Polizei Hessen Interview über Phantombilder, FaceGen und Bilderkennungs-Software - Liane Bellmann im Gespräch

Man kennt das aus Zeitungen, Onlineveröffentlichungen oder der bekannten ZDF-Fahndungssendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“: Zeichnungen, oftmals in grau oder leichter Farbgebung gehalten, welche dunkle Gestalten nachzuzeichnen suchen. Die Rede ist von Phantombildern.

NETZ-TRENDS.de wollte von Deutschlands bekanntester Phantombildzeichnerin Liane Bellmann vom Landeskriminalamt Hessen wissen: Was macht ein gutes Phantombild aus und wie gut ist Gesichtserkennungssoftware aus ihrer Sicht? Liane Bellmann ist seit 20 Jahren für die Zeichnungen von Phantombildern bei der hessischen Polizei zuständig. NETZ-TRENDS.de ist seit 2010 in Google News Deutschland, Österreich, Schweiz als Nachrichtenportal gelistet mit im Schnitt bis zu 450.000 Lesern im Jahr.

NETZ-TRENDS.de: Wann wird ein Phantombild von der Polizei Hessen eingesetzt?

Liane Bellmann: Zunächst mal muss man sich klarmachen, Polizei ist in Deutschland Ländersache. In Hessen geht man, was die Phantombilderstellung angeht, etwas anders vor als in anderen Bundesländern. In Hessen erfolgt die Phantombilderstellung zentral und zwar in der „Abteilung Kriminalwissenschaft und -technik“ und dort in der Fachgruppe „Urkunden/Handschriften/Bildtechnik“. Der Bereich „Phantombilderstellung“ ist der Bildtechnik zugeordnet. Allerdings werden zu Fahndungszwecken nicht nur Phantombilder genutzt. Vielmehr kümmert sich unsere Fachgruppe unter anderem auch um den Bereich Gesichtserkennung auf Fotos und Videos. Ich selbst zeichne im Jahr um die 150 bis 180 Phantombilder. In anderen Bundesländern, wo es dezentral gemacht wird, kann es sein, dass ein Phantombildzeichner vielleicht nur 6 bis 10 im Jahr fertigt.

NETZ-TRENDS.de: Was sind die künstlerischen Voraussetzungen für eine Phantombild-Zeichnerin oder einen Phantombild-Zeichner?

Liane Bellmann: Ich mache das schon 20 Jahre lang und dachte am Anfang auch, künstlerisches Geschick wäre ausschlaggebend, um Phantombildzeichnerin zu sein. Das stimmt aber so nicht ganz. Meines Erachtens sind unter anderem ausschlaggebend Empathie, Geduld, Kommunikation auf allen Ebenen und die Freude daran, mit Menschen zusammenzukommen. Man muss spontan sein, da die Einsätze oftmals auch spontan sind. Das persönliche Gespräch ist wichtig. Wenn das Opfer zum Beispiel sagt, heben Sie die Augen mehr hervor, dann hilft es, wenn man künstlerisch etwas begabt ist. Aber am Ende ist es die Software, beziehungsweise die Technik, mit der man Phantombilder fertigt. Gut wäre auch ein wenig Führungsstärke. Man muss damit umgehen können, wenn beispielsweise das Gegenüber auch eine Führungsperson ist und mir sagen möchte, wie wir am besten vorgehen. Man sollte schnell ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen können, damit man zu einem guten Ergebnis beim Phantombild kommt.

NETZ-TRENDS.de: Frau Bellmann, kommen Sie direkt zu den Opfern oder kommen die zu Ihnen?

Liane Bellmann: Normalerweise fahre ich vor Ort zu den sachbearbeitenden Dienststellen und treffe mich dort mit den Opfern oder Augenzeugen.

NETZ-TRENDS.de: Wie schaut es aus, wenn Maskerade im Spiel ist bei den Tätern, zum Beispiel künstliche Schnurrbärte, wie sie häufig in Rip Deals verwendet werden? Das macht doch die Erstellung eines Phantombildes sehr schwierig.

Liane Bellmann: Ich bin nur das „Werkzeug“ des Zeugen. Wenn der Zeuge sagt, der Täter hat ein Schnurrbart gehabt, er hat aber nicht erkannt, dass es ein künstlicher Schnurrbart ist, dann zeichnen wir den Schnurrbart. Wir zeichnen so, wie das Opfer das Gesicht wahrgenommen hat.

NETZ-TRENDS.de: Wie wird man Phantombildersteller?

