U.S. Schiebt Axel Springer für 306 Mio. Euro über Business Insider und BI Intelligence seine E-Commerce-Geschäfte an?

Kommentar – Die Axel Springer SE aus Berlin (Bild-Zeitung, Die Welt, Idealo, Computer Bild, N24, Produktion Sat.1 Frühstücksfernsehen) kauft für 306 Millionen Euro das englischsprachige amerikanische Onlineportal Business Insider. Das Portal besteht aus einem Infopool rund um das Digital Business (Bezahldienst), als auch lockere journalistisch aufbereitete Sensations-Meldungen. Journalistisch ist Business Insider ein bisschen so, wie das in anglikanischen Ländern sehr erfolgreiche junge mehrsprachige Online-Magazin vice.com. Die Übernahme macht nur Sinn, da Springer verstanden hat: Die Welt spricht englisch und wer mitsprechen will – sowohl im Digital Business als auch auf globaler politischer Ebene - muss englische Medien haben und eine umfangreiche englischsprachige digitale Datenbank.

Greift in die anglikanische Infoszene rund um Start-Ups: Axel Springer.

Fakt ist, dass Axel Springer in Deutschland auf dem Weg ist, zu einem wichtigen Player auch im E-Commerce zu werden. Das Unternehmen um Vorstandschef Dr. Mathias Döpfner hat verstanden: Ohne Internationalisierung von E-Commerceportalen geht es nicht. Hinzu kommt: Wer den teuren Schritt hin zu einer internationalen Expansion gehen möchte, hat zwei Optionen: Entweder man verfügt über eine ausreichend gefüllte Kriegskasse oder man benötigt Venture Capital, also Fremdkapital. Wenn wir eines in den vergangenen 15 Jahren gelernt haben, dann dieses: Über 90 Prozent des Venture Capitals für das Internet Business fließt entweder in amerikanische Start-Ups (Uber, Airbnb etc.) oder in britische. Damit wurden Facebook groß, Google, Airbnb, Uber, Priceline, Expedia, Amazon, eBay, Yahoo, Oracle und viele mehr.

Obwohl Deutschland weltweit einer der drei wichtigsten und umsatzstärksten E-Commercemärkte weltweit sein dürfte (nach den USA und Japan sowie vor China), fließt so gut wie kein internationales Fremdkapital in deutsche Start-Ups oder E-Commerceportale. Doch es gibt eine Ausnahme: Rocket Internet. Warum? Da Rocket um Oliver Samwer es versteht, mit international hochgezogenen rund 500 Webseiten (bei circa 45 Kernmarken) Fremdkapital an Land zu ziehen und damit in englischsprachige Medien zu kommen. Da kaum ein amerikanischer, philippinischer, schwedischer oder kanadischer Investor deutsch spricht, sind jene E-Commerceanbieter im Vorteil, über die in Englisch in der internationalen Finanzpresse und sonstigen Presse, auch online, berichtet wird.

Das heißt: Axel Springer erkennt, dass man für eine weltweite E-Commerce-Expansion Fremdkapital langfristig benötigt und damit Partnerschaften. Dass man dieses aber nur erhält, wenn auch in großen englischen Medien über solche Portale geschrieben wird. Dabei kommt es nicht auf große Porträts an, sondern ebenso auf kleine Meldungen. Manchmal genügte es im Fall von Rocket Internet schon, dass AFP eine Meldung streut, Investor xy hat in Rocket-Portal xy investiert. Das zieht dann weitere Investoren nach sich.

Lernt Springer von Rocket Internet?

Dass dieses Prinzip aus medialer Berichterstattung und Investments keiner so gut verstanden hat, wie Oliver Samwer, ist seit Jahren klar. Aber auch ein Samwer hätte das nicht so einfach hinbekommen, wenn ihm nicht vor über 15 Jahren der weltweit beachtete Verkauf seiner damaligen Online-Auktionsplattform an eBay geglückt wäre. Damit konnte Oliver Samwer eine Schneise in die mediale anglikanische Berichterstattung schlagen, von der er bis heute zehrt.

Es ist schwer vorstellbar, dass Mathias Döpfner Business Insider gekauft hat, da er damit plötzlich seine Liebe zum Journalismus wieder entdeckt hat. Dabei stimmt durchaus: Das Produkt passt zur WELT-Gruppe (Die Welt, Welt am Sonntag, N24), aber auch zum oftmals etwas boulevardesk angehauchten Portal Gruenderszene, das auch über die Startups-Szene vor allem in Deutschland aber auch weltweit berichtet. Doch weder DIE WELT noch die Gründerszene werfen wirklich viel cash ab. Döpfners Ehrgeiz muss also aus einer anderen Ecke wehen.

