OnlyFans-Milliardär Leonid Radvinsky: Wie 4,1 Mio. Erotik-Creator ihm ein Vermögen bescherten – und warum die gay Grabby Awards Europe 2025 in Torremolinos nur die glitzernde Oberfläche eines umstrittenen E-Commerce-Geschäfts zeigen

Die Dachterrasse des Hotel Ritual versinkt im Apricot-Schimmer des Mittelmeers. Hostessen üben den Gang über den LED-Catwalk, Techniker verriegeln die letzten Traversen; der Countdown zur Gala der Grabby Awards Europe läuft. Offiziell gibt es 600 Akkreditierungen, doch das Haus verfügt nur über 190 Zimmer. Selbst bei konsequenter Doppelbelegung entstehen höchstens etwa 380 Übernachtungsplätze; alle übrigen Darsteller, Agenten und Payment-Provider buchen Herbergen von Benalmádena bis Málaga-Centro. Ein Vier-Tage-Wristband kostet 139 €, das günstigste Zimmerpaket rund 250 € pro Nacht. Champagner zischt – doch der größte Geldstrom fließt fast 7 000 Kilometer westwärts nach Palm Beach, Florida, auf die Konten von Leonid Radvinsky.

Grafik: NETZ-TRENDS.de mit Pro-Version von Chat GPT. Stand: 27.4.2025.

Von Poster-Archiv zum Milliarden-Portal

Am 24. November 2002 zeigt die Wayback Machine auf OnlyFans.com harmlose Poster von Vin Diesel, Julia Roberts und den Simpsons: null Erotik, aber tausende Backlinks – ein schlafender Google-Schatz. Im Juli 2016 reaktiviert der Brite Tim Stokely die verwaiste Domain; sein Vater Guy stellt 10 000 £ Startkapital zur Verfügung. Die Plattform soll Koch- und Fitnessvideos verkaufen und 80 % der Erlöse an Creator ausschütten, Pornografie ist tabu.

Der Kurs kippt im Oktober 2018. Leonid Radvinsky, gebürtiger Ukrainer aus Odessa, als Kind in die USA gezogen, Wirtschafts­absolvent der Northwestern University und bereits Multimillionär mit der Cam-Site MyFreeCams, übernimmt 75 % der Londoner Mutter Fenix International – die Financial Times sprach vom „Moment, in dem eine Wellness-Paywall zur Pornosupermacht mutierte“. Radvinsky hebt das NSFW-Verbot auf; die seit 2002 angesammelten Backlinks katapultieren OnlyFans ohne Werbeetat in Googles Spitzenränge. Schon in den Nuller­jahren hatte er mit Passwort-Foren wie Ultra Passwords und Working Passes Millionen umgesetzt und war 2004 von Microsoft wegen Massen-Spam verklagt worden – ein Vergleich, der seinen Ruf als „König der Grauzone“ zementierte.

Bilanz 2023 – Glamour für wenige, Brosamen für viele

Der testierte Abschluss von OnlyFans (Stichtag 30. November 2023) weist 305 Millionen Fan-Accounts, 4,1 Millionen Creator, 1,3 Milliarden US-Dollar Plattformumsatz und 6,6 Milliarden US-Dollar Auszahlungen aus. Umgerechnet ergibt das 1,14 Milliarden € Erlös bei 5,8 Milliarden € Honoraren. Radvinsky entnahm laut Guardian vom 6. September 2024 eine Dividende von 472 Millionen US-Dollar und summierte seit 2020 mehr als 880 Millionen € persönlicher Ausschüttung. Rechnet man 5,8 Mrd. € auf 4,1 Mio. Konten, bleiben statistisch 118 € Monatsverdienst pro Creator – eine Zahl, die im Influencer-Marketing nie auftaucht.

Reality-Check: ein Münchner IT-Architekt in den Top 10 %

NETZ-TRENDS.de erhielt Einsicht in das Backend eines sehr erfolgreichen OnlyFans-Creators; die persönlichen Details wurden zur Wahrung der Privatsphäre leicht verfremdet. Der Social Media Star ist Mitte fünfzig, arbeitet als leitender IT-Architekt im Großraum München und bezieht aus dem Hauptberuf rund 100 000 € Jahresbrutto. Sein Gesicht zeigt er nie; Publikum zieht er primär an mit 23 Zentimeter messender Besonderheit, die er in UHD-Clips gerne zeigt. Er produziert nur einen neuen Clip pro Woche, investiert dafür etwa drei bis vier Stunde in Aufnahme, Schnitt und das Posten und Re-Tweeten eines 40-Sekunden-Teasers auf X.Ein Selbstläufer ist Wachstum auch hier nicht. Erfolgreiche Erotik-Darsteller und Porn-Darsteller treffen sich global für Drehs.

