Auch ist den Emirati-Frauen erlaubt, Autos zu fahren. So kann es durchaus in Abu Dhabi geschehen, dass eine junge 22-jährige Frau abends um 21 Uhr mit ihren Freundinnen im schwarzen Mercedes 500 zum Einkaufen auf den Fischmarkt oder Iranian Market (ein Krimskrams-Markt) fährt. Genauso ist es aber möglich, dass eine komplett verschleierte Beduinenfrau in einem Toyota an der Ampel steht und nur noch durch einen Sehschlitz auf die Straße blickt. Auch gilt in Abu Dhabi, dass alle Frauen ohne männliche Begleitung ihre Erkundungs- oder Einkaufstouren durchführen "dürfen". Das ist für westliche Ohren zwar eine Selbstverständlichkeit, nicht aber unbedingt für arabisch-islamische Staaten. Jedoch gilt bei aller Freiheit: Jede Frau, aber auch jeder Mann, ist tief in seiner familiären Tradition verwurzelt.

Leiden diese Frauen unter ihrem Schleier oder nicht? Ein Westler kann so etwas nicht beurteilen. Fakt ist: Die Damen haben das Lächeln der besseren und reicheren Gesellschaft von Abu Dhabi. Rechts neben den schwarz gekleideten Frauen ist eine modernere Abu-Dhabi-Dame, die deutlich westlicher gekleidet ist. netz-trends.de

Da es in Abu Dhabi nur rund 150.000 Emiratis gibt, sind viele in Großfamilien-Verbünden verhaftet, welche sich wiederum um Einfluss und Gunst bei Hofe, also beim Herrscher von Abu Dhabi, bemühen müssen. Dabei kann es durchaus eine Rolle spielen, wie sich die Familienmitglieder benehmen. Das heißt: Es ist kaum vorstellbar, dass ein Clan es sich erlaubt, sich weit von der vom Herrscherhaus vorgegebenen traditionellen Verhaltensweisen zu entfernen.

Denn schließlich hat die absolutistische Königsfamilie von der Geburt bis zum Tod faktisch umfangreiche Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung einer jeden Emirati-Familie. Trotz des Verdachts, die Emiratis würden ihre Frauen immer noch unerhör und massiv unterdrücken, sollte nicht vergessen werden: Viele arabische Frauen sind durchaus stolz, traditionell auftreten zu können und nicht in westlichen Jeans.

Die Frauen laufen in Abu Dhabi, wie die Männer, meist in Gruppen durch die Stadt.netz-trends.de

Auch sollte bei all den kritischen Untertönen im Westen über nicht-demokratische Gesellschaftsformen nicht vergessen werden: Die Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate werden tendenziell verehrt im Emirati-Volk. Denn sie sorgen für ihre Emiratis - und geben einen Teil des Reichtums ihres Landes so weiter. 80 Prozent der Emiratis werden beispielsweise auf teure internationale Schulen geschickt - zumindest in Abu Dhabi. Schon die Grundschul-Kinder lassen die Eltern mit persönlichem Chauffeur in die Schule bringen. Dabei sei es "unglaublich, wie unverschämt und arrogant die Kinder teils sind - zu Lehrern oder anderen Schulbediensteten", erzählt eine junge britische Gastlehrerin an so einer Schule in Abu Dhabi netz-trends.de.

Mit der Weitergabe von Reichtum oder zumindest von Wohlstand an das Emirati-Volk stützt man sich gegenseitig und irgendwie funktioniert es. Armut gibt es unter echten Emiratis eigentlich nicht. Das ist auch im benachbarten Oman so. Dabei sind Unternehmer, die im Oman oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Geschäfte machen möchten, fast schon verpflichtet, ebenfalls Geld an die Bevölkerung weiterzugeben. So schenkte der General-Importeur für japanische Autos im Oman bis zu seinem Tod jeder bedürftigen Omani-Familie 1.000 Euro im Jahr. Und in Dubai müssen große Firmen die Sponsorengelder für das jährliche Dubai Pferderennen "spenden". Die Rede ist von immerhin rund 27 Mio. US-Dollar.

