10.000 Abmahnungen Pornoseiten: Anwalt rät nicht zahlen - im Fokus Seiten wie Youporn oder Redtube

Das Onlineportal schreibt: "Hinter den Abmahnungen steckt die Regensburger Kanzlei U. C..... Das Juristenbüro ist einer der Big Player im Abmahngeschäft mit Pornofilmen". Man vermute, wonach diese Kanzlei über 150.000 Personen in den vergangenen Jahren wegen angeblicher oder tatsächlicher Urheberrechtsverletzungen abgemahnt, also abkassiert, habe.

Angeblich würden derzeit wöchentlich bis zu 10.000 Besucher von Porno-Streamingseiten wie Youporn und Redtube anwaltlich abgemahnt, berichtet unter anderem stern.de:

Doch rät ein Anwalt: Man solle möglicherweise überlegen, eine Abmahnung wegen des Streamings von Sexfilmen auf Pornoportalen zu ignorieren und nicht zu bezahlen. In dem Falle müsste die Abmahnkanzlei vor das Gericht ziehen und sich dem Urteil eines Richters stellen – der aber vielleicht und sogar höchstwahrscheinlich nicht im Sinne von Massenabmahnungen urteilen könnte.

Dass nun aber Besucher von Streaming-Portale, besonders auch aus der Pornoszene, wegen angeblicher Verletzungen des deutschen Urheberrechts abgemahnt werden, ist neu. Dabei dürften sich umstrittene Anwaltskanzleien vom Schlage U. C. durchaus einer Grauzone bedienen. Denn noch ist nicht einmal geklärt, ob der Nutzer eines Streamingportals tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung begeht. Denn dem durchschnittlich gebildeten, auch kritischen Verbraucher, dürfte nicht bewusst sein, dass ein Streaming eine Urheberrechtsverletzung sein kann. Dann müssten ja auch für Nutzer von YouTube millionenfache Urheberrechtsverletzungen vorliegen. Ebenso bei Flickr - für den Fall, dass jemand ein Foto anschaut, das dort hochgeladen wurde aber möglicherweise nicht vom Urheber.

Wer ein Streamingportalen nutzt, der lädt sich in der Regel keine Datei herunter - er schaut oder hört sie sich lediglich an. Woher soll aber ein Besucher von Pornoseiten wie Youporn oder Redtube nun wissen, für welches Video die Streamingseite die Urheberrecht hat und für welches nicht. Es wird der Bock zum Gärtner gemacht, wenn derjenige, der sich ein Video anschaut, zum Verletzer von Urheberrechten gemacht wird und nicht der, der sie hochgeladen hat.

Auch beim Streaming gilt aber: Jeder private Computer, jeder Tablet-PC, jedes Smartphone, speichert heimlich im Hintergrund im sogenannten Cache, also Zwischenspeicher, abfotografierte Inhalte der besuchten Seite ab. Das wird in der Regel - löscht man nicht regelmäßig aktiv mit Programmen wie dem ccleaner den Zwischenspeicher - über Jahre aufbewahrt. Besonders eifrig im Datensammeln und Zwischenspeichern ist Google mit seinem Internetbrowser Google Chrome.

Gerüchteweise schreiben nun Medien, wonach die Besucher von Pornoseiten wie Youporn oder Redtube von der Regensburger Anwaltskanzlei U. C. angeblich gleich 250 Euro in Rechnung gestellt bekämen. stern.de schreibt, wonach die Abmahnkanzlei höchstwahrscheinlich im Auftrag einer Schweizer Gesellschaft handele. Angeblich würden auf diesem Wege Woche für Woche über 10.000 Menschen abgemahnt.

stern.de schreibt in dem Artikel zu der gigantischen Abmahnwelle gegen Pornoseiten-Besucher im Internet, wonach angeblich die Regensburger Kanzlei U. C. schreibe: "Gegenstand unserer Beauftragung ist eine von Ihrem Internetanschluss aus begangene Urheberrechtsverletzung […] Unserer Mandantin steht das ausschließliche Recht zu, dieses Werk zu vervielfältigen. Dieses Recht wurde durch das Streamen des betreffenden Werkes über Ihren Internetanschluss verletzt."

Angeblich fordere die Anwaltskanzlei eine sofortige Zahlung in Höhe von 250 Euro. Die angebliche Schadenssumme lege man pro Streitfall gleich auf 1000 Euro fest. Eine Schadenssumme ist eher ein fiktiver Betrag, der von einem Gericht später bestätigt werden kann oder niedriger angesetzt werden kann. Man spricht auch von "Streitwert".

Doch ist im Falle einer tatsächlichen Verurteilung nicht der Streitwert zu bezahlen, sondern gilt hier die Gebührenordnung sowohl für ein Gericht wie die Anwälte. Die 250 Euro sind entsprechend in etwa die Höhe der Gebühren, welche bei einem fiktiven Streitwert von 1.000 vom Gericht festgelegt werden könnte. Ein Streitwert von 1.000 Euro scheint allerdings beim reinen Streamen eines erotischen Films im Internet für arg hoch gegriffen.

