AfD-Aufstieg Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen - Ein Psychologe über Ursachen und Konsequenzen der aktuellen politischen Lage in Deutschland

Die jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben nicht nur in Deutschland, sondern auch in der gesamten DACH-Region für Aufsehen gesorgt. Die Ergebnisse zeigen eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den etablierten Parteien und eine stärkere Unterstützung für die AfD. Um die Hintergründe dieser Entwicklung zu verstehen und ihre Auswirkungen auf die politische Landschaft zu beleuchten, hat NETZ-TRENDS.de (NT) mit dem Psychologen B. K. gesprochen.

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NETZ-TRENDS (NT): Die Wahlergebnisse sind keine Überraschung, aber sie zeigen, dass Deutschland und insbesondere die SPD in einer schwierigen Situation stecken. Was halten Sie davon?

Dipl. Psychologe Bernd Kielmann, Hamburg: Die SPD hat sich zu sehr darauf konzentriert, die AfD zu bekämpfen, und dabei übersehen, was die Wähler wirklich bewegt. Ich habe Kevin Kühnert bereits geschrieben, dass die AfD wie ein Fieberthermometer ist – sie zeigt lediglich den Zustand der Gesellschaft an, ohne die eigentlichen Ursachen der Unzufriedenheit zu bekämpfen. Solange die SPD nur versucht, die AfD zu bekämpfen, ändert sich nichts. Die Partei muss sich vielmehr auf die Themen konzentrieren, die den Menschen wirklich wichtig sind: den ökologischen Umbau, soziale Sicherung und Migration. Fehler in diesen Bereichen werfen der SPD und der gesamten Ampelkoalition nun große Schwierigkeiten auf.

NT: Können die Ergebnisse dieser Wahlen als eine Fortsetzung der Europawahlen betrachtet werden?

B. K.: Absolut. Viele Menschen fühlen sich heute genauso bevormundet wie zu Zeiten der DDR, als die SED vorschrieb, was man zu denken und zu tun hatte. Diese Empfindung haben heute viele Bürger ebenfalls, etwa durch die als bevormundend wahrgenommene Politik von Robert Habeck. Solche Wahrnehmungen erzeugen Widerstand, und dieser Widerstand zeigt sich deutlich in den Wahlergebnissen. Aus psychologischer Sicht ist das emotionale Erregungsniveau in der Gesellschaft momentan sehr hoch, was es schwer macht, sachliche Diskussionen zu führen.

NT: Wie sollten die bürgerlichen Parteien auf diese Situation reagieren?

B. K.: Auch wenn Politiker wie Nancy Faeser versuchen würden, alle Forderungen der Menschen zu erfüllen, würde das den Einfluss der AfD kaum mindern. Viele Menschen befinden sich in einer Stimmung, in der sie "dafür sind, dagegen zu sein". Um das zu ändern, muss das emotionale Erregungsniveau gesenkt werden. Die Parteien müssen den Dialog suchen und den Menschen zuhören, besonders Persönlichkeiten wie Robert Habeck. Er sollte versuchen, seine Politik nicht nur ideologisch durchzusetzen, sondern den Menschen mehr Empathie entgegenzubringen und ihre Sorgen ernst zu nehmen.

NT: Welche Schritte sind notwendig, um das emotionale Erregungsniveau zu senken?

B. K.: Das ist ein langer und komplexer Prozess. Wenn wir uns die USA ansehen, sehen wir, wie schwierig das sein kann. Donald Trump hat es geschafft, eine emotionale Bindung zu seinen Anhängern aufzubauen, die so stark ist, dass selbst schwerwiegende Fehler ihm nicht geschadet haben. In Deutschland könnte bei Björn Höcke ein ähnlicher Effekt eintreten. Selbst wenn er sich weiter radikalisiert, wird er wahrscheinlich weiterhin Unterstützung finden. Die AfD ist nur ein Symptom einer tiefer liegenden Unzufriedenheit. Anstatt sich nur auf die AfD zu konzentrieren, sollten sich die Parteien auf die Ursachen der Wählerunzufriedenheit konzentrieren.

NT: Was sollte die SPD konkret tun, um ihre Situation zu verbessern?

B. K.: Die SPD muss die Menschen emotional dort abholen, wo sie stehen, und ihre zentralen Anliegen verstehen. Das bedeutet, ein Programm zu entwickeln, das diese Anliegen aufgreift und den Menschen zeigt, dass sie wirklich verstanden werden. Empathie ist hier der Schlüssel. Nur wenn die emotionale Erregung nachlässt, kann die SPD wieder sachliche Diskussionen führen und letztlich durch Taten beweisen, dass sie die Anliegen der Menschen ernst nimmt.

NT: Haben Sie abschließend einige konkrete Vorschläge für die SPD?

B. K.: Die SPD sollte auf die großen gesellschaftlichen Umbrüche reagieren, wie etwa die durch Künstliche Intelligenz verursachten Veränderungen in der Arbeitswelt. Ein neues Bildungsprogramm, das den Menschen neue Perspektiven bietet und auf den Errungenschaften der 60er- und 70er-Jahre aufbaut, wäre ein wichtiger Schritt, um Vertrauen zurückzugewinnen und den Menschen Hoffnung für die Zukunft zu geben.

Kurzvita zu Bernd Kielmann

Bernd Kielmann ist Psychotherapeut und Coach mit einer Praxis in der Hamburger Neustadt, nahe der Laeiszhalle. Er bietet sowohl Psychotherapie, insbesondere mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie, als auch Coaching an. Seine Arbeit umfasst die Unterstützung von Klientinnen und Klienten bei Veränderungsprozessen im beruflichen oder privaten Kontext, sowohl online als auch in Präsenz. Die Praxis behandelt Patientinnen und Patienten, die gesetzlich oder privat versichert sind, sowie Selbstzahlerinnen und Selbstzahler. Kielmann bietet auch Onlinekurse für Coaching über eine gesicherte Onlineverbindung an.

Kontakt (nur nach vorheriger Terminvereinbarung über E-Mail):

E-Mail für Terminanfragen: info@praxis-kielmann.de; www.praxis-kielmann.de

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