Eigenkapitalregeln Solvency II könnten deutsche Lebensversicherer in die Krise führen

Jahrelang haben viele Lebensversicherer gut gelebt – häufig auch auf Kosten der Versicherten, die dachten, eine Kapitallebensversicherung wäre der Weisheit letzter Schluss fürs Alter. Doch das Misstrauen gegen die Lebensversicherungen und die sonstigen privaten Altersvorsorgeprodukte sitzt bei vielen Deutschen tief. Erschwerend kommt jetzt hinzu: Die neue EU-Eigenkapitalregel zur vorzuhaltenden Eigenkapitalquote könnte den einen oder anderen Lebensversicherer in die Krise führen.

Quelle: © Schafgans DGPh / BaFin
Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, Felix Hufeld, glaubt nicht, dass alle Versicherer die Anforderungen an die Eigenkapitalquote nach Solvency II erfüllen können.

Bis zu 30 Prozent angeblicher ‚Kosten‘-Abzüge innerhalb von 9 bis 15 Jahren waren und sind keine Seltenheit in privaten Altersvorsorgeprodukten. Netz-Trends kennt Fälle von MLP (Heidelberger Leben), aber auch der WWK, die solch hohe Kostenblöcke aufweisen. Konnten die Lebensversicherungen davon bislang ganz gut leben und zusätzlich gute Zinsen ausschütten, ändert sich dieses seit einigen Jahren: Das Zinsniveau ist für viele zu niedrig - die versprochenen Ablaufleistungen könnten eng werden. Selbst ein hoher Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnte deshalb auf einer Veranstaltung davor, dass einige deutsche Lebensversicherer in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.

Doch als Grund für die möglichen Engpässe einiger Lebensversicherungen nennt die Bafin nicht die niedrigen Zinsen sondern die neuen in der Europäischen Union (EU) geltenden Eigenkapitalregeln. "Ich bin nicht sicher, ob es alle Versicherer schaffen werden", soll nun Felix Hufeld, der BaFin-Exekutivdirektor der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, auf einer Veranstaltung an der Universität in Frankfurt am Main gesagt haben.

Die EU regelt die neuen Eigenkapitalvorschriften für die Versicherungswirtschaft einheitlich in der Solvency II. Doch wie viele Lebensversicherungen möglicherweise den neuen Anforderungen nicht gerecht werden, ist noch nicht klar. "Es könnten fünf oder zehn sein, ich weiß es nicht", wird Hufeld zitiert. Insgesamt stehen unter der Aufsicht der Bafin rund 90 Lebensversicherer.

Doch kein Deutscher muss sich Sorgen machen, dass sich seine Lebensversicherung plötzlich in Luft auflöst. Einerseits stehen der Bafin zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um in einer Krise einzuschreiten: So könnte sie beispielsweise die Anlagepolitik einer Versicherung zwangsweise ändern lassen. Auch können und müssten im Falle eines Bankrotts einer Lebensversicherung die dort abgeschlossenen und laufenden Versicherungspolicen einer Auffanggesellschaft der Versicherungswirtschaft übertragen werden.

Dennoch versucht die Bafin nun die Wogen zu glätten. Hastig teilte sie mit, wonach "Die Bafin… keinesfalls Alarm" schlage und auch nicht "über mögliche Insolvenzen von Versicherern" spekuliere. Gleichzeitig teilte sie mit, wonach die Bafin vielmehr durch sensitives Verhalten dazu beitragen wolle, also primär durch präventive Aufsicht, dass sich eben das Worst Case Szenario der Pleite eines Lebensversicherers nicht einstelle. Ihr sei es jedoch wichtig, einen möglichst guten Überblick über die Solvenzsituation der Lebensversicherer auch im Angesicht der neuen Eigenkapitalregeln der EU zu behalten.

Bereits jetzt kündigt die Bafin einen Branchencheck für den Spätsommer 2014 an. Hier sollten alle Lebensversicherer noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden, inwiefern sie die neuen Eigenkapitalregeln auch gut verkraftet hätten. Sollten sich dann die einen oder anderen Probleme bei Lebensversicherern ergeben, würde die Bafin gemäß der ihr gesetzlichen Möglichkeiten auf ihre Instrumente zurückgreifen und bei den Versicherungen hinein regieren. Vorsorglich teilte die Bundesfinanzaufsicht bereits mit, wonach eine Unterschreitung der Solvenzvorgaben nicht gleich einen Ausfall oder möglichen Konkurs eines Lebensversicherers bedeute.

Die neue Eigenkapital-Richtlinie Solvency II wurde im November 2013 beschlossen. Sie regelt, dass die Versicherungen eine höhere Eigenkapital-Reserve vorhalten müssen, um wirtschaftlichen Krisenzeiten besser begegnen zu können. Dabei gilt: Je höher das Anlagerisiko – beispielsweise Aktien – desto mehr Eigenkapital muss angespart und bereit gehalten werden. Das komplette neue Regelwerk Solvency II ist ab 2016 für alle Versicherungen in der EU bindend.

Doch selbst dann gewährt die EU weitere 16 Jahre, um Altbestände entsprechend der neuen Anforderungen umzustellen. Entgegen in den Medien verbreiteten Beträge, wonach die Bafin errechnet habe, dass die deutschen Versicherungen jährlich drei bis fünf Milliarden Euro zusätzlich für die neuen Eigenkapitalregeln zurücklegen müssten, teilte der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) mit, wonach man keine Anhaltspunkte für eine solche Milliarden-Kapitallücke haben.


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