Journalismus eigenen sich, um eigene E-Commerceportale weiter voranzutreiben und Investoren auf Springer-Projekte – aktuelle oder künftige – neugierig zu machen. Natürlich eigenen sich Springers Medien, auch die Portale, ebenso gut, um Konkurrenten im E-Commercebereich beispielsweise journalistisch schlecht zu machen und damit am Finanzmarkt zu schädigen. Ob das geschieht, wird man beobachten müssen.

Bekannt ist, dass Springer schon bislang rund 9 Prozent der Anteile am Business Insider hatte. Die jetzt durchgezogene Übernahme wurde angeblich auf Grund einer bestehenden Kreditlinie von Axel Springer finanziert. Jetzt besitzt das Berliner Medienhaus Springer 97 Prozent am Business Insider. Die restlichen drei Prozent liegen bei Amazon-Gründer Jeff Bezos, der die Anteile über seine private Anlagegesellschaft Bezos Expeditions hält.

Mit den jetzt von Axel Springer bezahlten Millionen wird der gesamte Kaufpreis des Business Insiders auf 394 Millionen Euro beziffert, also 442 Millionen US-Dollar.

Will Springer zum nächsten Bloomberg werden?

Interessant dürfte für Springer auch sein, dass der Business Insider anzeigenfinanziert ist, also ad-finanziert und damit über weltweit neue Geschäftskontakte im Online-Business verfügt. Hinzu kommt der kostenpflichtige abonnementbasierte Forschungs -und Informations-Service namens BI Intelligenz (intelligence.businessinsider.com). Das erinnert an die üblichen weltweit aktiven Business-Informationsdienste wie Bloomberg oder Thomson Reuters. Ein Milliarden Euro Markt also. Auch hier dürfte sich Axel Springer phantastische Wachstumschancen errechnen. Über BI Intelligence heißt es:

"BI Intelligence is a subscription-based syndicated research and information service brought to you by Business Insider. Fortune 1000 companies, startups, digital agencies, investment firms, and media conglomerates rely on BI Intelligence’s timely, cutting edge reports and insight to keep atop the trends shaping the digital landscape! We offer insights and tools essential to decision-making in mobile, digital media, e-commerce, Internet of things, and payments in the form of in-depth reports, a data library, and daily intelligence briefings delivered by email. If you are sourcing, setting or executing digital strategy, you’ll find BI Intelligence invaluable."

Business Insider wurde im Jahr 2007 als Silicon Valley Insider gegründet. Im Jahr 2009 wurde das jetzt von Springer übernommene Portal im Rahmen eines Rebranding zu BI umbenannt. BI-Gründer sind der CEO und Editor-in-Chief Henry Blodget gemeinsam mit dem COO und Präsidenten Julie Hansen. Beide werden im Amt bleiben.

BI beschäftigt derzeit rund 325 Menschen, wobei gut die Hälfte Journalisten seien. Wie viele davon festangestellt sind oder freie Mitarbeiter, ist nicht klar. Zwar ist der Business Insider vorwiegend in den USA erfolgreich, doch es gibt auch Ausgaben in sieben weiteren Ländern. Zudem wird eine deutsche Ausgabe geplant, welche von dem Springer-Titel finanzen.net bestückt werden soll. Startschuss dafür ist das 4. Quartal 2015 – also die kommenden Wochen.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und ehemaliger Chefredakteur von der Hamburger Morgenpost oder DIE WELT, sagte, der BI-Deal würde sehr gut in das wachsende Geschäftsfeld digitaler Reichweite passen. Dabei sei der Business Insider auch deshalb von Interesse, da "Henry Blodget über den Weg des Digital Storytelling die Entscheidungsträger von morgen" erreiche.

Springer wolle damit, so Döpfner, seine Kräfte für Wachstumspotentiale bündeln, und das Portfolio rund um Business Insider so erweitern, dass neue Geschäftsfelder hinzukommen könnten, auch neue Standorte. Was Mathias Döpfner nicht sagte: Mit Business Insider erreicht er nicht nur die Entscheider von morgen, sondern vor allem die von heute – jene, die er für seine Ziele der E-Commerce-Expansion und politischen Kommunikation – beispielsweise im Rahmen digitaler Gesetzgebungsvorhaben - gebrauchen kann.

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