Auf X folgen ihm 230.000 Personen, 230 lösen ein Abo auf OnlyFans aus – eine Conversion-Rate von 0,1 %. Das bedeutet die Umsatzrate, also aus wie vielen Seitenbesuchern man real Umsatz erzielt. Eine altbekannte Grüße im E-Commerce.

Bei 8,15 € Tarif fließen monatlich 1 875 € brutto auf das Konto des Porn-Stars. Nach der fixen 20-%-Gebühr für OnlyFans bleiben 1 500 €; nach deutscher Steuerlast in seinem Fall (45 Prozent Spitzensteuersatz) kommen rund 825 € netto an. Auf Jahresbasis ergibt das einen Nettobetrag von knapp 9 900 €. Das platziert ihn dauerhaft in den Top 10 % der OnlyFans-Verdiener und zeitweise sogar in den besten fünf Prozent – bemerkenswert, weil seine Abschlussquote ostensiv winzig aussieht.Klar ist: Frauen können deutlich mehr verdienen, weil da fan base deutlich größer ist. Am Ende sind halt nach Studien nur im Schnitt um die 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung gleichgeschlechtlich orientiert.

Warum Reife Kapital ist

Der Influencer Marketing Hub meldete am 14. Februar 2024, dass etwa 29 % der umsatzstärksten OnlyFans-Accounts von Menschen über 40 geführt werden. Deshalb ist es heute nicht mehr selten, dass über 50-jährige oder über 55-jährigen noch Porno-Stars sind. Sie wirken häufig nicht nur jünger, sondern sind es real im Vergleich zu den früheren Generationen.

Vor allem Wohnstandsgesellschaften ermöglichen es, dass man viel länger jung sein kann, wenn man nicht selber gesundheitsschädliche Fehler macht. Ein Syrer brachte es einmal auf dem Punkt, als er zu NETZ-TRENDS.de sagte: Ein 60-jähriger Syrer sehe häufig aus wie ein 90-jähriger Deutscher. Oder: Armut, viel Existenz-Stress und Krieg machen alt. Umgekehrt macht ein entspannteres Leben eher jünger.

Eine Nature Communications-Studie aus 2021 zeigt, dass hohe Einkommen die biologische Alterung im Schnitt um 5,7 Jahre verlangsamen. Die WHO World Health Statistics 2023 weisen Bewohnern wohlhabender Staaten bis zu zwölf zusätzliche gesunde Lebensjahre zu. Kombiniert mit Kapital für Softlights, 4K-Kameras und Hautpflege sowie mit Authentizität schlägt diese Reife die vermeintliche Dominanz der Generation Z.

Marktphysik der Mini-Conversion

Pornografie ist online gratis. Similarweb errechnete 2024, dass etwa 64 % des OnlyFans-Social-Traffics über X laufen; Adweek publizierte die Zahl am 12. Februar 2024. Jedes nationale Geoblocking – wie 2024 in Indonesien angedroht – kann Creator-Umsätze halbieren. Auch außerhalb der Erotik sind Abschlüsse dünn: WordStream taxiert Google-Ads-Search auf 3,55 %, Display-Ads auf 0,59 %. Vor diesem Hintergrund wirken 0,1 % in einem Abo-Modell marktkonform.

Steine auf dem Weg

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) demonstrierte ihre Durchgriffs­kraft erstmals im Frühjahr 2020. Damals stufte sie sechs frei zugängliche Hardcore-Profile auf Twitter/X als jugend­gefährdend ein, setzte unter Verweis auf § 24 Abs. 4 Medienstaats­vertrag eine zweiwöchige Frist und drohte ein Zwangsgeld von 500 000 € an. Mitte April schaltete Twitter die Accounts für alle deutschen IP-Adressen ab; Heise Online dokumentierte den vollständigen Schriftwechsel am 27. März 2020 und bezeichnete das Vorgehen als „Präzedenzfall“.

Ein noch heikleres Szenario folgte 2024. Erneut nahm die KJM mehrere deutsche Performer-Accounts auf Twitter/X ins Visier, diesmal wegen angeblicher Verstöße gegen den Jugendschutz: Die Behörde argumentierte, Minderjährige könnten ungehindert auf explizite Szenen zugreifen. Sie verlangte nicht nur die sofortige Sperre, sondern auch die Herausgabe von Klarnamen, Anschriften und IP-Logs der Darsteller und wies ausdrücklich darauf hin, dass bei Vorsatz eine Straf­verfolgung nach § 184 Abs. 1 StGB („Verbreitung pornografischer Schriften an Minderjährige“, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) möglich sei. Twitter informierte die Betroffenen, man müsse „gemäß Anordnung einer deutschen Behörde personenbezogene Daten weiterleiten“. Öffentlicher Druck durch Digital­politiker, Datenschutz­vereine und Leitmedien führte zu einem Kompromiss: Die KJM akzeptierte ein striktes Geo­blocking, sodass die Profile für deutsche IP-Adressen nur noch als Hinweis „@account withheld – this content is not available in your country“ erscheinen.

