-Umsätze im Ecommerce in China – von derzeit 193,1 Milliarden Dollar auf 788,5 Milliarden im Jahr 2017 oder von 97,1 Milliarden Dollar auf 140,3 Milliarden in UK. Selbst die USA erwarten weiter drastisch steigende Onlineumsätze im Ecommerce - von 398,7 Milliarden Dollar im Jahr 2013 auf 608,1 Milliarden Dollar im Jahr 2017. Das heißt aber vor allem eines:

Foto: Netz-Trends
Wer mit seinem Onlinegeschäft internationalisieren will, muss vor allem darauf achten: Wie möchten die Bürger vor Ort bezahlen?

Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gewinnen Verkäufe online an Bedeutung. Beispiel Indien: Umfasst der Ecommerce-Markt in Indien derzeit noch 12 Milliarden Dollar, besagen Prognosen, wonach die Onlineumsätze in Indien bis 2017 auf 31 Milliarden Dollar klettern könnten.

Onlineshops, die international expandieren möchten, müssen mit enormen lokalen und regionalen Hürden in den jeweiligen Ländern rechnen. Besondere Herausforderungen liegen in der Bezahlmethode. Hier gibt es von Nation zu Nation enorme Unterschiede und damit steigende Probleme für Online-Shops.

So ist beispielsweise bekannt: In Frankreich oder Spanien verlieren viele Online-Unternehmen unzählige Millionen Euro, da der Kreditkartenbetrug bei circa 20 % bis 25 % liegt. In Polen wiederum sind die Verbraucher scheu, geht es darum, eine online gefundene Reise auch online zu bezahlen. Viele recherchieren zwar online, tendieren aber immer noch dazu, anschließend im Reisebüro an der Ecke die gefundene Reise zu buchen.

Ganz andere Erfahrungen sammelte hotels.com, eine Tochter von Expedia. So musste man erst einmal für 250.000 Hotels einen aufwendigen grundlegenden technischen Umbau vornehmen, um für Russen oder im Süden Europas lebende Bürger es ermöglichen zu können, dass diese erst beim Check-Out im Hotel ihre Hotelnächte bezahlen dürfen. Darüber, und über einige andere Probleme bei internationaler Expansion von Onlineshop-Anbietern, berichtete jetzt die englische Financial Times in einem ganzseitigen Artikel (FT v. 25. Januar 2014, S. 12).

So berichtet die FT, wonach beispielsweise Russen, wie einige andere Bürger aus südlichen europäischen Ländern, es gewohnt seien, erst beim Aus-Checken direkt im Hotel komplett den Preis zu bezahlen. Dies heißt aber nichts anderes, als dass ein Onlineportal, welches sich hier nicht auf die Gewohnheiten der Verbraucher am jeweiligen Ort einlässt, recht schnell Probleme mit der Internationalisierungs-Strategie bekommen kann.

Brasilianer wollen auch online Ratenzahlungen - selbst bei Hotels

Matthew Walls, der Chef von hotels.com, lässt sich in der Financial Times mit den Worten zitiert, wonach man beispielsweise in Brasilien den Buchenden einer Reise eine Ratenzahlung - auf Spanisch "parcelas" - anbieten müsse (englisch: instalments). Das Problem dabei sei: So etwas gehe in der Regel nur über einen Dienstleister, der das Risiko bei Ausfall einer Ratenzahlung übernimmt - dafür aber auch eine Gebühr vom Hotelportal haben möchte.

Doch: Ratenzahlungen kennt man in Deutschland, Österreich oder der Schweiz eigentlich nur von Möbelgeschäften oder Elektronikgeschäften, sie sind aber auf Reiseportalen gänzlich unüblich.

Ebenfalls typisch in Brasilien sei es, schreibt die FT, wonach beispielsweise bei Onlinebuchungen Brasilianer gar nichts anzahlten und auch beim Hotel-Check-In nichts hinterlegen müssten. Brasilianer seien es gewohnt, dass sie in der Regel erst direkt beim Auschecken den kompletten Hotelzimmer-Preis bezahlen müssten.

Auch diese örtliche Gewohnheit stellt Geschäftsmodelle für westlich etablierte Reiseportale komplett auf den Kopf. Hinzu kommt: Stornierungen sind auf brasilianischen Reiseportalen oftmals komplett kostenlos. In Deutschland fallen hingegen häufig hohe Kosten bei Stornierungen an - was auch daran liegt, dass die Hotels gerade in attraktiven Metropolen oft ausgebucht sind.

