Ehemalige bekannte Top-Manager und Mitarbeiter des Leipziger Internetkonzerns Unister fordern einen Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtag rund um die "Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen" (INES) und haben deshalb eine Petition, Onlinepetition aufgesetzt, berichtet die Leipziger Volkszeitung.
Solle es zu einem Untersuchungsausschuss kommen, dürften im Zentrum der Untersuchungen zwei Staatsanwälte der INES stehen und zwar Dirk Reuter und Andreas Günthel von der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen.
Die beiden Ines-Staatsanwälte sollen im Dezember 2012, möglicherweise auf politisches Geheiß aus der damaligen sächsischen Landesregierung, veranlasst haben, dass beim damals noch existierenden Leipziger Internetkonzern Unister mit rund 130 Ermittlern aus Sicht von vielen "eine völlig überzogene, unverhältnismäßige Razzia" durchgeführt worden war. Zur Unister Holding gehörten solch bekannte Portale wie ab-in-den-urlaub.de, fluege.de, geld.de oder preisvergleich.de.
Während der Unister-Razzia waren Unister-Gründer Thomas Wagner, der im Sommer 2016 unter dubiosen Umständen mit erst 38 Jahren verstorben ist, und Unister-Co-Gesellschafter Daniel Kirchhof tagelang vor Weihnachten in Haft genommen worden.
Dieser ersten Razzia am 11. Dezember 2012 waren innerhalb weniger Monate drei weitere gefolgt.
Aus Sicht von Unister habe man mit dem sich daran anschließenden fünfjährigen Ermittlungsverfahren Unister die Chance auf Refinanzierung an den Finanzmärkten vorsätzlich genommen.
"Das Ziel ist es augenscheinlich, Unister in die Insolvenz zu treiben" soll bereits im Januar 2013, wenige Tage nach der ersten Razzia, beispielsweise der Leipziger Stadtrat der LINKEN Leipzig, Reiner Engelmann, gegenüber dem Konzernsprecher und engen Wagner-Freund Dr. Konstantin Korosides und Unister-Gründer Thomas Wagner geäußert haben. Zudem soll Engelmann ergänzt haben: "Diese Clique wird erst aufhören, wenn Unister insolvent ist, das ist ein Wahnsinns-Angriff. Einfach irre."
Auch ein aktuelles Regierungsmitglied in der Landesregierung Sachsen soll damals gegenüber Korosides bestätigt haben, dass man damals die Angriffe gegen Unister für politisch motiviert gehalten habe.
Allerdings hatte Unister auch ein breites Spektrum an politischen Förderern: Nach der ersten Razzia im Dezember 2012 hatten sich vom damaligen sächsischen Landtagsabgeordneten Dr. Volker Külow (Linke), Leipzigs Linken-Stadtrat Reiner Engelmann, der Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla (CDU), dem CDU-Landtagsabgeordneten Ronald Pohle (handwerkspolitischer Sprecher der CDU) bis hin zum ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt und fast zehnjährigen Wirtschaftsbürgermeister von Leipzig, Detlef Schubert (CDU), zahlreiche Politiker für Unister stark gemacht.
Ebenfalls ins Zeug für Unister legten sich die beiden sächsischen Schwergewichte der Linken, Fraktionschef Rico Gebhardt und der seit 1990 im sächsischen Landtag sitzende Abgeordnete Klaus Bartl. Auffallend war aber die komplette Abstinenz der FDP. Wobei zum damaligen Zeitpunkt Sven Morlok (FDP) Wirtschaftsminister in Sachsen war.
Engelmann sollte aber mit seiner Prophezeiung der Insolvenz Recht behalten. Im Sommer 2016 musste die Unister Holding auf Grund der massiven Ermittlungsverfahren, welche derzeit vor dem Landgericht Leipzig verhandelt werden, Insolvenz anmelden. Bis über Tausend Mitarbeiter sollen im Zuge der Insolvenz ihre Jobs verloren haben.
Das Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Leipzig gilt als umstritten, ebenso die Praktiken des zuständigen Richters Volker Sander, der auf Vorschlag der sächsischen Landesregierung zum Richter am BGH, Bundesgerichtshof in Karlsruhe berufen worden ist.