Kritiker bewerten die Lösung äußerst gegensätzlich. Die eine Seite hält Twitters schlichtes Alters-Pop-up („Are you over 18?“) bereits für ausreichend, weil dieselbe Ein-Klick-Bestätigung auch auf Tausenden anderen Portalen – von anonymen Tube-Sites bis YouTube oder sogar einer Google-Bildersuche – als implizite Schranke akzeptiert wird. Die Gegenposition verweist auf § 4 Abs. 2 JMStV und fordert einen „geschlossenen Benutzerkreis mit verlässlicher Volljährig­keits­kontrolle“, also Ausweis- oder Kreditkarten-Check. Die KJM kontert, das deutsche Verbotsprinzip verlange primär Geo­blocking, wenn kein belastbarer Alters­schutz vorliegt, und die Plattform habe hier ihren Pflichten entsprochen. Elternverbände werfen wiederum ein, dass in letzter Instanz die Erziehungsberechtigten gefordert seien: Wer daheim Jugendschutzprogramme oder Router-Filter wie OpenDNS Family Shield aktiviere, könne jede Porno­seite – ob Twitter, Pornhub oder ein obskurer CDN-Mirror – wirksam sperren.

Für zwei NETZ-TRENDS.de bekannte Performer bedeutete das Geo­blocking einen Reichweiten­verlust von gut 40 Prozent und spürbar weniger OnlyFans-Neuabos. Die angedrohten Straf­anzeigen wurden zwar eingestellt, weil keine Minderjährigen als Follower nachweisbar waren, doch der Fall illustriert, dass in Deutschland sowohl die Plattform als auch die Darstellenden haftbar bleiben und dass § 184 StGB jederzeit als härteste Keule droht, solange Click-Pop-ups als Jugendschutz umstritten sind.

Parallel grassiert Piraterie weiter. Eine taz-Recherche vom 8. Januar 2025 enthüllte über 1200 Telegram-Supergruppen mit zusammen mehr als sieben Petabyte gestohlenen OnlyFans-Clips. Mirror-Bots kopieren die Dateien binnen Minuten auf Discord, Mega.nz oder russische Filehoster. Takedown-Dienstleister wie Remove-My-Leaks oder DMCA-Force fordern 380 $ im Monat und erreichen laut taz-Interview selbst mit Hash-Scanning höchstens 85 Prozent Löschquote. Für den Münchner IT-Architekten bedeutet das: Jeder seiner wöchentlichen Clips kann noch am Veröffentlichungstag gratis in Brasilien, Polen oder Vietnam kursieren; ein Voll­service-Takedown würde sein Jahresnetto von knapp 9 900 € weiter schrumpfen.

Piraterie – Telegram-Leaks als schwarzes Loch der Creator-Ökonomie

Die größte Bedrohung für die Einnahmen vieler Performer ist nicht die Aufsichts­behörde, sondern die permanente Abwanderung neuer Clips in illegale Kanäle. Eine ausführliche taz-Analyse vom 8. Januar 2025 („Raubkopiert in Sekunden – der OnlyFans-Black-Market“) zeigt das Ausmaß: Zwei Investigativ­journalistinnen gaben sich auf Telegram als „Mega-Fans“ aus, traten mehr als 1 200 sogenannten Supergruppen bei und werteten drei Wochen lang Chat-Verläufe, Bot-Kommandos und Download-Statistiken aus. Am Ende summierten sich die Datensätze auf über sieben Petabyte, genug Material, um jede Sekunde des gesamten Netflix-Angebots fünfmal zu überschreiben.

Die Funktionskette ist brutal effizient. Sobald ein Creator einen Paywall-Clip hochlädt, kaufen sogenannte Seed-Piraten für ein einziges Monatsabo das Video, laden es mithilfe automatisierter Scraper herunter und speisen es noch in derselben Stunde in eine Supergruppe ein. Ein Bot – häufig trägt er Namen wie @OnlyLeakCat oder @OfDumpBot – erzeugt daraus ZIP-Pakete à fünf oder zehn Gigabyte, postet eine kommentierte Inhaltsliste („GermanDaddy-2025-04.mp4, 4K, 02:13 Min.“) und hinterlegt Bezahlbuttons für „Spenden“ via PayPal oder Kryptoadressen. Innerhalb von Minuten spiegelt ein zweiter Bot die gleichen Dateien auf Discord und Mega.nz; nach sechs Stunden tauchen die Pakete in russischen Filehostern auf, wo sie mit Hochgeschwindigkeit verteilt werden.

