Recht EU will anwaltliche Vertraulichkeit in Strafverfahren kippen / BRAK Bundesrechtsanwaltskammer wehrt sich

Die Grundprinzipien von rechtsstaatlichem Verhalten sind in vielen Ländern Europas, auch der Europäischen Union (EU), immer noch nicht durchgesetzt. Das hatte bereits im Jahr 2012 die Bundesrechtsanwaltskammer mitgeteilt und sich gegen Eingriffe in die anwaltliche Vertraulichkeit gewehrt und den Ausbau dieser Rechte europaweit gefordert. Dem stehen versuche der EU entgegen, gerade dieses Grundprinzip einer Demokratie zu kippen.

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Axel C. Filges, Hamburg, Präsident Deutsche Bundesrechtsanwaltskammer kritisiert die EU massiv.

Die Europäischen Kommission hatte bereits im Jahr 2011 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der das Problem mangelnder garantierter Rechte auf vertrauliche Gespräche zwischen Mandant und Anwalt - beispielsweise in Strafverfahren – nicht abschaffen wollte, sondern sogar manifestieren und ausbauen würde.

Dabei geht es nicht nur um das grundsetzliche Recht, in einem Strafverfahren einen Rechtsbeistand zu bekommen - und zwar umgehend - sondern auch daraum, dass sich Mandant und Anwalt vertraulich ohne staatliche Lauscher austauschen können.

Es gehört zu den Grundprinzipien eines Rechtsstaates, dass ein Mandant, der bezichtigt wird, eine Straftat begangen zu haben, noch vor einem Verhör mit einem Rechtsanwalt seines Vertrauens Kontakt aufnehmen darf - und zwar umgehend - und sich mit diesem vertraulich austauschen darf.

Doch wird selbst in Deutschland dieses Recht immer weiter eingeschränkt. Gerade Unternehmer sind beispielsweise am Investitionsstandort Sachsen hiervor betroffen. So gibt es in Sachsen eine umstrittene "Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES)", welche "im Verdacht steht, bei Firmen, welche sie im Fokus hat, umfangreich Handys und Telefone abzuhören, möglicherweise sogar auch emails mitzulesen und Wanzen in Firmenräumlichkeiten heimlich zu legen" (O-Ton Leipziger Anwalt; Stichwort: Razzia bei Leipziger Internetunternehmen Unister). Würde also ein Firmeninhaber mit seinem Anwalt während einer Razzia telefonieren wollen, würden staatliche Lauscher jedes Wort offen oder heimlich mithören.

In Deutschland werden mittlerweile rund 100.000 Telefone auf gerichtliche Anordnung abgehört. Tendenz: Steigend. Das bringt immer stärker grundgesetzlich garantierte Probleme der rechtsstaatlichen Prinzipien mit sich. Denn: Wie soll ein Mandant vertraulich über sein Telefon - beispielsweise während einer Razzia - mit seinem Anwalt sprechen können, wenn sein Telefon oder Handy bereits seit Monaten heimlich von der Staatsanwaltschaft abgehört wird oder sein persönliches Büro oder seine Privatwohnung (beispielsweise während der Razzia) verwanzt wurde?

Ein weiteres Problem: In der Regel erfahren Betroffene nicht, in welchem Umfang Firmen oder Privat-Bürger von Staatsanwaltschaften mit Wanzen, Abhöraktionen der emails oder von Telefongesprächen, überzogen werden. Selbst der Rat der Europäischen Union hatte es nicht für nötig befunden, den Richtlinienentwurf der EU-Regierung, der Europäische Kommission, dahingehend zu ändern, dass die Grundprinzipien anwaltlicher Vertraulichkeit in Strafverfahren in allen EU-Ländern durchgesetzt werden.

Bundesanwaltskammer kritisiert Unterhöhlung von Fundamenten demokratischer Prinzipien durch EU

So kritisiert denn auch die Bundesanwaltskammer, wonach "der Rat... bei seinen Vorschlägen es außer Acht (lässt), dass Einschränkungen der Vertraulichkeit zwischen Anwalt und Mandant nicht nur der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des EGMR (Europäische Gerichtshof für Menschenrechte) widersprechen, sondern auch grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien, die das Fundament aller europäischen Demokratien bilden, unterlaufen".

Mit diesem Appell hatte die deutsche Bundesanwaltskammer die Bitte an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments gesendet, "sich gezielt für eine insoweit unveränderte Fassung des Richtlinienentwurfes einzusetzen", also die Einschränkung der Vertraulichkeit in Strafverfahren zwischen Anwalt und Mandant zu verhindern:

"Die Interessen eines Mandanten effektiv zu vertreten ist schlichtweg unmöglich, wenn der Mandant sich nicht auf die absolute Vertraulichkeit seines Rechtsanwaltes verlassen kann. Die Vertraulichkeit ist ein konstitutives Element der anwaltlichen Berufstätigkeit, wer hier Ausnahmen zulässt, stellt das jedermann zustehende Recht auf ein faires Verfahren in Frage", ließ sich der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer Axel C. Filges zitieren. Ähnlich sieht das der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE), in welchem die BRAK Mitglied ist.

Hintergrund: Bereits im Juni 2011 hatte die Europäische Kommission einen Entwurf einer Richtlinie zum Recht auf einen Rechtsbeistand und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme [KOM(2011) 326] publiziert. Er sollte gewährleisten, dass ein Verdächtiger ab dem Zeitpunkt seiner Festnahme - und zwar vor seiner ersten Vernehmung durch die Ermittlungsbehörden - bis zum Abschluss des Verfahrens - einen Anspruch auf einen Rechtsbeistand hat. Dabei sei zu beachten, dass der Verdächtige die Möglichkeit habe, so zeitnah mit seinem Anwalt zu sprechen, dass er seine Verteidigungsrechte wirksam wahrnehmen könne. Auch solle ein Festgenommener das Recht haben, umgehend seine Angehörigen, den Arbeitgeber -und sofern man sich im Ausland befindet - das Konsulat zu kontaktieren und von der Festnahme zu benachrichtigen.

Seit Juni 2012 versucht die EU, diese Rechte einzuschränken. Ähnlich wie bei den Einschränkungen von Bürgerrechten in den USA seit dem Angriff auf das World Trade Center im September 2011, dient als EU-Argument für die angebliche Notwendigkeit der Einschränkung der Grundprinzipien europäischer Demokratien, wonach der Staat die Möglichkeit haben müsse, "schwere Verbrechen" aufzuklären. Das hatte man im Dritten Reich auch gesagt.

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