Um eine Abmahnung an private Nutzer des Internet schreiben zu können, benötigt eine Kanzlei entweder von Anfang an den Namen des Nutzers oder seine IP-Adresse. Doch selbst wer die IP-Adresse hat, muss eigentlich sehr schnell agieren. Denn in Deutschland und der EU gilt für private Anschlüsse die flexible IP-Adresse - sie ändert sich also ständig und täglich. Möchte man nun anhand einer IP-Adresse (die auch mit jeder E-Mail automatisch übermittelt wird) den tatsächlichen Nutzer ermitteln, bleibt eigentlich nur der umgehende Gang zur Polizei verbunden mit einer Anzeige.

Doch auch diese hat in der Regel nur eine Woche Zeit, um bei den Telekommunikationsunternehmen die zur IP gehörende Adresse zu erfragen. Die Praxis ist aber: Das ist kaum zu bewerkstelligen. Deshalb ist es sowohl im Strafrecht wie im Zivilrecht äußerst schwierig, im Internet möglicherweise begangene Straftaten zu verfolgen.

Nun schrieb ein Anwalt, Alexander Schupp, auf seiner Homepage, wonach man angeblich auf den Rechnern von Personen, welche Pornofilmchen auf Seiten wie Youporn oder Redtube gestreamt hätten, Viren gefunden habe. Rein theoretisch ist es möglich, dass Viren Adressen oder Namen der Computernutzer ausspionieren. Das wäre allerdings in höchstem Maße illegal und dürfte auch von Rechtsanwälten nicht benutzt werden. Denn eine solche Spionage gilt als Hackingangriff und steht unter Strafe.

Jedenfalls berichtet Anwalt Christian Solmecke von hunderten Betroffenen Pornoseitenbesuchern, welche derzeit abgemahnt würden. Auch er berichtet davon, wonach auf den PCs der betroffenen Nutzer Malware, also eine gefährliche Spionagesoftware, gefunden worden sei. Sein Rat: Mit einem Virenprogramm umgehend den Computer reinigen. Bereits eine kostenlose Version beispielsweise des deutschen Herstellers Antivir könnte Abhilfe beschaffen (ein durchaus empfehlenswertes Upgrade kostet rund 20 Euro im Jahr).

Die Zeitung Die Welt wiederum schreibt, wonach die Kanzlei U. C. aus Regensburg die IP-Adressen möglicherweise an das Kölner Landgericht weitergeleitet haben könnte, verbunden mit einem Auskunftsersuchen. Doch wie geschildert, müsste das umgehend innerhalb weniger Tage passiert sein und das Landgericht Köln hätte dann auch entsprechend umgehend agieren müssen - indem es tausende IP-Adressen direkt an die Telekommunikationsunternehmen Deutsche Telekom AG, Vodafone, O2 & Co weitergeleitet hat.

Jedenfalls bezweifelt Rechtsanwalt Solmecke, dass die übereifrigen Kölner Richter die privaten Adressdateien überhaupt einfach hätten übermitteln dürfen: "Ich zweifele daran, dass die Kölner Richter diesem Auskunftsersuchen überhaupt hätten stattgeben dürfen."

Der Mainzer Rechtsanwalt Karsten Gulden warnt vor einer vorzeitigen Zahlung der geforderten Abmahnsumme: "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass gegen derartige Abmahnungen erfolgreich vorgegangen werden kann. Daher können wir niemandem, der eine solche Abmahnung erhalten hat, raten, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben oder eine Zahlung vorzunehmen." Wichtig aber: Schriftlich Widerspruch einreichen und keine angebliche "Schuld" anerkennen. Zudem: Am besten zu einer Verbraucherzentrale gehen oder einem Anwalt.

Anonym Surfen im Internet, Tipp von Netz-Trends: Wer nicht möchte, dass seine IP-Adresse an 3. Seiten übermittelt wird, der sollte auf jeden Fall im Internetbrowser den "in private modus" oder den "inkognito"-Modus über die Sicherheitseinstellungen (meist oben im Menü der Internetbrowser) aktivieren. Das ist zwar auch kein kompletter Schutz, ist aber ein wichtiger Schritt, um seine Daten besser zu schützen.

AUFRUF REDAKTION:

Wer abgemahnt wurde, bitte einscannen oder mit dem Handy abfotografieren und schicken an redaktion@netz-trends.de verbunden mit einer kurzen Bestätigung, dass wir die Daten anonym für weitere Artikel nutzen dürfen. Wir garantieren absolute Vertraulichkeit. Zudem bitten wir Netz-Trends.de auf Facebook als Seite weiter zu empfehlen (eingerahmter Button rechts). Danke! Schreibt bitte gerne auch über Eure Erfahrungen in unserer Kommentarfunktion.

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