Die Reporterinnen fragten zehn kommerzielle Lösch­dienstleister an; nur zwei beantworteten das Interview. Beide verlangen 380 Dollar monatlich Grundgebühr – kein Schnäppchen, wenn der Creator pro Jahr kaum 10 000 Euro netto verdient. Selbst mit Hash-Scanning, sagte ein Sprecher von Remove-My-Leaks, erreiche man „unter idealen Bedingungen etwa 85 Prozent Löschquote“. Das restliche Fünftel bleibe online, weil Mirror-Bots neue Links schneller anlegen, als Prüf­algorithmen sie fassen. Besonders perfide: Viele Gruppen archivieren die Dumps zusätzlich in Peer-to-Peer-Netzwerken wie IPFS, sodass selbst abgeschaltete Filehoster-Knoten das Material nicht mehr verschwinden lassen.

Für den Münchner IT-Architekten hat jede Veröffentlichung daher ein eingebautes Verfallsdatum. Ein Clip, den er an einem Montagmorgen produziert, steht spätestens Montagnachmittag in mindestens drei Dump-Kanälen gratis bereit. Er kalkuliert das Risiko ein, verzichtet aber bislang auf teure Löschabos – die Gebühr würde sein Jahresnetto von knapp 9 900 Euro weiter reduzieren. Stattdessen setzt er auf Pre-Launch-Hype, persönliche Chats mit Stammkunden und ein streng geregeltes Veröffentlichungstempo von genau einem Clip pro Woche. Sein Kalkül: Schneller Nachschub bindet Abonnenten stärker, als jeder Takedowndienst es könnte.

Die taz resümiert, dass Piraterie längst Teil der Geschäfts­formel sei: „Creator produzieren, Leaker verteilen, Fans zahlen entweder mit Geld oder Geduld, und am Ende profitiert ein Mann in Palm Beach, der von jedem regulären Abo ohnehin zwanzig Prozent abzweigt.“ In dieser Schleife erweisen sich Telegram-Supergruppen als schwarzes Loch der Creator-Ökonomie – sichtbar für alle, juristisch kaum zu stopfen und finanziell eine permanente Soll-Position in jeder Kalkulation.

Grabby Awards Europe – das Gay-Cannes der Pornobranche

Der Preis, 1991 als kleine Rangliste im Gay Chicago Magazine gestartet, hat seit 2023 seine Europa-Heimat an der Costa del Sol. Eingereicht werden durften Werke, die vom 1. Januar 2024 bis zum 26. Januar 2025 erschienen sind, eine erkennbare Story‐Line und mindestens einen europäischen Darsteller besitzen. Die Frist endete strikt am 26. Januar, Screener-Uploads und Model-Releases inklusive. Ein 15-köpfiges Screening-Board wählte daraus 76 Shortlist-Titel. Der Fahrplan umfasst Tage voller Panels – etwa „Consent & AI“ – und Nächte am Rooftop-Pool. Gesponsert wird von Payment-Providern wie Epoch und Toy-Marken wie Oxballs. Am Finalabend vergibt die Jury 23 Trophäen; 2024 stammten 52 % der Nominierungen von OnlyFans- oder JustForFans-Accounts, klassische Studios erreichten 48 %. Jede Statue erinnert daran, dass längst 20 % jeder Creator-Einnahme in Leonid Radvinskys Gebührentopf geflossen sind.

Schlussbild – Odessa, Palm Beach, Torremolinos

Die Rooftop-Stories aus Torremolinos liefern Glanz; der dickste Cashflow wandert jedoch zu Leonid Radvinsky. Eine 23 Jahre alte Domain, zehntausende Backlinks und ein unerschütterliches 20-Prozent-Gebührenmodell verschaffen dem Mann aus Odessa Milliardendividenden. Gleichzeitig zeigt der Münchner IT-Profi mit einem einzigen Clip pro Woche, dass ein reifer Creator mit charismatischer 23-Zentimeter-Visitenkarte trotz 0,1-%-Conversion in die Top-Verdienerschicht aufsteigen kann. Viele schuften, der Milliardär kassiert, doch wer seine Nische präzise bedient, beweist: Auch im Schatten des Giganten lässt sich 2025 echtes Geld verdienen.

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