+ Missbraucht Comparis in der Schweiz seine Marktmacht?

Das Schweizer Preisvergleichsportal Comparis generiert sich in der Schweiz gerne als Saubermann oder Sauberfrau. Der Gründer, der sich mit dem Portal mehr als nur eine goldene Nase verdient hat, gibt sich nach außen gern Schweizerisch bodenständig zurückhaltend. Im Innenleben sieht es anders:

Heftiger Gegenwind gegen eine Schweizer Hirschkuh oder Platzhirsch - Comparis. Das Portal sieht sich Vorwürfen des Machtmissbrauchs ausgesetzt und dubioser Rankings mit Provisionszahlungen.

Am Züricher Standort gibt es schon seit längerer Zeit auf diversen Positionen Stühlerücken und Machtkämpfe, berichten Insider und Insiderinnen. Als sonderlich zimperlich im Umgang mit Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen waren Schweizer Unternehmen noch nie bekannt. In einem Land, wo vertraglich festgeschriebene 42 bis 45 Stunden-Arbeitswochen immer noch üblich sind.

Ziele bedeuten meistens Arbeit. Und im sich selbst Ziele stecken, kennt man sich auch in der Belegschaft von Comparis aus, die mitten in Zürich arbeitet. Ein großes Ziel, das wie ein Mantra über den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen schwebt, einige sagen, eher wie ein Damoklesschwert, lautet ja nicht weniger als weiterhin der Platzhirsch unter den Preisvergleichsportalen der Schweiz zu sein. Und das bedeutet, wer das ist, verdient viele Millionen Fränkli.

Alleine mit dem Krankenkassen-Vergleich habe man, schreibt Comparis in einer seltenen eigenen Umsatz-Mitteilung, 6,8 Millionen Euro im Jahr umgesetzt.[i] [1] Ist das viel? Für die mit 8,7 Millionen Einwohnern überschaubare Schweiz schon, darunter gerade mal 5,5 Millionen stimmberechtigte Stimmbürger.

Nimmt man Deutschland mit seinen 83,2 Millionen Einwohnern[ii] [2] als Grundlage (2011 waren es noch um die 80,2 Millionen Bürger), doch aus Krisengebieten sind Millionen zugezogen, und würde den erzielten Umsatz auf Deutschland hochrechnen, wären es schon über 60 Millionen Euro Umsatz mit dem Vermitteln von Krankenkassen im Jahr.

Millionen-Geschäft Krankenkassen-Wechsler

Und das nur für die Krankenkassen-Wechslelschaft. Hinzu kommen zahlreiche andere lukrative Vermittlungsgeschäfte von Comparis, zum Beispiel mit Kfz-Versicherungen usw. Als Haupt-Vergleichsbereiche nennt das Portal neben Versicherungen auch Finanzen (Kredite etc.), Immobilien, Fahrzeuge, Gesundheit (Ärzteverzeichnis), Telekom-Angebote (Internet, TV, Handys) und Produkt-Preisvergleiche. Wenn schon denn schon.

Platzhirsch zu werden ist schon schwer. Es auf Dauer zu bleiben, ist zumindest eine Herausforderung.

Der deutsche legendäre bayerische Milliardär Johannes Fürst von Thurn und Taxis (1926-1990), dessen Familie vor Jahrhunderten ein Postmonopol für Teile Mitteleuropas besaß[iii] [3], soll einmal jenes legendäre Zitat geäußert haben, das wohl Ewigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. So könne man „ein großes Vermögen nicht versaufen, nicht verhuren, nicht verfressen“. „Man kann es nur verdummen“, soll Thurn und Taxis gesagt haben. [iv] [4]

Das stimmt wohl auch heute noch. Oder man hat es plötzlich mit tektonischen Veränderungen in seiner Infrastruktur zu tun. Im Internet können die eigentlich nur US-Konzerne in Europa hervorrufen. US-Hypergiganten wie Google, Amazon, Apple, Facebook, Microsoft. Klar, hängt auch Comparis am Nabel von Google. Richtig ist: Das Geschäft ist auch für Comparis härter geworden. Aber man hängt immer noch fett in der Wohlstandsmatte und streichelt sein Bäuchlein.

Trotz Mitbewerber, die es im stark umkämpften Bereich des Akquirierens neuer Kundschaft im Comparis-Steckenpferd, dem Krankenkassen-Bereich, gibt. Denn Portale wie findyourinsurance.ch, krankenkassenvergleich-online.ch oder visana.ch wollen ihren Teil vom Kuchen abhaben. Zu Recht.