Liane Bellmann: Es gab damals in Hessen vor 20 Jahren eine Ausschreibung, und da hatte ich mich drauf beworben. Ich bin keine Polizistin, aber ich hab dafür gebrannt. Ich hatte von Anfang an gesagt, das ist mein Ding und ich weiß, wie die Dynamik eines Körpers zeichnerisch festzuhalten ist. Ich habe einfach guten Zugang zu den Menschen und hatte auch ein bisschen Glück.

NETZ-TRENDS.de: Wie viele Phantombildzeichner gibt es denn in Hessen und was macht den Reiz dieses Berufes aus?

Liane Bellmann: Die Phantombilderstellung ist meine Hauptaufgabe. Zudem gibt es noch einen Abwesenheitsvertreter.

Das Reizvolle an dieser Arbeit ist ihre Vielseitigkeit. Nehmen Sie zum Beispiel eine Wasserleiche, die entstellt und kaum mehr zu erkennen ist. Hier geht es also um eine Gesichtsrekonstruktion, eine postmortale Weichteilrekonstruktion. Die Aufgabe der Phantombildzeichnung besteht darin, dass das Bild die Wasserleiche so wiedergibt, dass auch eine entstellte Leiche noch ansehbar und für externe Betrachter zumutbar ist. Im besten Falle soll sie natürlich in einer Fahndung auch wiedererkennbar sein. Da versuche ich das Unkenntliche kenntlich zu machen, aber auch für den, der sich das Bild anschaut, soll es optisch akzeptabel sein und eine eventuelle Wiedererkennung ermöglichen.

NETZ-TRENDS.de: Ein Phantombild wird auch eingesetzt, wenn Täter sich seit vielen Jahren ins Ausland abgesetzt haben. Worauf ist hier zu achten?

Liane Bellmann: Richtig. Wir sprechen hier von einem Alterungsverfahren, auch Aging genannt. Zum Beispiel bei lange vermisste Kindern, die man in cold cases 10 Jahre später wieder sucht. Oder im Falle von Kriminellen, die sich ins Ausland abgesetzt haben und man vermutet, die kommen nach vielen Jahren in Kürze zurück an einen Flughafen.

Der Polizei liegen aber vielleicht nur Bilder vor, die 20 Jahre zurück liegen.

Wir wissen ja nicht, ob er mittlerweile dick oder dünn ist, ob er oder sie eine Glatze hat oder nicht. Wir haben in der Ausbildung die Lehre bekommen: Keine Auffälligkeiten einbauen, wenn ich keine Information darüber habe. Also mache ich kein Phantombild, das die gesuchte Person eventuell kräftiger zeigt, obwohl ich keine Kenntnis davon habe.

Bei einer Schädelrekonstruktion gestalte ich zum Beispiel ein Ohrläppchen „normal“, wenn ich keine andere Aussage dazu habe. Also keine Auffälligkeiten, wenn es keine Hinweise dafür gibt. Das ist mein Motto für Phantombilder. Habe ich alle Beschreibungsmerkmale der Rechtsmedizin in meiner Darstellung eingebracht, ist der Rest „künstlerische Freiheit“. Jeder Schädel gibt gute Informationen, aber eben nicht alle.

NETZ-TRENDS.de: Wie lange dauert denn die Ausbildung?

Liane Bellmann: In meinem Fall hat die Ausbildung in Amerika stattgefunden beim FBI und dauerte im ersten Durchgang vier Wochen. Und dann bin ich sechs Jahre später nochmal nach Florida, um das Alterungsverfahren zu lernen. Also das Aging, zum Beispiel von Langzeit vermissten Kindern oder Erwachsenen.

NETZ-TRENDS.de: Warum muss die deutsche Polizei sowas beim FBI lernen?

Liane Bellmann: Phantombilderstellung ist recht selten. Deshalb ist das eine zu kleine Ausbildungseinheit. Es macht daher Sinn, hier auf internationale Erfahrungen zurückzugreifen. Das FBI hatte damals schon vor 20 Jahren gute Lehrer, langjährige Mitarbeiter, die die Phantombilderstellung unterrichtet haben, da sind Künstler dabei, aber auch Autoren, die sachbezogene Bücher geschrieben haben.

NETZ-TRENDS.de: Wird ein Phantombild heute immer noch mit Bleistift angefertigt oder digital?

