Millionen von Menschen haben es weltweit bereits getan: Juristisch gesehen illegales File-Sharing. Darunter versteht man das Teilen von Dateien, die urheberrechtlich geschützt sind. Doch so radikal wie Frankreich geht bislang weltweit keine Nation gegen die schwarzen Internet-Schafe vor: Die einst Grand Nation kappt allen Bürger, die des File-Sharing von Staatsanwaltschaften bezichtigt werden, gleich ganz den Internetzugang. Tausende Haushalte sollen betroffen sein. Der neue vom Kulturministerium beauftragte Pierre Lescure-Report kritisiert auf 700 Seiten diese Praxis und fordert in einem 80-Punkte-Plan die Schließung der zuständigen umstrittenen französischen Internet-Behörde, der "Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des droits sur Internet" (Hadopi).
Gleichzeitig mit der Schließung der Hadopi-Internetbehörde sollten, empfiehlt der am Montag publizierte Lescure-Report, neue Steuern auf Computer und Smartphones eingeführt werden, um Kulturschaffende stärker für ihre Arbeit zu entlohnen. Der Report unterbreitet der französischen Regierung in 80 Vorschlägen - welche netz-trends.de im nächsten Kapitelabschnitt publiziert - für Film, Musik, Fernsehen, Buch, Videospiel und das Internet Regeln im Umgang mit Urheberrechtsverletzungen aber auch Optionen zur finanziellen Stärkung der Kreativwirtschaft. Der Lescure-Report erscheint im Rahmen des politischen Plans "Acte II de l’exception culturelle" und wurde unter dem Namen "Contribution aux politiques culturelles à l’ère numérique" vom Kulturschaffenden Pierre LESCURE im Auftrag der Regierung von Frankreich publiziert. Teil Eins umfasst 478 Seiten, Teil Zwei 229 Seiten. Der Bericht kann am Ende des netz-trends.de-Artikels im Artikel-Abschnitt 2 heruntergeladen werden.
Bislang wird die staatliche Internet-Arbeit in der "Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des droits sur Internet" (Hadopi) koordiniert. In anglikanischen Ländern ist diese Behörde als "French High Authority for the Distribution of Works and the Protection of Rights on the Internet" bekannt, also als "Französische Hohe Behörde für die Verbreitung von Werken und deren rechtlichem Schutz".
Konkret fordert der neue französische Regierungs-Report, der Staat solle sich auf kommerzielle Internet-Piraten konzentrieren und nicht auf Filesharer, welche Urheberrechtsverletzungen begangen haben. Die bisherige Praxis wollte Rechteinhaber, wie Publishers - also zum Beispiel Verleger, Musiker oder Filmschaffende - stärken. Denn diese leiden teils unter erheblichen Urheberrechtsverletzungen.
Die französische Kommission, die nun den Regierungsreport vorgelegt hat, fordert eine generelle liberalere Handhabe im Umgang mit Filesharing in Frankreich. Beispielsweise solle der Staat E-Book-Publisher und Bücherreien, ebenso "Copyright collection societies", Remixings audiovisueller Produkte, kommunale oder andere wichtigen soziale Webseiten, auch Blogs, von drastischen Strafmaßnehmen im Falle von Filesharing beziehungsweise Urheberrechtsverletzungen ausnehmen. Grund: Im Internet würden diese Dinge auch passierten, ohne dass eine Vorsätzlichkeit der Rechtsverletzung gegeben sei.
Die Behörde "Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des droits sur Internet" (Hadopi) hatte bislang die Möglichkeit bei Urheberrechts-Verletzungen im Internet entweder den kompletten Internetzugang von Verbraucher zu schließen oder eine Strafe von bis zu 1.500 Euro auszusprechen. Doch gerade für viele Teenager oder junge Erwachsene, die sich häufig der Rechtslage, auch eines Verstoßes von Urheberrechten, überhaupt nicht bewusst sind, galten diese drakonischen Strafen als überzogen, monierten Kritiker, so auch der jetzt publizierte Lescure-Report.
Obendrein kommt der neue französische Regierungsreport zu der Erkenntnis, wonach die bisherigen Strafen auch nicht wirklich effektiv gewesen wären. Zwar sei es gelungen, illegales Filesharing zu senken, jedoch hätten legale Bezahlangebote es nicht geschafft, davon zu profitieren. Gleichzeitig hätten andere Formen von rechtlich schwer zu verfolgenden Urheberrechtsverstößen zugenommen. Dazu gehöre beispielsweise das Streaming.
So fordert denn auch der Autor des neuen Regierungsreports, Lescure, wonach die Strafen für Urheberrechtsverstöße in Frankreich auf 60 Euro gesenkt werden sollten. Die neue Geldbuße solle jedoch erst nach drei Warnungen per E-Mail durchgesetzt werden. Das Ziel müsse die "Entkriminalisierung illegaler Downloads" sein, so Lescure. Im Zentrum der künftigen staatlichen Arbeit solle, erklärte Lescure, der Kampf gegen "antipracy activities on commercial pirates" stehen, also der Kampf gegen kommerziell tätige Internetpiraten, nicht aber der staatliche Kampf gegen normale Verbraucher.
Die Auflösung der umstrittenen Internet-Behörde Hadopi war innerhalb des Aktionsprogramms "Kultur Act 2" eines der Wahlversprechen des französischen Präsidenten François Hollande. Bislang hatte die Hadopi-Behörde jährlich rund 12 Millionen Euro gekostet. 60 Mitarbeiter hatten jährlich rund eine Millionen E-Mails an Bürger wegen des Verdachts auf illegales Filesharing verschickt. Hierzu hatte die Behörde Millionen von Computer-IP-Nummern überprüft.
Im Rahmen der nun vorgelegten Reformvorschläge zur Internet-Gesetzgebung in Frankreich empfiehtl Pierre Lescure dem französischen Parlament eine neue Steuer auf Smartphones und Tablet-PCs einzuführen. Frankreich stemmt sich dagegen, dass die größten Profiteure des Internets bislang internationale Konzerne wie Google, YouTube, aber auch Apple oder Samsung seien, nicht aber die eigentlichen Content-Hersteller und Content-Lieferanten.
Der Pierre Lescure-Report wurde im August 2012 von dem französische Minister für Kultur, Aurélie Filippetti, in Auftrag gegeben. Der Autor Pierre Lescure, ist ehemaliger Chef des großen französischen privaten Fernsehsenders Canal + und derzeitiger Direktor des Pariser Théâtre Marigny. Lescure ist ein berühmter französischer Kulturschaffender, welcher seit über 40 Jahren "einen besonderen Platz in den Welten von Film, Fernsehen, Musik" hat, schreibt die französische Tageszeitung le Monde.