Zieht sich acht Kilometer am Strand entlang: Die 2004 eröffnete Fußgänger-Promenade \"Corniche\". Restaurants gibt es dort aber leider bislang so gut wie keine. Restaurants sind meist in den gekühlten Malls oder Hotels zu finden.netz-trends.de

Diktaturen oder nicht demokratisch gewählte Regierungen lassen sich aber nicht so ohne weiteres vergleichen. So gibt es zwischen den Emiraten und Muhammed al Gaddafi von Libyen einen riesengroßen Unterschied. Gaddafi hat zwar für ein recht hohes Pro-Kopf-Einkommen in Libyen gesorgt (das höchste in Afrika), aber dennoch sein Land geschunden, schnitt die Bevölkerung von der sonstigen Welt ab, verhinderte flächendeckende Bildung all zu oft, ließ in Ungnade gefallene Familien verarmen, sperrte tausende Gegner teils lebenslang in Gefängnisse und unterhielt einen korrupten und willkürlich agierenden Staats-Apparat. Das musste irgendwann schief gehen und zu einer Revolte führen.

In den Emiraten ist davon keine Rede. Das liegt primär daran, dass es in den Emiraten einen Wohlstands- und Freiheitsausgleich gibt. Auch gibt es gegenseitige Wertschätzung zwischen Herrschern und Emirati-Bürgern. Jeder Emirati hat die Chance auf ein gutes Leben, in dem Bildung und persönliche Freiheiten vorhanden sind. Die rund 350.000 Emiratis haben einfach ein gutes Leben. Demokratie in westlichen Ländern ist keine Garantie für ein gutes Leben. Das belegen derzeit Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Irland. Millionen Menschen sind dort arm, chancenlos ihr Leben anzupacken - trotz Demokratie.

So ist es kein Wunder, dass in den UAE sich derzeit nicht einmal ansatzweise eine Parallele zu Umsturzversuchen wie in Libyen oder Syrien andeutet (von dem Nicht UAE-Mitglied Bahrain einmal abgesehen, in dem es immer wieder zu Protesten gegen die Herrschenden kommt).

Müssen Frauen im Westen mit diesen Damen der besseren Gesellschaft in Abu Dhabi Mitleid haben? Das können die Frauen in arabischen Ländern nur alleine sagen und wissen. netz-trends.de

Tradition und Moderne zu verbinden - das ist in islamischen Gesellschaften möglich und das zeigt durchaus auch Abu Dhabi. Trotz der zahlreichen modernen Meilensteine, die das Land in den vergangenen Jahren bewältigt hat, ist es doch immer noch stolz auf seine Ursprünge. Deshalb möchte man immer und immer wieder daran erinnern. Auf einer Lagune, auf der der Herrscher-Clan von Abu Dhabi derzeit seinen neuen Palast baut, ist sicherlich nicht zufällig das sogenannte "Heritage Village" aufgebaut worden: Ein Kunst-Dorf, ein Freilicht-Museum, das die Wurzeln der Emirati Tag für Tag nicht nur den Touristen, sondern auch den Emirati selbst vorführen möchte.

Heritage Village Abu Dhabi oder warum Emiratis den Moonwalk erfanden

An einem Abend machen wir uns deshalb auf in das berühmte "Heritage Village" von Abu Dhabi. Hier gibt es kleine Märkte und Stände, die den Arabern selbst, aber auch den handvoll Touristen, zeigen sollen, wie einst arabisches Leben in der Wüste war. Zelte sind aufgebaut, Frauen rauchen sitzend die berühmte Wasserpfeife, die Shisha. Doch das dominierende Erscheinungsbild der Anlage sind mal wieder die Männer. Sie stehen da in ihren weißen Gewändern und weißen Schleiern und bereiten ihren traditionellen Emirati-Männer-Tanz und Männer-Gesang vor. Das Schweben ihres Ganges kommt beim Tanzen noch mehr zur Geltung. Der Moonwalk scheint keine Erfindung von Michael Jackson zu sein.

Wie überall in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist ein Mann in der Regel nur dann ein richtiger Mann, wenn der Emirati stets eine Gruppe von anderen Männern um sich hat. Also stets eine Ansammlung der coolsten weißen Engel der Welt. Erst als Zaungast einer Gruppe von weiß gekleideten Emirati oder Scheichs merkt man, wer Herr hier in der Region ist - und es ist nicht der Westen.

Dabei durchzieht das männliche Bewusstsein der Emiratis nicht nur jene Kreise, die in den Emiraten zu den reichen gehören. Die weißen Gewänder machen auf eine ganz besondere Weise alle irgendwie fast gleich. Ganz nach dem Motto: Zu einem Scheich oder Emirati wird man nicht, ein Scheich, ein Emirati-Bürger, ist man - und zwar ab dem ersten Lebensjahr. Feinheiten in der Kleidung von Männern in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind für einen Europäer kaum erkennbar.