"Die Sonderkommission 'Ines' der Generalstaatsanwaltschaft Dresden geht seit mehr als fünf Jahren mit fundamentaler Härte gegen das ehemalige Internet-Unternehmen Unister vor. Auch im Strafverfahren am Landgericht Leipzig zeigte sich der leitende Staatsanwaltschaft Dr. Dirk Reuter voreingenommen und überschießend.
Die Anklage und das nun gehaltene Schlussplädoyer insbesondere zum Thema Runterbuchen sind nicht nur ein elementarer Vorwurf gegen den Angeklagten Holger F, sie sind ein Schlag ins Gesicht des globalen Reisevertriebs. Wie in anderen Branchen auch bemühen sich Reisebüros und die dahinter stehenden Flugticketgroßhändler wenn möglich um Einkaufsvorteile. Danach zu streben ist keine Straftat sondern kaufmännisches Grundverständnis. (Bericht Leipziger Volkszeitung)
Die Sonderkommission Ines hat in den vergangenen Jahren beharrlich den Niedergang von Unister beeinflusst, etwa in dem sie falsche Fakten (etwa über den angeblichen Verkauf von Kundendaten) aber auch über später nicht zugelassene Anklagepunkte ('Streichpreise ') in die Öffentlichkeit brachte. Der Aufwand der öffentlichkeitswirksamen Ermittlungen und der dadurch verursachte Schaden stehen in keiner Relation zu den geforderten Strafmaßen in lediglich zwei Fällen. Die Arbeit der 'Ines' im Fall Unister ist deshalb politisch zu bewerten. Die 'Ines' ist neu aufzustellen, und zwar unabhängig vom Ausgang der in Kürze zu erwartenden Urteilsverkündung im Fall Unister.
Begründung:
Seit mehr als fünf Jahren ermitteln Dr. Reuter und seine Sonderkommission 'Ines' in einzigartiger Intensität gegen Vertreter von Unister. Erst ein Jahr später ging es Dr. Reuter dabei um die Optimierung von Flugtickets, die vor Gericht als offenbar einziger Grund für die Forderung einer Haftstrafe verblieben sind. Im Dezember 2013 prägte die Sonderkommission 'Ines' erstmalig das Wort 'Runterbuchen'. Um acht Mill. Euro und 60.000 Flugtickets soll es damals gegangen sein. (Bild-Leipzig-Bericht; Anmerkung: sowie Leipziger Volkszeitung vom 12.12.2013 und ein weiterer Bericht in der LVZ ebenfalls vom 12.12.2013).
In der Anklage vom Januar diesen Jahres waren es dann sogar 87.000 Fälle. (Bericht in der Leipziger Volkszeitung) Im Plädoyer nun soll es laut LVZ.de nur noch um 41.395 Fälle gegangen sein. Wo sind die anderen Fälle geblieben? Fragen wie diese gehören aufgeklärt.
Weite Teile der Öffentlichkeit hatten nicht die Möglichkeit, die Verhandlung zu verfolgen, die zur Aufklärung des Gerichts hat beigetragen sollen. Sie hat verpasst, wie hochrangige Tourismus-Manager dem Gericht die Branchenüblichkeit der Ticketoptimierung, die steten Preisschwankungen im Airline-Vertrieb und den Unterschied von öffentlichen und nicht-öffentlichen Tarifen erklärt haben. Letztere, die so genannten Netto-Tarife, sind häufig zur eigenen Kalkulation freigegeben. Die Anklage übersieht solche Fakten.
Die Sonderkommission 'Ines' hat mit ihrer Arbeit maßgeblich zum Niedergang der Unister Group beigetragen. Die vor den Ermittlungen eingeleitete Expansion etwa über Neubauten in Leipzig und den Aufbau von Niederlassungen etwa in Großbritannien, Südeuropa und den USA war nicht mehr aufzuhalten, als im Dezember 2012 erstmalig 'Ines'-Ermittler sehr öffentlichkeitswirksam Unister-Räume durchsuchten. Kreditlinien brachen zusammen, wichtige Partner stellten ihre Zusammenarbeit ein. Der ordentliche Kapitalmarkt war quasi über Nacht verschlossen.
