Versicherungssteuer ADAC: Bayern ist nicht Sachsen - 500 Millionen Steuern soll ADAC nachzahlen

Denn in Sachsen hatte die CDU-Regierung vor rund 10 Jahren eine umstrittene Antikorruptionseinheit - die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) - in Stellung gebracht. Vor etwas mehr als einem Jahr geriet sie bundesweit in die Schlagzeilen. Der Grund:

So wirbt Bayern für sich und deshalb leben viele dort gut.

KOMMENTAR von ws / Dass der Freistaat Bayern mit der für das Land wichtigen Wirtschaft anders umgeht, als man es in Sachsen zu tun pflegt, zeigt einmal mehr der Fall des ADAC: Angeblich solle der Automobilclub 500 Millionen Euro Versicherungssteuer wissentlich oder nicht-wissentlich nicht abgeführt haben, schreibt der SPIEGEL. Ein Glück für den ADAC, für Bayerns Wirtschaft, dass es in Bayern keine Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) gibt.

Die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen, Ines, hatte einen jungen sächsischen Internetunternehmer des Unternehmens Unister wegen des Vorwurfs angeblich nicht bezahlter Versicherungssteuer, beziehungsweise wegen dem angeblichen "illegalen Vertrieb von Versicherungsprodukten" in Höhe von angeblich mehr als einer Millionen Euro tagelang in U-Haft genommen – schön in der Vorweihnachtszeit und kurz vor dem wichtigen Jahresabschluss des Unternehmens. "Damit wurde das Unternehmen, das einige hundert Mitarbeiter beschäftigt, schier an den Abgrund gebracht", erklärt ein Kenner des Unternehmens.

Doch in Sachsen reicht es nicht, einen Unternehmer selber in U-Haft zu nehmen. Nein, dort wurde im genannten Beispiel im Rahmen einer Großrazzia mit über 100 Kriminalbeamten, Steuerfahndern und sonstigen Korruptionsbekämpfern gleich fast die komplette Finanzspitze des Internet-Unternehmens in U-Haft genommen - stundenlang abtransportiert von Leipzig ins Gefängnis nach Dresden. Ganz so, als habe man es mit den größten Schwerverbrechern zu tun, seit Menschengedenken. Selbst Joachim Jahn hatte damals in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) geschrieben, wonach das Vorgehen der Sächsischen Staatsanwaltschaft rund um die Ines "unverhältnismäßig" gewesen sei.

Viel besser geht es hingegen dem deutschen Automobilclub ADAC: Hier geht es nicht nur um eine oder wenige Millionen Euro, sondern gleich um angeblich 500 Millionen Euro angeblich nicht bezahlter Versicherungssteuer.

Aber weder kommt jemand in U-Haft noch wird ein Strafverfahren eröffnet. Der ADAC muss die vermeintlich nicht bezahlte Steuer, eine Versicherungssteuer, einfach nur nachbezahlen.

Anhaltspunkte für eine mögliche Steuerhinterziehung

Denn es waren lediglich Steuerprüfer, die den Verdacht auf nicht bezahlter Versicherungssteuer beim ADAC äußerten – und zwar im Rahmen einer Betriebsprüfung. Sie sollen nach Angaben des SPIEGELS "Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung" gesehen haben. Auch hier gilt: Während sich in Bayern öffentliche Stellen mit Zitaten und Stellungnahmen eher zurückhalten, "haut man bei der Staatsanwaltschaft der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen ganz gerne brutal und rücksichtslos auf die Pauke und sorgt so schön für eine massive und schädigende Vorverurteilung", erklärt ein Anwalt.

Ebenfalls bemerkenswert: Im Falle des ADAC heißt es nach Angaben des SPIEGEL lediglich, die Steuerfachleute gingen davon aus, wonach die Mitgliedschaft im ADAC "ein versicherungssteuerrechtlich relevantes Versicherungsverhältnis begründen" könne.

