Peter S., Journalist aus Hamburg (Name geändert), ist stinksauer auf XING von der NEW WORK SE. Ein Unternehmen das zur Münchner Hubert Burda Media gehört. Deren Motto lautet: "Die Tech und Media Company!". "Das ist der letzte Abzockladen", ärgert sich aber der Journalist über das Burda-Portal XING. Mit "unseriösen Lockangeboten" habe das Berufskontakte-Netzwerk ihn in ein 12-monatiges Premium-Abo gelockt.
Als das XING Abopaket auslief, habe er nicht einmal vorab rechtzeitig mit Einhaltung einer möglichen Kündigungsfrist eine E-Mail mit der saftigen Preiserhöhung erhalten. Xing lockt gerne mit niedrigen Preisen ins Premium-Abo und verspricht angebliche Vorteile beim Netzwerken und der Jobsuche. Netz-trends arbeitete sich in die Vorwürfe ein und brauchte Stunden, um die dubios versteckten komplizierten Abo-Modelle von Xing zu finden und zu analysieren.
Den Hamburger Journalisten erwischte die saftige XING-Preiserhöhung von rund 80 Euro auf über 300 Euro eiskalt. "Plötzlich hatte ich diese horrende Rechnung in meinem Kontoauszug gefunden. Einziehender war eine ominöse NEW WORK SE". Erst nach Recherche stieß er auf XING und dann auf Burda. "Klar sind die Medienhäuser alle in der Krise. Aber so geht es wirklich nicht", ärgert er sich.
"Ich war aufgebracht ohne Ende. Echt das Letzte und sowas von einem Burda-Portal", ärgert sich der Journalist. Zumal er zu dem Zeitpunkt nicht viel Geld hatte. "300 Euro sind für mich gerade jetzt in Corona-Zeiten super viel Geld". Aber auch sonst sei ihm ein "Premium"-Abo auf Xing" oder dem Konkurrenzportal LinkedIn "garantiert nicht 300 Euro oder mehr wert".
Journalist Peter S. ist nicht der einzige, der sich ärgert. Im Internet gibt es Negativ-Einträge zu XING und LinkedIn ohne Ende. Dass XING neuerdings auf "Du"-Kuschelkurs in der Ansprache geht, lindert die pure Wut auf XING keinesfalls. Auch über die Abzock-"Premium"-Pakete von LinkedIn hatte Netz-trends.de ausführlich berichtet.
Abzocke, Betrug sind auch gegen XING noch die harmloseren Vorwürfe. Netz-trends konfrontierte bereits im November 2020 die XING-Pressestelle mit den Vorwürfen:
"Liebe Xing-Pressestelle, Liebe Burda-Pressestelle, Lieber Herr Philipp Wolff und Team, geehrte Geschäftsführer, seit Monaten, wenn nicht bald Jahren, sorgen Ihre dubios ausgewiesenen XING-Abzockpakete im Internet für massiven Ärger - bei normalen Verbrauchern aber auch zahlreichen Journalisten. Es macht es nicht besser, das LINKEDIN da nicht viel besser ist", schrieben wir der Pressestelle.
Weiter führten wir in unserer umfangreichen Presseanfrage aus:
"Ist es einem Großkonzern wie Hubert Burda und auch XING selber nicht peinlich, statt mit Endpreisen des regulären Abo-Preises der jeweiligen Pakete mit dubiosen Lockangeboten Leute in die Abzockfalle zu locken, wo dann - egal ob 3-Monatspaket, 6-Monatspaket oder 12-Monatspaket - die Preise astronomisch in die Höhe schnellen?
So wird dann aus einem 3-Monats-Lockangebot ein Jahresendpreis bei 12 Monaten, wenn man nach der Testphase nicht kündigt, von 503 Euro. Oder es wird im Falle des 6-Monats-Testpakets, wenn man nach der Testphase vergisst zu kündigen, ein künftiger Jahrespreis von 430,80 Euro. Oder es wird im Falle des besonders perfide gestrickten Abzock-Lockangebots von 12 Monate aus einem Testpreis von 82,80 Euro (bzw. beim zweiten Login in unserem Fall 95,40 Euro; Screenshot) dann ein regulärer neuer Jahrespreis von 358 Euro.
Wieso weisen Sie nicht transparent aus, wie hoch der Preis ist, wenn man vergisst zu kündigen und zwar miminum auf die jeweilige Abo-Spanne, besser auf eine Jahresspanne?"