In der Branche ist es Standard, gerne damit zu werben, man biete tollen Service und faire Prämien. „10 Gründe für einen Wechsel zu Visana“ schlagzeilte beispielsweise der Comparis-Herausforderer Visana in einer Google Ads am Sonntag den 29. Januar 2023.

Der Tages-Anzeiger geht auf fragwürdige Methoden von Comparis ein

Eine andere Schlagzeile knallte am 7. Januar 2023 die angesehene Schweizer Tageszeitung „Tages-Anzeiger“ halbseitig heraus: „Die Informationspraxis von Comparis ist auch rechtlich heikel: Wie unabhängig sind die Preisvergleichsportale? Der Vergleichsdienst räumt Fehler beim Bewerten von Internetangeboten ein.“ Den Vorwurf, unrichtige oder irreführende Angaben zu machen, bestreite Comparis.

Am 19. Januar legte Tages-Anzeiger-Redakteur Bernhard Kislig nach und publizierte eine weitere auslandende für Comparis äußerst unschöne Geschichte mit dem Titel „Intransparente Vermittlung von Maklern: Das zweifelhafte Immobilien­geschäft von Comparis“.[v] [5]

Das hat Seltenheitswert. So heftig gerät in der Schweiz selten ein Platzhirsch oder eine Hirschkuh in die Schlagzeilen. Doch es ist überfällig. Denn dass Preisvergleichsportale sich gerne so generieren, als seien sie nur und bis zum Exzess unabhängige Preisvergleiche, die im Dienste der Verbraucher und Verbraucherinnen agierten wie ein Verbraucherschutz-Verein, selbst aber nicht viel davon hätten, das ist eine gern verbreitete Geschichte, die mit der Realität wenig zu tun hat.

Dass ein Vorwurf gegen Comparis lautet, das Preisvergleichs-Portal, welches natürlich, wie die sonstigen Mitbewerber, primär von Provisionen vermittelter Angebote lebt, kooperiere oder habe mit einer Firma kooperiert, deren Chef von einem Schweizer Maklerverband ausgeschlossen worden sei. Geschenkt.

Sowas kommt vor. Meist sind es irgendwelche Code of Conducts, welche die Mehrheit von Verbands-Mitgliedern den anderen aufs Auge drücken möchten. Wer nicht mitmacht, fliegt in der Regel raus oder wird erst gar nicht aufgenommen. Ob das auch im Falle des Maklerverbands der Fall war, wissen wir nicht.

Trotzdem ist es kein Verbrechen, als Vergleichsportal mit einer Firma zusammenzuarbeiten, die keine allzu große Schnittmenge mit einem Branchen-Verband hat, der wiederum von den Mitgliedsbeiträgen seiner Mitglieder lebt. Heikler wird die Provisionsfrage: Denn hier schreibt der Tagesanzeiger im Hinblick auf ein vermitteltes Segment auf Comparis: „Andere Anbieter fehlen im Angebot, weil sie keine hohe Provision bezahlen wollten.“ [vi] [6][vii] [7]

Provisionen steigen und steigen und werden zum Problem für die Branche, wie Google Ads

Und das ist denn schon ein gewichtiger Punkt: Wer in Google einmal eine gute Position hat, diese über Jahre halten kann, verdient mehr Geld. Er oder sie kann mehr in SEO investieren und verdient noch mehr Geld. Das kann irgendwann zu einer schwer kontrollierbaren Marktmacht führen, wie es Comparis in der Schweiz in seinem Geschäftsbereich zum Verdruss nicht weniger hat.

Galten früher zu zahlende Provisionen von 12 Prozent an ein Preisvergleichsportal schon für viel, sind es heute in Deutschland, Österreich oder Schweiz beispielsweise im Reisesegment teils schon bis zu 25 Prozent oder mehr. Der Monopolist Booking.com schreitet hier voran. Früher waren es in Deutschland aber auch Portale wie Ab-in-den-urlaub.de (Gründer: Thomas Wagner, mit 38 im Jahr 2016 bei einem dubiosen Flugzeugabsturz verstorben; siehe auch "Businessinsider" dazu "Macht und Millionen".. Aufstieg und Fall des Internetimperiums vom 16. September 2022), die Marktteilnehmern wie TUI oder Thomas Cook die Konditionen diktieren konnten. Zum Wagner-Reich gehörte auch, man ahnt es, ein führendes deutsches Preisvergleichsportal: Preisvergleich.de.