Gemeint seien damit etwa die Unfall- und Pannenhilfe des ADAC. Angeblich seien beim ADAC bislang lediglich die Jahre 2007 bis 2009 näher unter die Lupe genommen worden, heiße es in einem Vermerk des Bundesfinanzministeriums (BMF), berichtet der SPIEGEL. Allerdings fragt man sich bereits hier: Und was ist mit den Jahren vor 2007? Das Geschäftsmodell des ADAC hat sich ja in Jahrzehnten nicht wesentlich geändert.

Dass sich das Bundesfinanzministerium (BMF) für eine angeblich nicht bezahlte Steuer des ADAC interessiert, liegt schlicht daran, dass eine Versicherungssteuer grundsätzlich der Bund erhält, sonstige Steuern des ADAC aber an das Land Bayern oder die Kommunen bezahlt werden. Oberste Aufsichtsbehörde von Versicherungsprodukten wäre wiederum die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Abkürzung: BaFin).

Die Rolle der Bafin

Auch hier stellt sich deshalb die Frage: Ja hat die BaFin geschlafen oder war sich die BaFin selber nicht sicher, ob Dienstleistungen des ADAC wie Unfall- und Pannenhilfe, eine Versicherungsleistung darstellen könnten oder nicht.

Immerhin: Beim sächsischen Internetunternehmen war zumindest die Dresdner Staatsanwaltschaft der Ines sehr schnell dabei und ist es bis heute, zu behaupten, ein Stornoschutz oder ein Umbuchungsservice auf einem Reiseportal stelle eine Versicherungsleistung da, obgleich selbst Fachleute dieser Behauptung widersprechen.

Dabei sagte der Leipziger Juraprofessor Marc Desens in Hinblick auf diese Diskussion in der Leipziger Volkszeitung, wonach "man hat immer das Recht" habe, "die juristische Auffassung zu vertreten, die für einen günstiger ist" – sprich: Solange es keinen richterlichen Entscheid gebe, ob etwas eine Versicherung darstelle oder nicht, müsse man das auch nicht als solches deklarieren und folglich keine Versicherungssteuer bezahlen.

Das sächsische Internetunternehmen selbst hatte öffentlich erklärt, der Umbuchungsservice einer Reise stelle juristisch lediglich eine genehmigungsfreie Nebenabrede zum abgeschlossenen Hauptvertrag dar, weshalb die Entrichtung einer Umsatzsteuer an das Finanzamt des Landes Sachsen in Höhe von 19 Prozent ausreiche. Eine Versicherungssteuer betrüge ebenfalls 19 Prozent - ginge aber eben an den Bund.

Absichtlich oder versehentlich?

Im Falle des ADAC argwöhnten, schreibt der SPIEGEL, die Steuerfahnder, wonach der ADAC möglicherweise eine möglicherweise fällig gewordene Versicherungssteuer "absichtlich und wissentlich nicht gezahlt habe".

Derweil stellt sich das Bayerische Finanzministerium vor sein Aushängeschild, den ADAC und teilte mit, man sehe keine Anhaltspunkte einer absichtlichen Steuerhinterziehung und werde deshalb auch kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einleiten lassen. Allerdings ist sich das Bayerische Finanzministerium in München mit dem Bundesfinanzministerium in Berlin einig, wonach man bislang davon ausgehe, dass eine Versicherungssteuer zu entrichten sei. Dabei dürfte eines klar sein: 500 Millionen Euro ist auch für den ADAC kein Pappenstiel.

Es bleibt spannend ob die Richter bei dem am Montag in München beginnenden Steuerprozess gegen FC-Bayern Manager Ulrich Hoeneß ein Zeichen setzen möchten. Und dabei geht es lediglich um angeblich drei Millionen Euro angeblich nicht bezahlter Steuer – und das obendrein noch auf Grund einer Selbstanzeige. Kuriose Welt!

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