Ebenfalls nicht unüblich für brasilianische Hotelportale, beziehungsweise Reiseportale, scheint es nach Recherchen von Netz-Trends zu sein, dass die Kunden lieber auf Portalen buchen, die ein Zertifikat ausweisen, welches dem Verbraucher versichert, dass eine Onlinebuchung und Onlinezahlung für ein bestimmtes Hotel sicher ist.

Beispielsweise schmückt sich das in Brasilien aktive Reisebuchungsportal booked.net, welches mit dem brasilianischen Portal http://ibooked.com.br/ zusammenarbeitet (bei Buchungen wird auf booked.net umgeleitet) mit dem Datensicherheits-Zertifikat "thawte SSL Web Server Certificates".

Brasilianer sind misstrauisch - deshalb brauchen Onlineportale Zertifikate

Der Anbieter beschreibt seine Leistungen wie folgt: "Authentic Sites use thawte SSL Web Server Certificates to offer secure communications by encrypting all data to and from the site. thawte has checked and verified the company registration documents, the site's registered domain name, and the authorizing contact at the company all according to the strongest identity authentication standard today. This information is included in the SSL certificate that we issue. This enables you to check the site's validity yourself. Always check a site's certificate before entering any sensitive information."

Ein Grund, warum viele eCommerce-Unternehmen in Brasilien, also auch Hotelplattformen, Ratenzahlungen mit Buchenden aushandeln, liegt daran, dass in Brasilien Kreditkarten noch nicht sehr weit verbreitet sind. Hinzu kommt, dass Kreditkarten für viele Bürger einfach teuer sind, da Gebühren dafür bezahlt werden müssen, welche sich aber häufig eher am westlichen Lebensstandard orientieren.

Allerdings liegt beispielsweise in Rio de Janeiro das durchschnittliche Monatsgehalt gerade einmal bei rund 450 Euro. Dieses ist in einer Stadt wie Rio, die fast Preise aufweist, wie Berlin, recht wenig Geld. Im Jahr 2012 hatten nach Angaben des Marktforschungsinstituts Euromonitor gerade einmal rund 62 % der erwachsenen Brasilianer eine Kreditkarte.

Auf das Problem der nicht sehr weit verbreiteten Kreditkarten in Brasilien verweist in der Financial Times auch Ricardo Rocha, Professor für Finanzen an der Sao Paulo Insper Business School (Insper Institute of Education and Research). Er sagt, wonach dieser Umstand "eine große Herausforderung für ausländische Handelsplattformen" darstelle. Allerdings sind sich auch hier Beobachter einig: Das Volumen der Onlinebranche wird in Brasilien in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. So steige der ecommerce-Markt in Brasilien von nun 18 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2017 auf 26 Milliarden Dollar, erklärt das Marktforschungsinstitut eMarketer.

Das Problem der zu geringen Kreditkartendichte in Schwellenländern ist auch in Indien bekannt. Wer hier Onlinegeschäfte machen möchte, der kann diese häufig noch nicht über Kreditkarten abwickeln. Die Financial Times berichtet beispielsweise über den aus Bangladesch stammenden Fashion-Onlinehändler Koovs, welcher deshalb seine Kunden direkt bei Lieferung der Ware an der Haustüre abkassiere.

In Indien möchten Onlineshopper an der Haustüre bezahlen

So wird in der FT Lord Waheed Alli, ein Medienbaron zitiert, der die Internationalisierung von Koovs vorantreibe: "Die Lieferung und das Abkassieren direkt an der Haustüre ist natürlich viel teurer als ein Kreditkarten-Einzug in Indien. Aber jedes Land hat seine speziellen Gewohnheiten. Wenn die Bürger in einem Land bar bezahlen möchten, musst Du es so einfach wie möglich machen. Wenn Du dadurch an Gewinnmargen einbüßt, musst Du das eben anders wieder hereinholen."

Ähnlich scheint es in Russland zu sein, schreibt die Financial Times in ihrem Online-Report. So wollten auch in Russland immer noch 58 % der Menschen, die online einkauften, anschließend cash, also bar bezahlen. In Osteuropa bedeutet dieses häufig: Entweder direkt an der Haustüre oder in einem Geschäft. Nicht wenige Online-Reiseportale haben deshalb beispielsweise Verträge mit stationären Reisebüros, die für die Online-Partner das Geld dann eintreiben und die Reiseunterlagen an den Onlinebucher übergeben. Doch auch das geht zu Lasten der Marge.

