FCC-Regeln: Netzneutralität in den USA von Gericht gekippt

Bislang galt nach den FCC-Regeln, wonach beispielsweise die Internet Service Provider allen am Internet Beteiligten für den komplette Datenverkehr gleichberechtigten Zugang über ihre Netze anbieten müssen, also jeglichen Web-Traffic, egal welches Datenvolumen er mit sich bringt, gleich zu behandeln.

Foto: FCC
Herbe Niederlage der FCC im Kampf für ein freies Internet. Hier die Kommissions-Mitglieder links nach rechts: Ajit Pai, Mignon Clyburn, Chairman Tom Wheeler, Jessica Rosenworcel, Michael O’Rielly.

In den USA hat nun ein Berufungsgericht die bislang geltenden strengen FCC-Regeln (Federal Communications Commission) zur Netzneutralität gekippt. Die FCC-Regeln sorgen seit 1996 für eine Open Access-Policy fürs Internet in den USA.

Die FCC-Regeln der Federal Communications Commission sollten bislang einerseits für einen Ausgleich zwischen Konzernen und kleineren Internet-Anbietern sorgen, aber auch vor allem dafür sorgen, dass jeder - unabhängig von seiner Unternehmensgröße und Finanzkraft - das Internet für sich, seine gesellschaftlichen, sozialen oder sonstigen Anliegen, oder seine Geschäftsmodelle und Geschäftsideen, nutzen kann.

Das bedeutete bislang beispielsweise, dass die mächtigen amerikanischen Milliarden-Telekommunikationskonzerne, wie Verizon oder AT & T, kostenlos anderen den Zugang zu ihren Netzen gewähren mussten, auch zu den High-Speed-Internet-Netzen. Von dieser Regel profitierten beispielsweise auch Unternehmen wie ESPN oder Facebook.

Künftig scheint es nun so zu sein, dass die Telekommunikationskonzerne, welche über die Netz-Leitungen verfügen, von Unternehmen und sonstigen Institutionen oder Personen Gebühren für die Nutzung des Internet abknöpfen können.
Damit könnten die USA Vorreiter für einen weiteren Schritt in Richtung Monopolisierung der Machtstrukturen im Internet zu Gunsten weniger sein. Das jetzige Gerichtsurteil des US-Berufungsgericht für den District of Columbia beruht gerade einmal auf der Meinung von 2 Richtern die für ein Ende der Netz-Neutralität stimmten und nur einem Richter, der sich weiterhin für ein neutrales und offenes Internet eingesetzt hatte.

US-Medien, wie die Los Angeles Times, schreiben, wonach das Gerichtsurteil das Potenzial habe, "die Telekommunikations-und Unterhaltungsindustrie auf den Kopf zu stellen". Dass sich überhaupt ein hohes Gericht in den USA mit den Regeln des Open-Internet-Access auseinandersetzte, liegt an einem Antrag des Milliarden-Konzerns der Telekommunikationsindustrie, an Verizon.

Senator John McCain beendet das Ende der Netzneutralität in den USA

Das Unternehmen hatte beantragt, dass die geltenden FCC-Regeln aus dem Jahr 2010 gerichtlich überprüft und eventuell gekippt werden. Das scheint nun gelungen zu sein. Dabei bejubelt das Ende der Netz-Neutralität kein Geringerer als der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat, der konservative Republikaner und Senator John McCain aus Arizona.

Er sagte: "Ich unterstütze die heutige Entscheidung des DC Berufungsgericht vollauf, da die FCC ihre Vollmachten überschritten hat in ihrem Versuch, das Internet zu einer Netzneutralität zu verpflichten." Nach Ansicht von Senator McCain sei es ausreichend, wenn die Federal Communications Commission Grundsätze entwickele, die lediglich Anti-Blockier- und Anti-Diskriminierungs-Vorschriften umfassten, nicht aber eine grundsätzliche Berechtigung, die Internetstruktur unentgeltlich nutzen zu dürfen.

Weiter schreibt jedoch die Los Angeles Times, wonach die Unterhaltungsindustrie, die auf den Zugang zum Internet angewiesen sei, sich nun erhebliche Sorgen mache, wenn die Netzneutralität in den USA flächendeckend gerichtlich beendet werde.

In Hollywood heißt es beispielsweise, man mache sich Sorgen, dass der Web-Service von den Telekommunikationskonzernen sich verlangsamen könne oder dass gar der Zugang bewusst blockiert werde, um Konkurrenten einen Vorsprung zu verschaffen - beispielsweise, da diese mehr Geld für ein schnelleres Internet an die Telekommunikationsunternehmen überwiesen.

Gleichzeitig befürchten amerikanische Verbraucherschützer, dass sich das Internet ähnlich entwickeln könnte, wie die Kabel-TV-Industrie: Hier besitzen auch in Deutschland nur wenige Anbieter faktisch das komplette Kabelnetz und diktieren den Haushalten die Zugangskosten. In Deutschland müssen beispielsweise bei Kabel Deutschland in Leipzig Kunden monatlich um die 37 Euro für das Kabelnetz inklusive einer Telefon-Flatrate bezahlen.

Doch wie dramatisch sich die Macht bereits in Deutschland zu Gunsten der Kabelnetzbetreiber verschoben hat, zeigt sich an einem von der Hausverwaltung eines Hauses in der Kopenhagener Str. in 10437 Berlin gegen den Willen von Mietern abgeschlossenen Zwangs-Vertrages mit einem Kabelnetzanbieter:

Von rund 30 regelmäßigen TV-Programmen werden die Haushalte mit rund 10 bis 15 nervigen Shopping-TV-Sendern zwangsbestückt - aber Sender wie CNN oder BBC wurden einfach aus dem Programm gestrichen. Ähnlich sieht es im Radio aus - Klassiksender bietet der fürs ganze Mietshaus geltende Kabelnetzbetreiber den Mietern fast gar nicht an, dafür aber billige Pop-Sender.

