Komplexe IT Smart Home: Glühbirne kann das Haus lahm legen


Der Traum vom perfekten Haus. Ist das Smart Home wirklich die Lösung?
Bild: nt

Auch wenn ein großer deutsche Digital-Branchenverband - Bitkom - mitteilte, wonach man davon ausgehe, dass bereits um das Jahr 2020 rund eine Millionen Haushalte in Deutschland Technik von Smart Home installiert hätten:

Es gibt Zweifel, ob der durchschnittliche Bürger die anspruchsvolle Technik von Smart Home, Smart Energy, Smart Security oder Connected Aging auch versteht und im Problemfall die richtigen Lösungen findet, ohne dass für Fachkräfte jedes Mal Hunderte oder Tausende Euro bezahlt werden müssen. Wie komplex ein Smart Home funktioniert, darauf verweist nun auch ein interessanter Artikel von Autor Hakan Tanriverdi auf sueddeutsche.de.

Demnach habe in einem Smart Home eine einzige kaputte Glühlampe genügt, um Technik eines komplett vernetzten Smarthome in weiten Teilen außer Kraft zu setzen. Möglich war dies, da wohl eine Glühbirne nicht mehr funktionierte. Autor Tanriverdi schildert den Fall des Berliner Robotik-Wissenschaftlers Raúl Roja. Er hatte bereits 2008 ein Haus gebaut, welches die Smart Home These versuchte bestmöglich umzusetzen. Doch dies sei nicht ohne erhebliche Probleme abgelaufen.

Zum einen gibt es nach wie vor keine Smart Home Technik welche als Komplett-Lösung mit unterschiedlichsten Herstellern auf Grund von Industrie-Standards vernetzbar ist. Zu gerne kochen die beteiligten Unternehmen noch ihre eigenen Süppchen - ganz nach dem Vorbild von Apple: Bloß keine Konkurrenten an den Tisch lassen.

Doch eine solche unternehmerische Denke führt dazu, dass gerade kleinere innovative Anbieter sich häufig - zum Nachteil der Verbraucher - mit ihren Ideen am Markt nicht durchsetzen können. Rojas arbeitet als Wissenschaftler für Künstliche Intelligenz an der Freien Universität (FU) in Berlin. Deshalb seine Nähe und sein Interesse an möglichst intelligent vernetzten Lösungen.

Smart Energy im Smart Home: "Zwei Mauern, dazwischen eine Lücke, isoliert mit Mineralwolle"

Da zu einem modernen Smart Home auch Smart Energy gehört, also eine möglichst energieeffiziente Bauweise, legte der Berliner Wissenschaftler ebenfalls hierauf Wert. So erklärte er gegenüber der sueddeutschen, wie er das in seinem Haus bewerkstelligt habe: "Zwei Mauern, dazwischen eine Lücke, isoliert mit Mineralwolle".

Doch trotz seines Anspruchs, möglichst alles perfekt zu vernetzen, um dem Ideal eines Smart Home möglichst nahe zu kommen, ist eine von Rojas nachträglichen Erkenntnissen, dass in seinem Fall eine defekte Glühbirne ausgereicht habe, Teile seines wohl sehr zeitaufwendig und teuer erbauten Smart Homes lahm zu legen. Der Grund ist so trivial wie problematisch: Umfangreichere komplexe Systeme neigen dazu, dass kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Es greift also das berühmte Sprichwort der Chaostheorie: Manchmal genügt bildlich gesprochen ein Flügelschlag eines Schmetterlings um eine Lawine auszulösen oder einen Zyklon.

Ganz so schlimm traf es den Berliner Smart Home-Bauer nicht, doch nervenaufreibend scheint die Suche nach dem Fehler in seinem Smart Home gewesen zu sein. Wenn alles miteinander vernetzt ist und über eine App gesteuert werden soll - vom Nachthimmel im Schlafzimmer eines (seines) Hauses, bis hin zur Indoor Beleuchtung und Outdoor Beleuchtung, der Waschmaschine, den Jalousien oder der Heizungen, genügt ein kleiner Fehler, Defekt, um im schlimmsten Fall alles lahm zu legen.

Normale Bürger sind mit der Fehlersuche eines solchen Systems naturgemäß komplett überfordert. Die meisten - auch viele Akademiker - blicken bereits wie ein Schwein ins Uhrwerk, wenn sie von Kabel Deutschland ein Paket mit neuesten Routern zugeschickt bekommen, welches sie selbst installieren müssen (obwohl uns ein Fall bekannt ist, in welchem die Hotline von Kabel Deutschland groß erzählt hatte, man schicke einen Techniker – der dann aber doch nicht kam).

Auch im Smart Home geht ein Geschirrspüler kaputt

Bislang gilt: Das System Smart Home ist bei weitem nicht ausgereift. Ob ein geschlossenes System überhaupt Sinn macht - auch im Hinblick auf Kosten für den Bürger -ist noch nicht geklärt. Alle 12 bis 15 Jahre, sagt man, gehe ein guter Marken-Geschirrspüler kaputt. Doch in einigen Fällen muss der Reparatur-Service von AEG oder Siemens auch schon früher ran. Doch das verlangt gewisse finanzielle Ressourcen beim Auftraggeber:

Schüttet ein Hausmann oder eine Hausfrau in die Salzmaschine des Geschirrspülers aus Versehen nicht Salz, sondern Geschirrspülmittel, ist das Salzwerk des Geschirrspülers umgehend unumkehrbar defekt und muss ausgewechselt werden. Kostenpunkt: Rund 130 Euro. Spinnt die Elektronik eines Geschirrspülers, müssen auch hier rund 130 Euro bezahlt werden. Im Falle von AEG bekamen wir folgendes Angebot: Circa 80 Euro Anfahrtskosten und dann je angefangene fünf Minuten 8 Euro Reparaturkosten. Das heißt: Alleine für einen Geschirrspüler, dessen Elektronik defekt ist und das Salzwerk, sollten wir zwischen 400 und 500 Euro Reparaturkosten bezahlen (außerhalb der Garantiezeit). Ein Neugerät hätte um die 600 Euro gekostet.

