Wettbewerbsschädigend? Antitrust: EU-Kartellverfahren gegen Google Inc., dem weltgrößter Internet-Konzern?

Viele werfen dem amerikanischen Konzern Google vor, eigene Geschäftsbereiche zu Lasten des Wettbewerbs zu forcieren. Dabei stehen die folgenden Geschäftsfelder besonders und weltweit zunehmend kritisch im Fokus der Wettbewerbshüter:

Verstößt die Google Inc. nun gegen das EU-Wettbewerbsrecht oder nicht. Das könnte schon bald in einem offiziellen Kartellverfahren von der EU geklärt werden.

Bereits seit Jahren fordern in der Europäischen Union (EU) mittlerweile Hunderte Unternehmen und Politiker – darunter auch die Axel Springer SE – wonach der weltgrößte Internet-Konzern Google Inc. unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Wettbewerbsverzerrung in zahlreichen elementaren Wirtschafts-Gebieten zu untersuchen sei.

Google Products: Preisvergleichs-Angebot mit Provisionsmodell; soll unabhängige Preisvergleichsseiten in die Defensive bringen.

Google Local: Adressverzeichnis – soll Gelbe Seiten & Co den Garaus machen.

Google Hotels: Hotel-Vermittlung – soll Reisebüros stationär wie online Konkurrenz machen und Geschäft abnehmen.

Google Compare: Finanzvermittler- und Verkäufer; soll Finanzmaklern und Versicherungsvertretern, auch den Versicherungen und Banken selbst Geschäfte streitig machen.

Google Flights: Flugticket-Vermittler- und Verkäufer; soll Reisebüros offline wie online Konkurrenz machen und Geschäft abnehmen.

Google Internetsuchmaschine: Weltgrößter Zugang in das WWW. Alleine in der EU wird der Marktanteil bei Suchmaschinen-Anfragen der 500 Millionen EU-Bürger im Falle von Google auf über 90% geschätzt.

Google Chrome: Web-Browser; soll Internet Explorer, Mozilla Firefox & Co weitere Marktanteile abnehmen.

GMail: E-Mal Provider, welcher von über 1 Milliarden Menschen weltweit genutzt wird. Problem: Auf Android-Smartphones oder Android-Tablet-PCs wird GMail (Google Mail) zwangsweise von über 1 Milliarden Smartphone-Nutzern abverlangt.

Google Maps: Kartendienst. Kritisch bewertete man jahrelang die Datensammelei.Außerdem sollen andere Kartenanbieter in zahlreichen Fällen faktisch eliminiert worden sein.

Google Android: Betriebssystem für Handys oder Tablet-PCs auf 1 bis 2 Milliarden Endgeräten.

Google Play: Weltweit wichtigstes Tor zu Millionen von Apps; Geschätzter Marktanteil über 80% weltweit.

Google Cars: Möchte mit selbstfahrenden Autos, den sogenannten Google Autos, VW, Nissan, Audi, Toyota & Co Konkurrenz machen.

Google Adwords, Google Adsense: Neben den skizzierten Geschäftsfeldern ist Google der weltweit mächtigste und reichste Werbekonzern.

Niemand kann im E-Commerce in der EU ernsthaft Geschäfte ohne Google machen

Der Umstand, dass die Google Inc. der weltgrößte Werbekonzern ist - vor allem Dank seiner Google-Adwords-Anzeigen - bedeutet, dass niemanand im E-Commerce in der EU ernsthaft Geschäfte machen kann, ohne eine Zwangs-Ehe mit dem amerikanischen Mega-Konzern Google einzugehen. Der Hebel von Google ist, dass man einerseits mit seinem Angebot in den "natürlichen" von Google vorgegebenen Treffern auf Suchanfragen von Verbrauchern gefunden wird (was nicht einfach ist) und gleichzeitig in Google Werbung schalten muss, möchte man in den Werbeblöcken vorkommen. Da aber ein Großteil der 500 Millionen EU-Nutzer in über 50% der Fälle geschätzt auf die ersten drei Treffer in Google klickt, kommt man kaum umhin, da sich mit Werbe-Ausgaben einzukaufen.