Liane Bellmann: Wir haben damals, als wir beim FBI lernten, noch mit Bleistift gezeichnet. Bedingung war, dass man zeichnen kann. Weil sie gesagt haben, wir wollen euch nicht das Zeichnen beibringen, sondern direkt ins Phantombild einsteigen. Und dann heißt es üben, üben, üben. Die Ausbildung für Phantombilderstellung haben wir jetzt in Deutschland ganz gut verteilt. So gibt es nun jährlich Ausbildungs-Workshops innerhalb der Polizei in den Ländern. Und das klappt auch ganz gut. Ich übernehme meistens die Workshops mit dem Zeichnen oder der Psychologie. Da es nicht so viele Kolleginnen oder Kollegen gibt, die Phantombild-Zeichner werden wollen, ist es auch überschaubar.

NETZ-TRENDS.de: Manchmal sind Phantombilder sehr weit weg vom Aussehen des eigentlichen Täters, gerade wenn man Fotos mit den ursprünglichen Phantombildern vergleicht. Woran liegt das?

Liane Bellmann: Ein Phantombild hat nicht die Aufgabe, wie ein Foto rüberzukommen. Außerdem bildet es lediglich ab, wie der Typus Mensch aussieht, nach dem gefahndet wird. In einem Fall war ich mal im Krankenhaus bei einem Opfer, das dort viele Monate lag. Klar, war es nach den Monaten im Koma und im Krankenhaus dann schwer, mir den Täter noch zu beschreiben, sodass ich ein Phantombild zeichnen konnte. In dem Fall war es doppelt schwer, da das Opfer von hinten angegriffen worden war und der Täter so nur ganz kurz im Halbprofil gesehen werden konnte. Trotzdem versuchten wir ein Phantombild anzufertigen. Das war schwierig, gehört aber zu meinem Arbeitsalltag dazu.

Ein Phantombild ist immer ein Versuch, wenn nichts anderes mehr da ist, das man zur Fahndung oder anderen Ermittlungsansätzen nutzen kann. Wir arbeiten ausschließlich mit der Erinnerung von dem Opfer und verwenden keine Fotos von möglichen Tätern als Vorlage.

NETZ-TRENDS.de: Erklärt das dann den großen Unterschied manchmal zwischen dem tatsächlichen Aussehen des Täters und dem Fahndungs-Phantombild?

Liane Bellmann: Ein Phantombild ist wirklich nur ein Typbild. Es geht nicht darum, ein Bild zu erschaffen, das aussieht wie ein Passfoto des Tatverdächtigen. Es geht um die Wahrnehmung, die das Opfer hatte. Manchmal ist es nur die Frisur oder die Kopfform. Klar denken wir dann manchmal auch, es wäre ein großes Glück gewesen, wenn ein Täter vom Opfer noch besser beschrieben worden wäre. Gerade wenn die Opfer schwer vom Täter geschädigt wurden, auch körperlich, dann ist es eine schwierige Situation ein Phantombild zu erstellen. Letztlich ist ein Phantombild immer subjektiv und basiert auf den Erinnerungen der Opfer.

NETZ-TRENDS.de: Wenn Sie aber Fotos vom vermeintlichen Täter haben und parallel die Erinnerung des Opfers vom Täter, warum nimmt man dann nicht das Foto als Vorlage?

Liane Bellmann: Weil es nicht erlaubt ist, wenn mir der zuständige Sachbearbeiter von einem vermeintlichen Täter ein Foto vorlegt, ich dann daraus eine Phantombildzeichnung mache, indem ich das Foto noch mit Erinnerungen des Täters kombiniere. In dem Fall hätte der gegnerische Anwalt alle Möglichkeiten um dagegen vorzugehen. Das würde dem Ermittlungsverfahren massiv schaden.

Wenn ein Opfer sich nicht mehr erinnert, ob zum Beispiel die Kleidung rot oder grün war, dann ist es schwierig. Nehmen wir zum Beispiel eine Bushaltestelle im Wald, wo es zu einem Verbrechen kam. Das Opfer erzählt mir nun, die Mütze war grün. Später kam aber raus, die Mütze war nicht grün. Woran liegt diese falsche Erinnerung des Opfers? Das Verbrechen war im Wald und dort war alles grün. Daraus resultierte dann die Erinnerung: Die Mütze muss wohl grün gewesen sein.

NETZ-TRENDS.de: Fotos sind also ein No-Go für Sie als Phantombild-Zeichnerin

Liane Bellmann: Ein Phantombild funktioniert nur dann gut, wenn vorher keine Fotos vorgelegt wurden. Ich lege großen Wert darauf, dass vorher keine Lichtbilder, Fotos gezeigt werden, da die Erinnerung des Opfers beeinflusst werden könnte.

