Steuerdrücker? Amazon muss vors britische Parlament und klären, warum bei 18 Mrd. Euro Umsatz fast keine Steuern bezahlt werden

US-Konzerne machen es sich in Europa gerne einfach: Das komplizierte Gebilde aus alleine 27 EU-Staaten lädt geradezu zum steuerlichen Schlittenfahren mit den EU-Regierungen ein. Staaten, die die geringsten Steuern den Unternehmen auferlegen, kriegen den Standortzuschlag. Im Falle des Online-Buchhändlers Amazon ist dies das kleine Luxemburg. Doch in Britannien stößt das zunehmend auf massive Kritik. Deshalb muss Amazon nun vor dem britischen Parlament erklären, wie es kommt, dass der Onlinehändler, der in den vergangenen Jahren alleine in Britannien rund 18 Mrd. Euro mit dem eCommerce-Geschäft umgesetzt hat, in Britannien nur lächerliche rund eine Millionen Euro Steuern pro Jahr bezahlt hat. In Summe sollen es in den vergangenen sechs Jahren rund 7 Mio. Euro Steuern gewesen sein, die Amazon nach UK überwiesen hat.

Foto: netz-trends.de
Jugendliche sitzen vor dem britischen Parlament.

Ebenfalls verhältnismäßig wenig Steuern bezahlt der Internetsuchmaschinen-Gigant Google in Britannien im Verhältnis zu seinem dortigen Umsatz. Auch Google wurde deshalb bereits vors britische Parlament zitiert. Dass solche Vorladungen für die amerikanischen Unternehmen nicht angenehm sind, lässt sich an der Schlagzeile "Amazon.com next to be grilled over UK tax presence" erkennen. So jedenfalls titelte am 18. Mai 2013 selbst die "Times of Malta", eine englisch-sprachige Tageszeitung, welche im kleinsten EU-Mitgliedsstaat erscheint.

Amazon erklärte sein mickriges Steueraufkommen in Britannien - und wohl fast in der gesamten EU - damit, dass man ein multinationaler Konzern sei mit entsprechenden Strukturen, was bedeute, dass es unabhängige Unternehmens-Zweige gebe, welche in unterschiedlichsten Ländern aktiv seien. Im Falle Europas sei die Firmenzentrale in Luxemburg ansässig, weshalb man lediglich dort entsprechend der luxemburgischen Steuergesetzgebung, Steuern bezahle. Auch für Deutschland könnte das letztlich bedeuten, dass Amazon hierzulande möglicherweise im Verhältnis zum deutschen Milliarden-Umsatz fast keine Steuern bezahlt. Nach Schätzungen könnten sich diese im Jahr bei 1,5 bis 2 Mio. Euro bewegen - legt man den britischen Maßstab der Amazon-Steuerzahlungen zu Grunde.

Kernpunkt dürfte für Megakonzerne wie Amazon künftig sein, ob die EU eine solche Steuerpolitik der großen Konzerne auch in den nächsten Jahren akzeptiert, oder nicht. Als Maßstab dürfte dabei einerseits der im jeweiligen Land erzielte Umsatz dienen, als auch die Frage, wie unabhängig die Mitarbeiter eines Landes in den Weltkonzernen arbeiten können. Doch auch dieses muss geklärt werden: Ist in der Europäischen Union die Steuer-Gesetzgebung noch auf der Höhe der Zeit?

Ist die EU-Steuergesetzgebung für globale Megakonzerne noch auf der Höhe der Zeit?

Als das Prinzip gesetzlich verabschiedet wurde, wonach der (angebliche) Hauptsitz eines Unternehmens fast der ausschließliche Gradmesser für die zu entrichtenden Steuerzahlungen in allen 27 EU-Ländern ist, konnten sich die EU-Staaten noch nicht vorstellen, dass es möglich ist, dass ein Amazon in nur sechs Jahren so viele Mrd. Euro Umsatz in nur einem EU-Land erzielen könnte - ohne dass die dortige Bevölkerung, der dortigen Staat, in irgendeiner Weise daran partizipiert. Einige globale Megakonzerne nutzen die Vorteile der EU in einer Art und Weise aus, die, so meinen immer mehr EU-Staaten, moralisch und fiskalisch auf den Prüfstand gehört.

Dabei dürfte das Standortprinzip zunehmend im Zentrum der Diskussionen stehen. Allerdings ist der Bereich sehr komplex. So ist es beispielsweise bei wohlhabenden Deutschen, die in der Nähe zur französischen Grenze wohnen, beliebt, in Deutschland das dicke Geld im Job zu verdienen aber in Frankreich privat zu wohnen. Grund: Die dortige Steuer beträgt auch für wohlhabende Bürger nur circa 30 Prozent, in Deutschland möchten SPD und BÜNDNIS90/GRÜNE sie nach der Bundestagswahl auf bis zu 49 Prozent anheben. Viele sehen darin bereits eine Enteignung privaten Bürgertums.

Insofern dürfte nun auch die anstehende Fragestunde von Amazon im britischen Parlament weiter Geschwindigkeit in das Thema Steuerpolitik in den EU-Staaten bringen. Die "Malta Times" schreibt unter Verweis auf die Nachrichtenagentur Reuters: "However, Reuters has uncovered evidence from the company´s own statements, job advertisements, statements from suppliers and five former employees, as well as the profiles of over 140 staff on networking website LinkedIn, which suggests in the UK unit has a high degree of autonomy, with local managers deciding on many aspects of its business".

Das heißt nichts anderes, als dass die in Britannien agierende Amazon-Unit letztlich eine britische Gesellschaft sein könnte, die eben auch deutlich höhere Steuern an Britannien zahlen müsste. Weiter schreibt die "Malta Times": "Amazon and Microsoft say they follow tax law in every country where the operate. Expedia declined to comment."

Bislang beziehen sich Weltkonzerne gerne auf die internationalen Steuerabkommen, wonach hauptsächlich dort Steuern zu zahlen sind, wo die Firmenzentrale ist. Doch könnte sich genau das - auch auf Grund von Fällen wie Amazon oder Google - künftig ändern.

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