Das heißt im Umkehrschluss: Ein komplett vernetztes Smart Home mit Smart Energy und Smart Security hat nicht nur Technik im Wert von vielen Tausend - eher zehntausenden Euro – sondern verfügt zusätzlich über eine technische IT-Komplexität, welcher ein normaler Bürger nicht beizukommen ist.

Die meisten Menschen kennen sich mit IT-Technik nicht groß aus

Zu dieser Erkenntnis kommt auch der Berliner Robotik-Forscher Rojas, der viel Zeit und Wissen aufwenden musste, um festzustellen, dass ein Steuerungs-Problem in seinem Smart Home letztlich wahrscheinlich auf eine einzige kaputte Glühbirne zurückzuführen war. So sagte er: "Für Menschen, die keine Ahnung haben, wie diese Technik funktioniert, ist es sehr schwer, diesen Fehler nachzuvollziehen."

Noch schwieriger wird die Fehlersuche in einem vernetzten Haus, welches auf unterschiedlichste Systeme zurückgreift (was die Regel ist). Das bedeutet aber: Schon eine Hausverwaltung eines Berliner Mietshauses bringt es nicht auf die Reihe, einen Reparaturdienst für den Kühlschrank und den Geschirrspüler in einer Person zu organisieren. Folgendes Beispiel erlebten wir kürzlich:

Der Dichtungsring an der Türe des Liebherr Kühlschranks war defekt und musste ausgewechselt werden. Ebenfalls war der Dichtungsring des Wasserhahns auf der Spüle undicht und ließ unschöne Wasser- und Kalkränder entstehen, welche sich über Teile der Geschirrspüle ausbreiteten. Zwei kleine Probleme mit einer großen und teuren Lösung: Die Hausverwaltung schickte zwei unterschiedliche Fachkräfte von zwei unterschiedlichen Fremdfirmen.

Nimmt man die Anfahrtskosten und Reparaturzeit, summierte sich das erheblich: Der Ausbau- und Einbau des Wasserhahns dauerte gute zwei Stunden. Das Auswechseln des Dichtungsrings der Kühlschranktüre, auch deren Fixierung, nahm eine weitere Stunde in Anspruch. Die Kosten für diese beiden Fachkräfte zur Behebung relativ simpler Probleme beliefen sich auf gut 200 Euro zuzüglich Materialkosten. Die Gesamtrechnung dürfte also gut und gerne bei 300 Euro gelegen haben. Das ist viel Geld für relativ einfache Haushaltsprobleme.

Smart Home Systeme sind komplex - zu komplex für den normalen Bürger

Dass IT-Experten teuer sind, ist bekannt. Das gilt auch für IT-Fachleute, die zur Reparatur von Systemfehlern in einem Smart Home herbeigerufen werden müssen. Zumal, wenn das Smart Home System aus vielen unterschiedlichen Komponenten unterschiedlichster Hersteller und Lieferanten besteht. So kommt denn auch Wissenschaftler Rojas zu der Überzeugung, wonach "solche Menschen", die komplexe Systeme reparieren könnten, "eher schwer zu finden" sein.

Heißt: Es könnte nicht mehr lange dauern, wo reiche Familien nicht nur permanent über eine Haushälterin verfügen, sondern auch einen IT-Experten, der auf Abruf bereitsteht. Als Vorbild dienen die in Unternehmen bekannten Systek-Abteilungen, die bei Problemen mit der Technik ins Büro kommen und im Idealfall zeitnah helfen.

Immerhin: einen Tipp hat Rojas für Fans von Smart Homes. Er selber nutze Produkte der italienischen Firma Bticino. In der sueddeutschen sagte er: "Der Vorteil ist, dass es dort eine Community gibt". So kann er sich austauschen, wenn es Probleme gibt. Und potentielle Probleme gibt es auf Grund eines nicht vorhandenen einheitlichen Industrie-Standards für Smart Homes oder Smart Security, auch Smart Energy, mehr als genügend. Denn ausgereift ist noch kein System.

Rückblickend erklärt der Wissenschaftler, warum es in seinem Fall so schwer gewesen ist, herauszufinden, warum denn nun plötzlich alle Lampen in seinem Haus nicht mehr funktionierten. Denn jedes Mal, wenn die Lampen Informationen über ihr Funktionieren- oder Nicht-Funktionieren ihm digital melden sollten, war eine Informations-Blockade dar. Dies sei wohl, so die Überzeugung des Robotik-Fans, auf eine ungewollte DoS-Attacke zurückzuführen. Was das nun wieder ist - dies wissen nur ausgewiesene IT-Fachleute, wohl eher aber nicht die Mehrheit jener einer Millionen Menschen, die laut Bitkom 2020 bereits über ein Smart Home verfügen könnten.

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