Warum sich nach zwölf Jahren noch einmal etwas bewegt
Zwölf Jahre nach der Insolvenz der FlexStrom AG erhalten derzeit zahlreiche ehemalige Kunden ein Schreiben des Insolvenzverwalters. Es geht dabei nicht um eine angekündigte Auszahlung oder eine neue Forderung, sondern um die formale Vorbereitung der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren – ein Schritt, der in großen Verfahren häufig erst viele Jahre nach der eigentlichen Pleite erfolgt.
Ein ehemaliger FlexStrom-Kunde leitete das Schreiben an NETZ-TRENDS.de weiter und berichtete von Schwierigkeiten beim vorgeschriebenen Online-Verfahren.
Absender des Schreibens ist Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger, Rechtsanwalt und gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der FlexStrom AG. Das Insolvenzverfahren wird beim Amtsgericht Charlottenburg (Insolvenzgericht) unter dem Aktenzeichen 36f IN 1569/13 geführt.
Die administrative und technische Umsetzung erfolgt über die internationale Wirtschaftskanzlei White & Case LLP, die im Briefkopf mit folgender Adresse genannt ist:
White & Case LLP
John-F.-Kennedy-Haus
Rahel-Hirsch-Straße 10
10557 Berlin
E-Mail: info@whitecase.com
Wichtig ist die klare Abgrenzung: White & Case ist nicht Insolvenzverwalter. Die Kanzlei stellt Infrastruktur und Gläubigerportal bereit. Die rechtliche Verantwortung für Ablauf und Entscheidungen liegt ausschließlich beim Insolvenzverwalter Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger.
Das Schreiben ist datiert auf den 12. Dezember 2025. Darin heißt es ausdrücklich, dass derzeit die Auszahlung der Schlussverteilung gemäß § 196 Insolvenzordnung vorbereitet wird:
„Im Zuge der Abwicklung des oben genannten Insolvenzverfahrens wird derzeit die Auszahlung (Schlussverteilung gemäß § 196 InsO) an die Gläubiger vorbereitet.“
Angeschrieben werden Gläubiger, die im Jahr 2013 oder später eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Sie werden gebeten, ihre aktuelle Bankverbindung mitzuteilen, damit – falls es zu einer Auszahlung kommt – die Insolvenzquote überwiesen werden kann.
Der Brief stellt zugleich klar, dass weder Höhe noch Zeitpunkt einer möglichen Auszahlung feststehen. Es handelt sich also nicht um eine Auszahlungseinladung, sondern um eine formale Datenerhebung, die Voraussetzung für eine spätere Überweisung wäre.
Der Insolvenzverwalter verweist auf die außergewöhnliche Größe des Verfahrens mit rund 370.000 Gläubigern. Um diese Zahl verwalten zu können, werde eine weitestgehende Automatisierung benötigt. Zu diesem Zweck wurde das Portal www.flexstrom-inso.de eingerichtet.
Nach der Registrierung können Gläubiger ihre damals hinterlegten Adress- und Bankdaten einsehen, prüfen und aktualisieren. Zusätzlich wird auf neue regulatorische Anforderungen hingewiesen. Seit Oktober 2025 gilt bei SEPA-Überweisungen eine Empfängerüberprüfung, weshalb der vollständige Name des Kontoinhabers zwingend angegeben werden muss. Bei Namensänderungen sind entsprechende Nachweise hochzuladen.
Der Brief weist außerdem darauf hin, dass Gläubiger im Portal erklären können, auf eine Auszahlung zu verzichten, etwa wenn angesichts der erwarteten Quote kein Interesse besteht.
Der Insolvenzverwalter macht deutlich, dass die Kommunikation ausschließlich über das Portal erfolgen soll. Anfragen oder Mitteilungen an Kanzlei oder Insolvenzverwalter seien zu unterlassen; Sachstandsanfragen könnten aufgrund der hohen Zahl der Beteiligten nicht beantwortet werden.
Damit ist der Portalzugang nicht optional, sondern der einzige vorgesehene Weg, um Daten zu übermitteln oder auf eine Auszahlung zu verzichten.
Ein ehemaliger FlexStrom-Kunde berichtet gegenüber NETZ-TRENDS.de, dass der Zugang zum Portal für ihn zunächst problematisch war:
„Als ich auf die Webseite ging, lud sie nicht richtig. Dann musste ich mich registrieren – das hat mehrfach nicht funktioniert, immer wieder ‚registration failed‘. Irgendwann klappte es, dann sollte ich die E-Mail verifizieren. Nach dem Klick kam wieder eine Fehlermeldung, die Seite existiere nicht. Erst mit einer anderen E-Mail-Adresse hat es schließlich funktioniert.“
Dabei handelt es sich um eine Einzelschilderung eines Betroffenen. Ob weitere Gläubiger ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ist derzeit offen.
Die Insolvenz der FlexStrom AG zählt zu den größten Energiepleiten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dass die Schlussverteilung erst viele Jahre nach der Pleite vorbereitet wird, ist bei Massenverfahren dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich. Der nun versandte Brief dient der formalen Vorbereitung, nicht der Ankündigung einer konkreten Auszahlung.
Die Registrierung im Portal ist deshalb vor allem ein verwaltungsrechtlicher Schritt, um Datensätze zu aktualisieren und rechtssicher abzuschließen. Technische Hürden können für Betroffene dennoch irritierend sein – insbesondere dann, wenn es keinen alternativen Kommunikationsweg gibt.
Stand: 19. Dezember 2025
Nachdem NETZ-TRENDS in diesem Text über die aktuell verschickten Schreiben zur Schlussverteilung im Insolvenzverfahren der FlexStrom AG berichtet, lohnt ein kurzer Blick zurück auf frühere Eskalationspunkte des Verfahrens. Denn die nun geforderte Online-Registrierung der Gläubiger ist nicht der erste Moment, in dem das Insolvenzverfahren auch Jahre nach der Pleite noch einmal öffentlich sichtbar wurde.
Bereits im Oktober 2018, also mehr als fünf Jahre nach der Insolvenzanmeldung, ließ der Insolvenzverwalter Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger im Zuge der Zwangsvollstreckung Vermögensverhältnisse des früheren FlexStrom-Gründers M. prüfen. Darüber berichtete manager-magazin.de am 22. November 2018. Hintergrund waren Millionenforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit rund sechs Millionen Euro, die kurz vor der Insolvenzanmeldung auf M.'s privates Konto geflossen sein sollen (Quelle: manager-magazin.de, Christina Kyriasoglou, 22.11.2018).
Ungewöhnlich an dem Vorgang war weniger die Maßnahme selbst als ihr später Zeitpunkt. In vielen Insolvenzverfahren konzentrieren sich Vollstreckungs- und Ermittlungsmaßnahmen auf die ersten Monate oder Jahre. Dass es im Fall FlexStrom noch Jahre nach der Insolvenz zu einer solchen Eskalation kam, verdeutlicht die außergewöhnliche Komplexität und Länge des Verfahrens.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum das Insolvenzverfahren erst Ende 2025 in die Phase der formalen Schlussverteilung eintritt – und warum ehemalige Kunden heute erneut Post erhalten. Die aktuelle Online-Registrierung steht damit am Ende eines Verfahrens, das über mehr als ein Jahrzehnt hinweg immer wieder neue rechtliche und organisatorische Wendungen genommen hat.