Wer das Netz hat, hat die Macht - Monopole werden gefördert

Daraus folgt sowohl für die USA wie für Deutschland: Wer das Netz hat, hat die Macht, Monopole werden gefördert. Das gilt nicht nur fürs Kabelnetz, sondern auch fürs Internet.

"In Ermangelung jeglicher Kontrolle können nun die Telekommunikations-Unternehmen, die das Netz besitzen, dieses blockieren und Kunden-Kommunikation diskriminieren", sagt beispielsweise Craig Aaron, der Präsident und CEO von Free Press, einer Medien-Watchdog-Gruppe.

Ein großes Problem ist nach Ansicht von Verbraucherschützern in den USA nun auch, dass die Leitungsbesitzer des Netzes in den USA gegen Mehr-Bezahlung schnellere Leitungen öffnen könnten, gegen weniger Geld aber die Geschwindigkeit, mit dem eine Webseite geladen werden kann, einfach drosseln.

Das wären dann die Anfänge des analogen Internets. Eine solche Politik würde die reichen großen Internetkonzerne und sonstigen Konzerne begünstigen und Innovationen behindern oder sogar ganz verhindern. Denn wer kein Geld für die Nutzung seiner Dienste und das Angebot seiner Dienste im Internet bezahlen kann, der wäre eben außen vor - durch zu schlechte Datenübertragung.

Noch sagt beispielsweise der Besitzer des US-Fernsehsenders NBCUniversal, der Kabelnetzbetreiber Comcast, man werde auch nach dem jetzigen Gerichtsurteil seine Politik des offenen Netzes nicht ändern, da man zum Zeitpunkt der Übernahme des TV-Giganten NBCUniversal den Internet-Regeln der FCC für sieben Jahre lang zugestimmt habe.

Doch läuft diese Zustimmung bereits in zwei Jahren aus. Viele fragen sich - und was ist dann? Denn nicht wenige Großkonzerne agieren in solchen Fällen gerne nach dem Motto - was interessiert das Geschwätz von gestern?

Derzeit sagt jedenfalls Comcast: "Wir haben nicht - und werden nicht - die Fähigkeit unserer Kunden, um rechtmäßige Internet-Inhalte auf unseren Leitungen an die Verbraucher oder Kunden zu übermitteln, blockieren". Ähnlich äußerte sich der amerikanische Netz-Gigant und Netz-Besitzer Time Warner Cable.

Kritisch beurteilen aber Vereinigungen aus der Kreativwirtschaft das aktuelle Gerichtsurteil, das die Netz-Neutralität in den USA beendet. Beispielsweise sagte die Writers Guild of America, welche besonders viele Mitglieder unter den Drehbuchautoren Hollywoods hat, wonach die Gerichtsentscheidung Verbraucher und Menschen schmerze, die Inhalte, wie Fernsehsendungen und Filme, auch übers Internet sehen und verbreiten wollten. Weiter lautet die Kritik: Das jetzige Gerichtsurteil untergrabe fundamentale demokratische Prinzipien, auf denen das Internet gegründet wurde.

Derweil versucht die Federal Communications Commission sich gegen das Gerichtsurteil zu stellen. So sagte der FCC-Vorsitzende Tom Wheeler, man prüfe derzeit "alle verfügbaren Optionen, um sicherzustellen, dass die Netzwerke, auf welchen das Internet beruht, weiterhin eine freie und offene Plattform für Innovation und Kreativität" sei und im "Interesse aller Amerikaner" offen bleibe müsse.


Englische Stellungnahme FCC zum Ende der Netzneutralität in den USA

Im englischen lautete der Kommentar des FCC-Vorsitzenden zudem: "I support an open Internet that drives innovation,
experimentation, and economic growth. I am pleased that the D.C. Circuit recognized the Commission’s authority to encourage the deployment of broadband infrastructure. I look forward to further studying the court’s opinion and working with my colleagues to ensure that the great ecosystem the Internet supports continues to create jobs, opportunity, and digital age prosperity."

Das Aufgabengebiet der amerikanischen Internet- und Telekommunikations-Aufsichtsbehörde FCC umfasst unter anderem folgende Arbeitsbereiche: Telephone (Bills and Charges, Disability Issues, Making Service Accessible, Frauds, Scams and Alerts, Wireless, Cellular and Mobile, Miscellaneous), Broadcasting, Cable and Satellite, Broadband and Internet, Disabilities, Fraud, Scams and Alerts, Health, Safety and Emergencies, Privacy and Security, International, Becoming Involved and Miscellaneous Consumer Information.

Folgende Arbeitsgruppen gibt es in der Federal Communications Commission: Communications Security, Reliability and Interoperability Council, Consumer Advisory Committee, Diversity Federal Advisory Committee, Emergency Access Advisory Committee, Emergency Response Interoperability Center (ERIC) Technical Advisory Committee, Federal-State Joint Conference on Advanced Services, Intergovernmental Advisory Committee, North American Numbering Council, Technological Advisory Council, Video Programming Accessibility Advisory Committee, WRC-15 Advisory Committee sowie das Open Internet Advisory Committee. Weitere Infos hier klicken.

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