Díe Untersuchungshaft von Thomas Wagner und zweier weiterer Manager blieb für Unister eine Wunde, die nie verheilte. Sie platzte auf, wenn sich ein Investor redlich um den Internet-Konzern bemühte. Und sie entzündete sich irgendwann. Tatsächlich niemand wollte zu einem angemessenen Preis in einen Internet-Konzern investieren, dessen Gründer und Chef bereits im Gefängnis saß und der Zeit Lebens (und er lebte noch fast vier weitere Jahre) nicht die Gelegenheit bekommen hat, sich zu den von Dr. Reuter erhobenen Vorwürfen zu rechtfertigen. Fast zwei Jahre lang prüfte das Landgericht Leipzig die erste Anklage. Das Thema 'Runterbuchen' wurde erst 2016 angeklagt, wenige Monate vor dem Tod von Thomas Wagner. Wieso erst so spät?
Der von 'Ines' bezifferte Schaden wurde möglicherweise hochgerechnet. Es besteht der Verdacht, als sei es Dr. Dirk Reuter und seinem Vorgänger im Amt Andreas Günthel explizit darum gegangen, eine Untersuchungshaft zu erwirken. Diese setzt bei Steuerhinterziehungen eine Schadenshöhe von mindestens einer Million Euro voraus. Die war jedoch zu Ermittlungsbeginn bei keiner der Anklagepunkte in Sicht. Auch nicht beim umstrittenen Produkt 'Flexifly', für die die Bundesfinanzaufsicht Bafin bis heute nicht final entschieden hat, ob der Umbuchungsservice nun eine Dienstleistung oder eine Versicherung ist, wie es die Staatsanwaltschaft schlicht voraussetzt. Dr. Reuter soll die Bafin im Herbst 2016 gebeten haben, den fälligen Anhörungsbescheid nicht abzuschicken. Statt die Steuerfrage zu entscheiden, ließ die Bafin die potenzielle Schadenshöhe durch erbetenes Abwarten auf über eine Million Euro ansteigen.
'Es wäre ein Justizskandal', erklärte der Leipziger Justizprofessor Desens zu diesem Thema. Er war schon 2016 der Meinung, dass unverhältnismäßig gegen Unister vorgegangen wurde. Inzwischen liegt dem Gericht ein umfassendes Gutachten zu dem Thema vor. Es erfordert weitere Aufklärungsarbeit der Justiz, die bislang ausblieb. (Bericht in der Leipziger Volkszeitung)
Es liegt an der 15. Kammer des Landgerichts unter dem Vorsitz von Volker Sander, um das Plädoyer von Dr. Reuter einzuordnen und ein gerechtes Urteil zu fällen. Unabhängig von der Urteilsfindung stellt sich die Sinnfrage der Ermittlungen. Dr. Reuter und seine Sonderkommission ermittelten gegen mehr als 80 Unister-Mitarbeiter. Nur in zwei Fällen wird nun eine im Vergleich zum Ermittlungsaufwand eher moderate Strafe verlangt. Waren die anderen Mitarbeiter so unschuldig, wie anzunehmen ist?
Das von Dr. Reuter geforderte Strafmaß steht in keinem Verhältnis zu dem entstandenen Schaden, der letztendlich hunderte Arbeitsplätze und Existenzen vernichtet hat und für die Angehörigen der Unister-Gründer Wagner und Oliver Schilling zum Drama wurde. Dieses Strafverfahren belastet nachhaltig die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Sachsen. Die Arbeit der 'Ines' muss vorbehaltlos aufgearbeitet werden."
Die Onlinepetition zu Unister initiiert hatte der bekannte Reisejournalist Dirk Rogl. Er hatte, nachdem Korosides freiwillig im Sommer 2015 seine Tätigkeit bei Unister beendet hatte, um zurück in seine Heimat in Süddeutschland zu gehen, dessen Job ein Jahr bis zur Unister-Insolvenz im Sommer 2016 übernommen. Korosides, der seit 2009 bei Unister gearbeitet hatte, hatte Dreiviertel der Wachstumsphase von Unister miterlebt.