Völker Schlafstörungen? Unsere Vorfahren hatten auch nicht mehr Schlaf, sagt Studie

Es ist ein weit verbreitetes Gerücht: Schlafstörungen seien ein Phänomen oder zumindest eine übliche Erscheinung in vom Stress der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften geprägten Ländern. Internet, nächtliche Lichter, Fernsehen, Telefon, Job - all das produziere mehr Stress als es unsere Vorfahren gehabt hätten, wird gerne behauptet.

Bild: pixabay.com / PublicDomainPictures
Auch in früheren Zeiten schliefen die Menschen nicht mehr.

Zu der romantisch klingenden Mehr-Schlaf-These der Vorfahren sagen nun Wissenschaftler um Jerome Siegel, dem Director des "Center for Sleep Research“ an der 1919 gegründeten University of California in Los Angeles: Träume weiter. Die Wahrheit sei, sagt die Studie, dass man auch in früheren Zeiten nicht mehr geschlafen habe. Und Stress habe es in allen Gesellschaftsformen gegeben - früher vielleicht sogar mehr als heute: Offene Kriege, keine ausreichenden Gesetze zum Schutz des eigenen Lebens, der eigenen Hütte, keine elektronischen Heizsysteme - all das sorgte auch für Stress, vielleicht sogar für noch mehr Stress im Leben der Menschen.

Insgesamt wurden für die jetzt veröffentliche Schlafstudie drei unterschiedliche Gesellschaften aus der Vergangenheit untersucht. Mitglieder der Hazda, der San sowie der Tsimane. Auch diese hätten im Schnitt nur zwischen 5,7 und 7,1 Stunden pro Tag Schlaf gefunden.

Die Autoren schreiben im Journal Current Biology: "Sie schlafen nicht mehr als die meisten Individuen in Industriegesellschaften".

Schon 1880 stöhnten die Menschen über Schlafstörungen

Die Wissenschaftler aus Los Angeles sagen, dass Klagen, man fände heutzutage so wenig Schlaf, zurückdatierten in das Jahr 1880. Auch damals gehörten Aussagen, man habe schlecht geschlafen wegen Stresses, hervorgerufen durch Anforderungen von Industriegesellschaften, zum Alltag vieler Bürger.

Da eine direkte Beobachtung der Schlafgewohnheiten unserer Vorfahren eine Zeitmaschine nötig machte, nutzten die amerikanischen Schlafwissenschaftler einen Trick. Sie suchten sich Gesellschaften, die auch heute noch so leben, wie unsere Vorfahren und zwar so, als hätte es die industrielle Revolution nie gegeben. Zwei dieser drei Volksgruppen machte man schließlich in Afrika aus. Eine dieser Volksgruppen, die Hazda, lebt noch heute in der alten ehemaligen deutschen Kolonie Tansania und zwar im Norden. Sie leben noch heute vom Jagen und Fischen, kennt also auch keine Supermärkte.

Eine weitere Gruppe, die "San", lebt in Namibia, also ebenfalls zufälligerweise in einer ehemaligen deutschen Kolonie und zwar in der Nachbarschaft zu Südafrika. Auch sie sind weitgehend vom zivilisierten Leben abgekoppelt. Die dritte Gruppe lebt jedoch nicht in Afrika, sondern im Regenwald von Bolivien, die Tsimane. Die Forscher stellten fest, dass die Bürger all dieser drei Volksgruppen trotz dass sie keinen Zugang zu moderner Medizin haben, häufig über 60 Jahre alt werden, einige sogar über 80. Daraus schließen die Schlafforscher, dass die Lebensgewohnheiten dort sich nicht negativ auf deren Gesundheit auswirkt.

Auch Naturvölker gehen nicht sofort nach Sonnenuntergang ins Bett

Eine weitere Erkenntnis der Studie: Keine der untersuchten Volksgruppen sei mit Einbruch der Dunkelheit schon ins Bett gegangen. In der Regel hätten sie noch gut 2,5 bis 4,4 Stunden auch nach Sonnenuntergang wach in der Gemeinschaft verbracht.

Einfluss auf die Schlafgewohnheiten haben aber wohl in allen untersuchten Volksgruppen die Jahreszeiten. Während die Hazda nahe am Äquator leben und kaum Jahreszeitenschwankungen haben, sieht es bei den San und Tsimane anders aus. Hier gibt es deutliche Temperaturschwankungen durch die Jahreszeiten. Entsprechend konnte ein verändertes Schlafverhalten in der Studie ausgemacht werden.

In der kühleren Jahreszeit, im Winter, schliefen die San im Schnitt 53 Minuten länger, als im Sommer. Bei den Tsimane sah es ähnlich aus. Hier hielten sich die Menschen im Schnitt 56 Minuten - also ebenfalls gut eine Stunde - länger schlafend täglich im Bett auf. Nachträglich erklärten die Wissenschaftler, sie seien selbst verblüfft gewesen, wie ähnlich sich die Schlafgewohnheiten in den Naturvölkern mit den heutigen ähnelten. Vor allem sei eine wichtige Erkenntnis: Unser Schlaf sei heute nicht kürzer, als eben in diesen Volksgruppen, die McDonald, Maxdome & Co, oder die arbeitstechnischen klassischen Anforderungen von Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften nicht kennen.

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