Emiratis in Heritage Village. Ihr Tanz erinnert an den Moonwalk.netz-trends.de

Nur so viel durchschaut man dann doch recht schnell: Die obersten Scheichs tragen zu offiziellen Anlässen oft goldene Gewänder oder wenigstens Gewänder, in die goldene Stoffbahnen eingewoben sind. Wer so einem Araber begegnet, sollte zumindest wissen: Wir sind hier vor einem arabischen Gott. Und ein arabischer Gott erwartet ein gebührliches Verhalten. Man sollte also keinen Fehler machen. Man sollte seine "Unterwerfung" - auch als westlicher Mann - deutlich machen oder zumindest symbolhaft andeuten. Emiratis sind Meister im Erkennen von kleinen Gesten. Auch sollte man das Bildungsniveau und die Weltläufigkeit von Emiratis nie unterschätzen. So verfügen viele Emiratis in Europa über eine Zweitwohnung oder ein Zweithaus. Besonders beliebt ist zum Beispiel München in Deutschland.

Abu Dhabi an Ostern ist wie Las Vegas an Weihnachten. Das heißt: Außer bunten Ostereiern im Büffet an der Hotelbar sehen wir nichts, was uns an das Christentum erinnert. Abu Dhabi ist das, was Deutschland in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war: Ein Wirtschaftswunder-Land das gerade auftaut. Das Geld muss irgendwo hin, das man den westlichen dekadenten Menschen über die Ölschraube aus der Tasche gezogen hat.

Doch gilt: Das Herrscherhaus in Abu Dhabi baut zwar repräsentative Anlagen und Gebäude - auch um Macht zu demonstrieren, aber auch um in die Zukunft des Landes zu investieren. Vieles davon ist dringend notwendig. So ist die Innenstadt von Abu Dhabi ein einziger architektonischer Schandfleck. Ein Hotel-Tower sieht schlimmer aus als der nächste, ein Bürogebäude ist widerlicher als der nächste. Das Ziel, mit dem Straßensystem, das man sich von New York abgeschaut hat, eine attraktive Megametropole auf dem Reißbrett zu entwerfen, ist gründlich danebengegangen. Es ist laut, es stinkt. Wir drücken uns in den Häuserschluchten herum, versuchen über die unförmigen, unansehnlichen und viel zu hohen Gehwege zu laufen, ohne zu stolpern. Wir suchen verzweifelt in Abu Dhabi City ein schönes Restaurant oder ein nettes Eiscafé. Doch es ist schwer ohne Restaurantführer.

Konspirative Mädchen die in Abu Dhabi Wasserpfeife rauchen

Schließlich landen wir in einem mit billigem Neonröhren-Licht bespielten Restaurant auf harten billigen Plastikstühlen am Rande eines Parks. Parks gibt es in Abu Dhabi einige, jedoch sind sie häufig nicht perfekt gepflegt, manchmal könnte man auch sagen, sie sind nicht perfekt gesäubert vom Müll einer Großstadt. Am Rande eines solchen Parkes setzen wir uns also unter Neonlicht in einem kleinen Restaurant draußen auf die Terrasse und bestellen einen Tee, da es Bier aus islamischer Tradition meist nur in Hotels gibt. Neben uns sitzt rechts eine Gruppe von recht westlich gekleideten arabischen Frauen.

Junge Frauen in Abu Dhabi abends beim Wasserpfeife Rauchen. Diese Frauen kleiden sich bereits deutlich weniger traditionell. Gruppen von Frauen oder Gruppen von Männern zeigen sich in der Regel nicht gemischt in der Öffentlichkeit. In Bussen gibt es sogar Nur-Frauen-Bereiche. netz-trends.de

Einige der Frauen im Restaurant, in welches wir eingekehrt sind, sitzen im rechten Terrassen-Bereich und tragen aber trotz Schleiers Jeans oder Röcke und rauchen die bei Arabern so beliebte Wasserpfeife Shisha. Die feminine Ecke wirkt geradezu konspirativ. Links sitzt wieder eine Gruppe von weiß umschleierten Emiratis. Auch sie rauchen Shisha. Die Burka, eine nahezu Komplettverhüllung der Frau, sieht man in Abu Dhabi kaum mehr, so auch hier nicht. Dafür sieht man aber selbst am Corniche-Beach zahlreiche Frauen die für westliche Augen erstaunlich viel Stoff am Strand anhaben.

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