Zu nennen sind hier insbesondere die Bereiche Google Adwords (Anzeigen über, rechts und unter den Google-Suchergebnis-Treffern in der Suchmaschine), Google Adsense (Anzeigen auf Hunderttausenden Webseiten weltweit), sowie Sponsoring-Anzeigen (teils grenzwertig im Schleichwerbe-Bereich) auf YouTube-Videos (besonders der sogenannten "Youtube-Stars").

Da die Werbekunden bei Google pro Klick auf eine Anzeige Geld bezahlen müssen (nicht für das reine Einblenden), ist dies längst zu einem Milliarden-Markt geworden. Große deutsche E-Commerce-Unternehmen überweisen an die Google Inc. seit Jahren teils über 100 Millionen Euro jährlich für die Möglichkeit, in Google Werbung zu schalten.

Problem: Die Preise werden auf der Google-Börse zwar offiziell versteigert, doch spielt neben dem Kritierium - wie dem gebotenen Höchstpreis - auch die Google-Konten-Historie eine zentrale Rolle. Das heißt: Wer schon seit zehn Jahren in Google Werbung schaltet, bezahlt teils ein Drittel weniger für die gleichen Werbeanzeigen als andere Kunden. Was am Anfang von Google vor Jahren ein sinnvolles Geschäftsmodell war – und auch weltweit in anderen Werbebereichen Praxis ist – gerät in Google aber immer mehr zu einem Haupt-Hindernis für Wettbewerb.

Neukunden zahlen für Google-Anzeigen bis zu einem Drittel mehr, als Altkunden / Auch das beschränkt den Wettbewerb

Denn wenn Neukunden teils in Google Adwords teils bis zu einem Drittel mehr für gleiche Werbeplatzierungen wie Alt-Kunden bezahlen, bedeutet das auch: Das lässt sich aus der normalen Geschäfts-Tätigkeit vor allem im E-Commerce (Vermittlung von Reisen, Finanzen, Autos, Immobilien etc.) kaum mehr refinanzieren. Die sogenannten Conversion Rate ist einfach zu schlecht. Unter einer Conversion Rate spricht man im Internet, möchte man wissen, wie viele Kosten man zu tragen hat, um Gewinn zu erwirtschaften.

Fakt ist auch: Derzeit tobt in Deutschland vor allem im Finanzbereich ein Krieg rund um Google:

So versucht beispielsweise check24 mit massiven Werbekampagnen im TV, aber auch in Google oder YouTube Konkurrenten wegzudrücken und auch damit den Wettbewerb – beispielsweise im Bereich der Vermittlung von Versicherungstarifen – zu schmälern. Das Problem: Viele Wettbewerber können die auch von check24 immer höher getriebenen Preise für Google Anzeigen (Google Adwords) nicht mehr bezahlen.

Selbst Versicherungs-Konzerne müssen nach Schätzungen von Kennern mittlerweile pro Klick auf eine Google Anzeige im Versicherungsbereich bis zu 17 Euro bezahlen. Für normale Preisvergleichsportale ist das ein ruinöser Wettbewerb. Warum wird es dennoch gemacht:

Im Falle von Check24 gehen Kenner davon aus, dass das Münchner Portal alleine in den vergangenen Monaten über 35 Millionen Euro für Google-Anzeigen "rausgeschmissen hat, um Wettbeweber zu verdrängen", sagt ein Kenner der Szene. Dabei gehe er davon aus, "dass das auch für check24 eigentlich längst nicht mehr profitabel ist, aber eben gemacht wird, um Marktanteile zu halten oder anderen diese wegzunehmen" – im Finanzbereich aber auch zunehmend im Reisebereich. Lachender Sieger ist so oder so Google.

Google und Apple sind an der Börse mehr wert, als die Hälfte aller 30 deutschen Dax-Konzerne

Was auch die Wettbewerbshüter der EU zunehmend stört, ist die gesamtwirtschaftliche digitale Übermacht der Amerikaner - nicht nur von Google, sondern auch von Apple oder Facebook. So liegt alleine der Börsenwert der beiden US-Megakonzerne Google und Apple bei über 1000 Milliarden Dollar. Das ist mehr, als die Hälfte des Börsenwerts aller 30 deutschen Dax-Konzerne zusammen (Mercedes, Deutsche Bank, Fresenius, Siemens etc.).