Fotos zur Fahndung legt nur die Polizei direkt den Opfern vor. Da spricht man dann von einer Wahllichtbildvorlage. Hier werden dem Opfer mögliche Vergleichsfotos von typähnlich aussehenden Menschen vorgelegt, wo das Opfer sagen muss, ob es glaubt, den Täter oder die Täterin wieder zu erkennen.

Letzten Endes muss die Polizei, die Staatsanwaltschaft vor Gericht den Nachweis vorlegen, dass jemand der Täter ist. Ein Phantombild ist eine Fahndungshilfe und kann zum Beispiel auch nur die optische Bestätigung für einen im Verdacht stehenden Täter sein. Somit dient ein Phantombild dann einfach als ein Indiz unter vielen.

NETZ-TRENDS.de: Die Wahrnehmung des Opfers steht für Sie also beim Phantombild im Zentrum?

Liane Bellmann: Ja, es geht immer um die Wahrnehmung des Opfers. Und je länger das zurückliegt, desto schwieriger oder lückenhafter kann eine Beschreibung sein.

NETZ-TRENDS.de: In Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind Rip Deal-Gangster seit vielen Jahren am Werk. Hier hat uns ein Opfer berichtet, der man 2016 in Slowenien 100.000 Euro im Rahmen eines Rip Deals in einem Hotel gestohlen hat, wonach sie damals der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen in Dresden angeboten habe, den Täter, der sich Levy Vass nannte, in einem Phantombild zu beschreiben. Levy Vass war auch am Millionen Rip Deal an Unister Gründer Thomas Wagner in Venedig beteiligt. Nach Angaben des Opfers in Slowenien habe der zuständige Staatsanwalt Dr. Dirk Reuter damals die Erstellung eines Phantombilds abgelehnt, da er gesagt habe, es mache keinen Sinn, da zu viel Maskerade bei Levy Vass nach seiner Überzeugung im Spiel gewesen sei. Am Ende wurde dann gar kein Phantombild angefertigt, der Täter läuft noch frei herum. Ist das normal?

Liane Bellmann: Dazu kann ich nichts sagen. Es handelt sich hierbei um ein außerhessisches Verfahren.

NETZ-TRENDS.de: Wie lange brauchen Sie denn für ein Phantombild?

Liane Bellmann: Im Schnitt dauert die Erstellung eines Phantombilds ab dem Moment, wo das Opfer ins Büro kommt oder ich ihm oder ihr gegenübersitze, um die zwei Stunden. Ich habe mein Grafik-Tablett immer dabei. Allerdings muss man natürlich gegebenenfalls auch noch die Hin- und Zurückfahrt rechnen.

NETZ-TRENDS.de: Mit welchem Grafik-Programm arbeiten Sie, gibt es eine spezielle Software?

Liane Bellmann: Wir in Hessen benutzen unter anderem die frei zugängliche Software FaceGen als Basis, die als Demoversion für jedermann zugänglich ist. Da können Sie sehr schnell eingeben, wie rundlich die Kopfform oder wie alt die gesuchte Person usw. ist.

Ich schaue immer danach, wie der Zeuge es am einfachsten hat. Der Zeuge muss ja in einer kurzen Zeit sich mit vielen speziellen Fragen auseinandersetzen. Es sei denn, Sie sind zum Beispiel ein Zahnarzt oder Friseur, dem die Struktur eines Gesichtes nicht unbekannt ist. Dieses Programm macht es mir und dem Zeugen leichter, uns gemeinsam dem Typaussehen in seiner Grundstruktur anzunähern. Da haben Sie innerhalb von 10 Minuten einen Typ und das mögliche Aussehen, Alter, Herkunft, Hautfarbe, Nase, Mund. Dann stößt das Programm für meine spezielle Anwendung an seine Grenzen und ich wechsle im weiteren Schritt in ein Bildbearbeitungsprogramm, wo alles weitere geht.

Das Phantombild als Handzeichnung ist für einen Zeugen eventuell etwas schwieriger, da er keine Vorlage wie in der erwähnten Software sieht, die ich spielerisch verändern kann. Den Zeugen unterstützt das sehr. Da gibt es teilweise Wahrnehmungen, die man mit Worten nur schwer beschreiben könnte. Bei der digitalen Erstellung muss ich nicht immer wieder ausradieren, was bei einem Bleistift notwendig wäre. Und ich habe die Farbe. Beim Bleistift habe ich nur schwarzweiß.

NETZ-TRENDS.de: Es gibt Phantombilder die sind nach wie vor schwarzweiß, manche bunt. Woran liegt das?