Da auch in Russland oder Polen hohe Gelder an die Internet-Suchmaschinen für das Onlinemarketing bezahlt werden müssen (z.B. Anzeigen in Suchmaschinen), ist das Reisegeschäft in diesen Ländern über Onlineplattformen nicht immer einfach. In Polen gehört ein Reiseportal mit über 50 festen Mitarbeitern bereits zu den erfolgreichen Größen am Markt.

Onlinehändler, die beispielsweise in Russland nicht mit stationären Geschäften oder anderen lokalen Partnern zusammenarbeiten möchten, weichen zunehmend, berichtet die Financial Times, auf Dienstleister wie "Qiwi" (qiwi.ru) aus. Der Bezahldienst offeriere Bezahl-Apps auf dem Handy genauso, wie sonstige Onlinezahlungen. Qiwi bietet aber auch beispielsweise in ganz Moskau faktisch an jeder Straßenecke Bezahl-Terminals (payment terminals). Wer also online bucht, kann beispielsweise dort dann bezahlen.

Angeblich, schreibt die Financial Times, würden Internet-Unternehmen wie Groupon, hotels.com oder Apple mit den Bezahldiensten von qiwi.ru zusammenarbeiten. Doch nicht nur in Russland ist das Bezahlen mit Kreditkarten für viele Bürger noch ein Problem. Auch in Deutschland wollten nur, schreibt die FT, rund 10 % der Konsumenten ihre täglichen Einkäufe grundsätzlich mit Kreditkarten bezahlen - während es in Britannien über 70 % der Verbraucher seien (Quelle: FT unter Bezug auf Marktforschungs-Unternehmen YouGov).

Ein weiterer Dienstleister für Onlinezahlungen sei das schwedische Start-Up Klarna, berichtet die FT. In der Leistungsbeschreibung sagt der Bezahlservice für eCommerce-Unternehmen: "Millionen von Onlineshopper bezahlen lieber per Rechnung als mit anderen Zahlungsarten. Klarna bietet die sichersten und einfachsten Zahlungsarten im Onlinehandel. Mit Klarna verringern Sie Kaufabbrüche und erhöhen die Konversionsrate. Das führt zu einer Steigerung Ihrer Umsätze. Klarna trägt außerdem sämtliche Risiken, das heißt, Sie werden immer bezahlt... Tausende von Onlineshops haben bereits mit Klarna ihre Umsätze gesteigert."

Russland wächst online, aber noch werden nur 2 % des Handels online umgesetzt

In Russland steht ein Markt von 70 Millionen Internet-Haushalten den eCommerce-Anbietern potentiell zur Verfügung - fast die Hälfte der Russen ist also mittlerweile online. Doch nur wer sich den Zahlungs-Gewohnheiten der Russen anpasst, wird dort erfolgreich Online-Geschäfte machen können.

Allerdings gilt in Russland immer noch, wie in vielen anderen Ländern: Nur eine Minderheit kauft tatsächlich online ein. So werden in Russland auch im Jahr 2013 gerade einmal rund 2 Prozent des kompletten Einzelhandelsumsatzes online erwirtschaftet. Morgan Stanley prognostiziere laut FT allerdings, wonach bis zum Jahr 2015 in Russland sich die Onlineverkäufe verdoppeln werden - auf 5 % Marktanteil.

In den riesigen russischen Onlinemarkt drängten, schreibt die FT weiter, zunehmend neben westlichen Online-Giganten wie eBay, auch die Chinesen - beispielsweise mit ihrer Plattform AliExpress.

AliExpress ist ein klassisches Online-Kaufhaus - am ehesten vergleichbar mit otto.de oder ähnlichen Online-Versandhäusern. Ebenfalls auf Expansionskurs in Russland ist nach Aussagen der Financial Times die britische Online-Modeplattform net-a-porter ("Die weltweit führende Online-Adresse für Luxusmode").

Doch, schreibt die FT, sei auch im Bereich der Fashion-Onlineplattformen das Geschäft alles andere als einfach. Als Beleg nennt sie den deutschen Logistikkonzern DHL. Dieser habe bereits im Jahr 2010 in Russland bestimmte Liefer-Services für Onlineshops vor allem auf Grund der schwierigen Bezahlmethoden wieder einstellen müssen.


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