Doch das Thema ist komplex. Denn man könnte auch sagen: Eine Listung im Preisvergleichsportal ist nun mal eine Marketing-Leistung und die führt im Idealfall bei einem vermittelten Unternehmen zu einem Umsatz, den es möglicherweise ohne so eine Listung gar nicht bekommen hätte. Zudem hätte es dann möglicherweise selber Werbung in Google, Instagram, Facebook oder Tiktok schalten müssen und hätte dafür auch Geld bezahlen müssen. Wo also ist der Unterschied zu einem Preisvergleichsportal?

Von Axel Springer SE bis Heise oder Deutsche Telekom AG lauten die Marktmächtigen bei Preis-und Produktvergleichsportalen in Deutschland oder Österreich

Was in der Schweiz Comparis ist, ist in Deutschland, das sei nebenher erwähnt, Billiger.de (u.a. Deutsche Telekom) oder Idealo.de (Axel Springer SE) und in Österreich Geizhals.at (Heise).

Wo also ist der Unterschied zwischen Google, Facebook oder einem Preisvergleichsportal? Man kann auch das Thema heranziehen, welches die EU-Regierung, die sich gerne schlicht EU-Kommission nennt, immer mehr umtreibt: Wenn Marktmacht zu Lasten des Wettbewerbs geht. Und da ist es am Ende egal, wer der Täter ist.

Wenn es neben Comparis keinen vergleichbar starken Mitbewerber gibt und das gibt es in der Schweiz in Gänze betrachtet nicht, zumindest wäre uns keiner bekannt, führt das natürlich zu auch kartellrechtlichen Fragen beispielsweise hinsichtlich eines möglichen Machtmissbrauchs und einer möglichen Marktverzerrung durch Listung oder Nicht-Listung von Firmen-Angeboten.

Insofern: Gut, dass die Schweiz das Thema Comparis und fragwürdige Listungen angeblich unabhängiger Preis- und Produktvergleiche endlich für sich gefunden hat. Weitere aktuelle Schlagzeilen gegen Comparis lauten derzeit beispielsweise auf FM1Today: „Weil keine Provision bezahlt wurde: Comparis nimmt Firma aus Preisvergleich“.[viii] [8]

Echt übel ist, was Watson.ch berichtet: „Comparis vergleicht teilweise nur Anbieter, die bezahlt haben – das steckt dahinter. Der Vergleichsdienst berücksichtigt bei Kombi-Angeboten für Internet, Festnetz und Handy derzeit nur Unternehmen, mit denen eine Partnerschaft besteht."

Wie siehst Du Comparis? Hinterlasse unseren 450.000 unterschiedlichen Lesern und Leserinnen im Jahr gerne einen Kommentar. Netz-trends.de ist seit 2010 in Google News Deutschland, Österreich, Schweiz als Nachrichtenportal gelistet.

Quellennachweise

[i] Wie viel verdient Comparis mit dem Krankenkassenvergleich?, von: Felix Schneuwly, in: Comparis.ch vom 31.8.2023. Abgerufen am 27.1.2023.

[ii] 83.2 Millionen (2021), ff, in: Google Ausspielung v. 29.1.2023.

[iii] Postgeschichte: Am Anfang war Franz von Taxis, in: wissen.de. Abgerufen am 28.1.2023.

[iv] Große Vermögen.. kann man nur verdummen, von: Johannes von Thurn und Taxis, in: zitate.de. Aberufen am 29.1.2023.

[v] Das zweifelhafte Immobilien­geschäft von Comparis, von: Bernhard Kislig, in: Tagesanzeiger.de vom 19.1.2023. Abgerufen am 22.1.2023.

[vi] Comparis streicht Firma aus Preis­vergleich – weil sie keine Provision zahlt, von: Bernhard Kislig, in: Tagesanzeiger.ch vom 6.1.2023.

[vii] Das zweifelhafte Immobilien­geschäft von Comparis, von: Bernhard Kislig, in: Tagesanzeiger.ch vom 19.1.2023.

[viii] Comparis streicht Firma aus Preis­vergleich – weil sie keine Provision zahlt, von: Bernhard Kislig, in: Tagesanzeiger.ch vom 6.1.2023.

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