
Er war einer der letzten, die das geschriebene Wort noch zu lieben wussten wie ein Lebewesen. Franz Josef Wagner ist tot. Der Mann, der fast ein halbes Jahrhundert lang das Herz des deutschen Boulevards war, ist im Alter von 82 Jahren in Berlin gestorben. Mit ihm verstummt eine Stimme, die nie still war – laut, poetisch, zärtlich, provozierend. Seine Kolumne schrieb er anfänglich ab 2001 unter dem damaligen Chefredakteur Kai Diekmann, der das Blatt gut 15 Jahre prägte und selbst einer der bekanntesten deutschen Journalisten mit BILD wurde und bis heute ist.
Wagner war Journalist, Autor, Chefredakteur, Menschenfreund und Einzelgänger zugleich. Er hat den Ton geprägt, mit dem Millionen Deutsche morgens Zeitung lasen. Seine Kolumne „Post von Wagner“ war keine Rubrik, sondern ein Ritual – mal Wutbrief, mal Liebeserklärung, mal Gebet. Er schrieb, wie andere atmen. Und als er das nicht mehr konnte, hörte sein Herz auf.
Geboren im mährischen Olmütz, aufgewachsen in Regensburg als Sohn einer Flüchtlingsfamilie, wurde Wagner früh ein Suchender – nach Sprache, nach Wahrheit, nach Nähe. Seine journalistische Karriere führte ihn zu den großen Häusern: Bunte, Quick, Bild, Axel Springer Verlag. Er war Chefredakteur, Reporter, Essayist, Ghostwriter, Vertrauter von Beckenbauer, Dietrich, Knef, Sander. Ein Mann, der Legenden kannte – und selbst eine wurde.
„Wenn ich nicht mehr schreiben kann, sterbe ich.“ Diesen Satz hat er oft gesagt. Jetzt ist er Wirklichkeit geworden.
Wagner war kein Intellektueller im Elfenbeinturm, sondern ein Intuitiver, ein Menschenschreiber. Seine Worte rochen nach Rauch, Espresso und Parfüm. Er schrieb aus dem Bauch, aber immer mit Herz. Seine Texte waren oft ein Zirkus, manchmal ein Schrei – doch immer ehrlich.
Er konnte grausam liebevoll und liebevoll grausam sein. Seine Kolumnen trafen Prominente, Politiker und die eigene Zunft gleichermaßen. Aber wer ihn wirklich kannte, wusste: Hinter der Pose steckte ein zutiefst sensibler Mann, ein Melancholiker, der die Einsamkeit des Schreibens ertrug, weil er sie brauchte.
In seiner Berliner Altbauwohnung stapelten sich Bücher, Bilder und Erinnerungen. Am Schreibtisch stand ein Stein aus dem Garten von Albert Einstein – sein „Glücksstein“. Dort schrieb er bis zuletzt seine Briefe an die Welt.
Franz Josef Wagner war ein Mann der Extreme: zwischen Poesie und Polemik, zwischen Lärm und Schweigen. Er war ein „Domspatz“ Gottes und ein Bohemien des Lebens. Ein Regensburger, der in Paris Sartre begegnete und in St. Tropez seine Seele fand.
Für viele war er das letzte Genie des Boulevards. Für uns war er ein Lehrer, ein Spiegel, ein Freund.
Jetzt sitzt er vielleicht auf einer Wolke und schreibt weiter – an die Engel, an Gott, an uns. Seine Kolumnen werden bleiben, seine Sprache klingt nach.
Mach’s gut, FJW.
Wir vermissen dich.
Die Redaktion von NETZ-TRENDS.de
Wir verweisen auf einen FJW-Nachruf des bekannten BILD-Journalisten Norbert Körzdörfer.
Die Übersicht der BILD Chefredakteure seit 1952findest Du hier:
Chefredakteure der Bild | |
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Jahr | Chefredakteur |
1952 | Rolf von Bargen |
1952–1958 | Rudolf Michael |
1958–1960 | Oskar Bezold |
1960–1961 | Karl-Heinz Hagen |
1961–1971 | Peter Boenisch |
1971–1981 | Günter Prinz |
1981–1988 | Horst Fust |
1988–1989 | Werner Rudi |
1989–1990 | Peter Bartels & Hans-Hermann Tiedje |
1990–1992 | Hans-Hermann Tiedje |
1992–1997 | Claus Larass |
1998–2000 | Udo Röbel |
2001–2015 | Kai Diekmann |
2016–2018 | Tanit Koch |
März 2018 – März 2021 | Julian Reichelt |
März 2021 – Oktober 2021 | Julian Reichelt & Alexandra Würzbach |
Oktober 2021 – März 2023 | Johannes Boie |
März 2023 | Marion Horn |
seit April 2023 | Marion Horn & Robert Schneider |