Doch ob es zu einem offiziellen Kartellamts-Verfahren der EU-Kommission gegen Google kommt, ist noch nicht klar. In einem ersten Schritt möchte nun die EU Unterlagen publizieren, welche von Wettbewerbern eingereicht wurden und dokumentieren sollen, dass die Google Inc. ihr Monopol in zahlreichen Geschäftsbereichen dazu missbraucht haben soll, um Wettbewerber zu verdrängen oder schlicht komplett aus einem Marktfeld zu verbannen.

In Deutschland kursieren beispielsweise seit gut einem halben Jahr Charts im Bundeswirtschaftsministerium, die belegen sollen, wie Google 2014 innerhalb von Monaten die größten deutschen Preisvergleichsseiten durch eine faktische Reduzierung ihrer Auffindbarkeit in Google um durchschnittlich rund 80% Sichtbarkeit in Google und damit um rund 80% Umsatz und Gewinn gebracht haben soll. Auf den Charts sind Preisvergleichsportale wie idealo.de, günstiger.de oder preisvergleich.de zu sehen. Doch offiziell äußern mag sich derzeit kaum jemand dazu – groß ist die Angst vor Google.

Da in Deutschland gut 95% der Suchanfragen über die Internetsuchmaschine Google laufen, bedeutet eine Reduzierung der Visibility – also der Sichtbarkeit in Google - eine fast im Gleichschritt einhergehende Reduzierung von Geschäftsmöglichkeiten. Erst seit Oktober 2014 stellte Google plötzlich die Sichtbarkeit von zahlreichen deutschen Preisvergleichsseiten wieder einigermaßen her.

Deutsches Bundeswirtschaftsministerium soll über Googles Herabstuftung unabhängiger Preisvergleichs-Seiten nicht amüsiert gewesen sein

Doch Fakt ist: Amüsiert war man im deutschen Bundeswirtschaftsministerium unter dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) über einen solch offensichtlichen Machtmissbrauch bei Google nicht. Es heißt, diese Charts lägen mittlerweile auch der EU-Kommission vor.

Dass es möglicherweise nun doch zu einem Kartellrechtsverfahren in der Europäischen Union gegen Google kommen könnte, darüber berichtet nun das weltweit in Wirtschaftskreisen gelesene Wall Street Journal aus den USA. Die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kündigte bereits im Dezember 2014 an, wonach man das gegen die Google Inc. seit Jahren in der EU laufende Verfahren neu aufrollen könnte. So wird Vestager mit den folgenden Worten zitiert:

"Wir haben Fragenkataloge an Adressaten in verschiedenen Bereichen wie Karten und Reisen geschickt, um frischere Informationen zu bekommen. Es ist schon eine Weile her, als das zuletzt gemacht wurde."

Zwar hatte die EU im September 2014 der Google Inc. – einem Unternehmen mit dem Umsatz des Siemens-Konzerns – noch einmal die Hand zu einem Wettbewerbs-Kompromiss gereicht, doch die Könige des Silicon Valley hatten das abgelehnt. Darüber sei man in der EU nicht gerade amüsiert gewesen, heißt es. Vielmehr habe man dieses Verhalten "sehr, sehr negativ" gewertet.

Hinzu kommt eine Abstimmung im Europaparlament in Straßburg, welches von deutschen und spanischen EU-Abgeordneten vorangetrieben worden war. Es endete damit, dass die Mehrheit der EU-Parlamentarier für eine mögliche Zerschlagung der Google Inc. gestimmt hatten. Als Vorbild mögen einige Mandatsträger das Antitrust-Verfahren gegen das Rockefeller-Konglomerat Standard Oil Anfang des 20. Jahrhunderts vor Augen haben.

Auch wenn man damals das Rockefeller Öl-Konglomerat höchstrichterlich zerlegte, so existiert es aber auch im 21. Jahrhundert weiter. Gemessen am Umsatz rangiert es in Form von Exxon Mobile sogar weltweit auf Platz 1 der weltgrößten Konzerne. Möglich ist dies auch deshalb, da der US-Gesetzgeber plötzlich Mitte der 1990er Jahre eine Fusion von Exxon mit dem Konkurrenten Mobile genehmigt hatte.

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