Liane Bellmann: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Phantombild zu erstellen: Die schwarzweiße Zeichnung, fotorealistische farb- oder schwarzweiß-Darstellung oder die dreidimensionale, farbige, zeichenanimierte Optik. Phantombildzeichner, die schwarzweiß bevorzugen, wollen gezielt die Abstraktion hervorheben. Ich persönlich bin von den farblichen, zeichenanimierten, 3-D-Abbildungen überzeugt. Farbe ist ein wichtiges Beschreibungsmerkmal und gibt mir verständlicherweise mehr Informationen als eine schwarzweiß-Darstellung. Gerade bei der Haarfarbe, den Kleidungsstücken, der Augen- oder Hautfarbe, pp. Bei schwarzweiß Darstellungen geht da viel Information verloren. Schwarzweiß funktioniert auch, aber ich bevorzuge Farbe.

NETZ-TRENDS.de: Gibt man Ihnen das vor, ob Sie Phantombilder in Schwarzweiß oder Farbe machen? Kommt der ermittelnde Beamte, die Beamtin zu Ihnen und sagt, wie es sein soll?

Liane Bellmann: Nein. Ich denke aber, dass meine Kollegen und Kolleginnen es auch so sehen, dass die Farbdarstellungen viele Informationen beinhalten und realistischer aussehen. Zumal unsere optische Erinnerung ja auch in Farbe stattfindet und nicht in schwarzweiß. Ich habe einfach mehr Möglichkeiten, auch ob die Tat bei Nacht oder am Tag geschehen ist. In FaceGen kann ich dies ebenfalls einstellen. Je realer die Darstellung des Bildes ist, desto besser wird das Opfer in seiner Erinnerung unterstützt. Ein guter Support für den Zeugen ist der Schlüssel zu einem guten Phantombild.

NETZ-TRENDS.de: Wann kommt ein Phantombild bei der Polizei Hessen zum Einsatz?

Liane Bellmann: Bei uns geht es um die Deliktschwere. Das haben wir definiert. Wir würden beispielsweise kein Phantombild anfertigen, für einen gestohlenen Rasenmäher. Andere deutsche Bundesländer machen 400 bis 500 Phantombilder pro Jahr und haben keine Deliktsbegrenzung. Wir in Hessen machen nur Phantombilder, wo wir eine Relevanz, eine hohe Deliktschwere sehen. Dazu gehören zum Beispiel Kapitalverbrechen, aber auch Deliktserien wie im Falle des Enkeltricks.

NETZ-TRENDS.de: Dann würde der Rip Deal also auch dazu gehören?

Liane Bellmann: Ja. Ein veröffentlichtes Phantombild soll durch seine „Seltenheit“ dem Betrachter immer gleich ins Auge fallen, seine Aufmerksamkeit wecken. Wären jeden Tag Phantombilder in der Presse, würde kaum noch jemand wirklich hinschauen.

NETZ-TRENDS.de: Was soll ein Opfer von einer hohen Deliktschwere tun, wenn sich die Polizei weigert ein Phantombild anfertigen zu lassen, man aber den Täter glaubt so am besten beschreiben zu können und das dann beispielsweise auf Facebook oder Instagram oder LinkedIn privat veröffentlichen möchte?

Liane Bellmann: Die Veröffentlichung eines Phantombildes, als visuelle Fahndungshilfe für die Ermittlungen, ist eine Öffentlichkeitsfahndung, die an enge, gesetzliche festgelegte, Voraussetzungen geknüpft ist. Sollte die Polizei nach Bewertung des Einzelfalls kein Phantombild fertigen, steht es grundsätzlich jedem frei, sich anderswo ein Bild anfertigen zu lassen, wenn dies dem Festhalten er eigenen Erinnerung dient. Die Polizei rät jedoch grundsätzlich davon ab, privat erstellte Bilder zu veröffentlichen. Das Einstellen von privaten Fahndungsbildern – beispielsweise in Sozialen Netzwerken – könnte einen Verstoß gegen verschiedene Normen, unter anderem das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder Kunsturhebergesetz, darstellen.

NETZ-TRENDS.de: Also zum Beispiel zu den Straßenkünstlern?

Liane Bellmann: Es muss müsste jemand sein, der gut Gesichter zeichnen kann. Ob der, oder sie dann in der Lage ist, aus einer Erzählung heraus ein Gesicht nachzuzeichnen, das ist. Natürlich immer noch eine ganz andere Sache. Das und geht nur, indem man den Künstler testet.

NETZ-TRENDS.de: Frau Bellmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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