Corona Mittelstand mit hoher Verschuldung, sinkenden Profiten, Finanzierungslücke durch Covid-19

Die von vielen auch als überzogen empfunden Maßnahmen zur Bekämpfung des Covid 19 Virus hinterlassen tiefe Spuren im Mittelstand. Darauf macht nun der französische nach eigenen Angaben weltweit führende Kreditversicherer „Euler Hermes“ aufmerksam.

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Mit obskuren Mitarbeiter-Tests versuchen einige Mittelständler herauszufinden, wie sie sich für die Zukunft besser aufstellen. Hier sollten im Jahr 2020 Mitarbeiter mit Spaghetti und Marshmallow in einem Schweizer Start-Up einen möglichst hohen Turm bauen. Wer nicht hoch genug hinauskam, wurde gefragt, ob man sich im Unternehmen noch wohl fühle. Absurdistan pur, wofür obendrein häufig von Personalabteilungen viel Geld ausgegeben wird. Denn für solche "Tests" holt man sich gerne externe BeraterInnen ins Haus.

- Europäische Mittelständler wiesen nach dem Corona-Schock eine sehr hohe Verschuldung, eine zum Teil erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung auf.
- Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Frankreich und Italien gehe die Covid-19-Pandemie an die Substanz.
- Der deutsche Mittelstand sei im Vergleich zu seinen europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen, behauptet Euler Hermes, ohne jedoch ausreichend zu begründen, wie der Versicherungskonzern zu dieser Annahme kommt.

Insbesondere in Frankreich und Italien gehe die Covid-19-Pandemie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) an die Substanz: Ihnen fehlten aktuell Finanzmittel in Höhe von schätzungsweise insgesamt rund 100 Milliarden Euro - trotz der umfangreichen Konjunkturpakete.

Milliarden-Problem beim Mittelstand

Auch in Deutschland fehlten KMU rund drei Milliarden Euro (Mrd. EUR) an Finanzmitteln zu einer ausreichenden Rekapitalisierung. Angesichts der fehlenden 70 Mrd. EUR in Italien und etwa 29 Mrd. EUR in Frankreich stünden die hiesigen Mittelständler allerdings weitaus besser da. Zu diesem Schluss komme der Kreditversicherer Euler Hermes.

"Europäische Mittelständler weisen eine sehr hohe Verschuldung auf, eine erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung", sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

"Das ist mittelfristig eine denkbar schlechte Kombination für die Zahlungsfähigkeit dieser Unternehmen. Insbesondere in Italien und Frankreich spitzt sich die Lage durch Covid-19 zunehmend zu, auch wenn die zahlreichen Konjunkturpakete zumindest eine kurzfristige Liquiditätskrise vermieden haben. Der deutsche Mittelstand hat sich abermals als relativ robust erwiesen und ist im Vergleich zu seinen europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen."

Aber auch in Deutschland ist die Verschuldung des Mittelstands durch zahlreiche Liquiditätsmaßnahmen gestiegen. Die Hilfe gab es meist in Form von Unternehmenskrediten, welche wieder zurückbezahlt werden müssen – oft mit hohen Zinsen. Insbesondere in Frankreich sei aber im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (81% des BIP) die Verschuldungsrate fast doppelt so hoch als in Deutschland (43% des BIP). In Italien sei die Verschuldung mit 65% des BIP ebenfalls überdurchschnittlich hoch im europäischen Vergleich (Durchschnitt: 63%).

Bei Profitabilität seien französische KMUs Schlusslicht in Europa

"Französische Mittelständler sind in Europa zudem in puncto Profitabilität inzwischen Schlusslicht, noch hinter Italien", behauptet Ana Boata, Leiterin Makroökonomie bei Euler Hermes. "Die Profitabilität französischer KMU ist seit Jahresbeginn um 7 Prozentpunkte (pp) drastisch gesunken im Vergleich zu -0,6 pp in Deutschland. In Italien dürfte die Profitabilität nach unseren Schätzungen ebenfalls um bis zu 3pp gesunken sein. Die Eigenkapitalquote ist in Italien mit 33% die niedrigste und damit deutlich unterhalb der 40%, die in der Regel als adäquat gelten. In Italien besteht demnach der größte Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln für eine Rekapitalisierung."

In Frankreich liege die Eigenkapitalquote der KMUs bei 37%, in Deutschland mit 39% nur knapp unterhalb der empfohlenen Kapitalausstattung. Bei der Analyse haben die Volkswirte die Unternehmen bereits herausgerechnet, die schon vor der Covid-19-Pandemie praktisch nicht überlebensfähig waren.

Chinas Covid 19 greift europäischen Mittelstand massiv an

"Ein Großteil der Mittelständler erweist sich auch in der aktuellen Krise als sehr robust, insbesondere in Deutschland, sagt Van het Hof. "Diese Tatsache, darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihrem Schatten in Europa zahlreiche Zombie-Unternehmen gibt - auch schon vor der Covid-19-Pandemie. In Italien waren beispielsweise schon vor der Krise rund ein Fünftel der Mittelständler wirtschaftlich eigentlich gar nicht mehr lebensfähig, in Frankreich (11%) und Deutschland (10%) waren es nur etwa halb so viele. Allerdings dürfte sich die Anzahl mit der aktuellen Krise sprunghaft erhöht haben, ebenso wie der Finanzierungsbedarf der KMUs. Besonders eng wird es für die Unternehmen und Branchen, die vor der Krise kaum Puffer hatten."

In Deutschland war die Eigenkapitalquote vor der Pandemie in der Transportbranche besonders niedrig: In der Schifffahrt lag sie bei rund 32%, in der Luftfahrt bei 29%. Mit Covid-19 hat sich die bestehende Finanzierungslücke nochmals vergrößert. In Frankreich und Italien hatten Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Maschinenbau und Handel besonders schlechte Ausgangspositionen und daher jetzt den größten Kapitalbedarf.

Intergrund Euler Hermes

Euler Hermes sei nach eigenen Angaben „weltweiter Marktführer“ im Kreditversicherungsgeschäft und „anerkannter Spezialist für Kaution und Garantien, Inkasso sowie Schutz gegen Betrug oder politische Risiken“. Das Unternehmen verfügt über mehr als 100 Jahre Erfahrung und biete „seinen Kunden umfassende Finanzdienstleistungen an, um sie im Liquiditäts- und Forderungsmanagement zu unterstützen“.

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