Außerdem wollten wir von der XING Pressestelle wissen:
"Warum nennt Xing seine Abo-Pakete nicht Abo-Pakete und versteckt die automatische Verlängerung in einer minigehaltenen Fußnote, statt seriös und üblich transparent in einer großen Schrift? In unserem Test haben wir uns auf Xing einmal eingeloggt und uns die Premium-Pakete angeschaut, dann ausgeloggt und später wieder eingeloggt (am gleichen Tag). Uns ist dabei aufgefallen: Plötzlich erhielten wir andere Premium- und JobPakets-Preise: Nämlich teurere:
Statt 8,90 Euro im Testpaket für 3 Monate waren plötzlich für die 3 Testmonate je 9,45 Euro fällig. Und statt 6,90 Euro monatlich für 12 Testmonate waren plötzlich 7,95 Euro monatlich fällig. Wir gehen aber in beiden Fällen davon aus, dass nach der Testphase wieder der reguläre Preis erhoben wird: Also statt 28,30 Euro für die ersten drei Testmonate, dann 125,70 Euro für die nächsten drei Monate. Wer also… nicht kündigen würde, würde im Jahr mit saftigen 503 Euro belastet… Und statt 95,40 Euro für die ersten 12 Testmonate dann 358 Euro. Stimmt das?
Zudem ist uns aufgefallen.. Wer sich beim zweiten Mal einloggt, der erhält den Hinweis auf die automatische Verlängerung in der Mini-Fußnote nur in der ersten Kosten-Übersicht. Nicht aber in der Detail-Übersicht, wenn man "kostenpflichtig bestellen" klickt. Damit verstoßen Sie nach unserer Sicht gegen geltendes Recht. Warum tun Sie dies?"
Besonders übel fiel uns auch die Abzocke mit dem Doppel-Abo bei XING auf, was viele Verbraucher, die sich an uns wendeten, überhaupt nicht verstehen. Deshalb wollten wir wissen:
"Wieso tricksten Sie so schäbig mit den Kündigungen? Sie bieten ‚Premium‘ und ‚Projobs‘ in Ihren Angeboten als ein Paket an, bestehen dann aber darauf, dass der Verbraucher je zwei separate Kündigungen ausspricht - also für ‚Premium‘ und ‚Projobs‘. Das ist unseriös und ein übler Trick. Warum tun Sie dies?".
Auf unsere Presseanfrage hin, erhielten wir zwei Wochen nach unserer Anfrage schließlich eine Antwort von der XING-Pressestelle. Darin versucht man wortreich die Abzocke in ein angeblich übliches Verhalten von Unternehmen hinzustellen:
"Damit unsere Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit haben, unsere Produkte kennenzulernen, wird beim Abschluss der Mitgliedschaften bereits im Angebot beschrieben, dass sich die reduzierten Preise auf die Probelaufzeit beziehen. Beim Abschluss von Online-Mitgliedschaften ist dies ein übliches Vorgehen. Bei einer vertragsgemäßen Verlängerung der Mitgliedschaften gilt dann der reguläre Preis für die Kunden. Wir weisen unsere Kundinnen und Kunden auf die automatische Verlängerung zu den regulären Konditionen bereits vor Vertragsabschluss in der Maske zur Laufzeitauswahl hin. Zudem findet sich der Hinweis in der Kaufbestätigungsmail. Kündigt die Kundin oder der Kunde die Mitgliedschaft nicht, verlängert sich diese lediglich um die gewählte Laufzeit zu den regulären Konditionen. Ein Jahresbeitrag, wie von Ihnen in Punkt 2 aufgeführt, kommt bei einer 3-Monats-Mitgliedschaft nicht zum Tragen."
Desweiteren schreibt die XING-Pressestelle zu dem Vorgang der dubiosen Einforderung, man müsse das Premium-Abo doppelt kündigen:
"Die ProJobs Mitgliedschaft ist ein Zusatzpaket zur Premium-Mitgliedschaft. Dies wird auch im Angebot kenntlich gemacht. Deshalb bieten wir XING Basic Kunden die ProJobs Mitgliedschaft in einem Paket mit einer Premium-Mitgliedschaft an. Dies liegt daran, dass die ProJobs Mitgliedschaft üblicherweise temporär zur Jobsuche genutzt wird und die Premium-Mitgliedschaft Kundinnen und Kunden permanent durchs Berufsleben begleitet. Aus diesem Grund können die Mitgliedschaften auch separat gekündigt werden. Wenn sich die Kunden oder der Kunde nach dem Test gegen die Verlängerung beider Mitgliedschaften entscheidet, kann sie oder er per E-Mail beide Kündigungen aussprechen."
Zudem führt das NEW WORK SE Presseteam mit Signatur "NEW WORK SE. Dammtorstraße 30, 20354 Hamburg, Germany" an Netz-trends aus:
"Für einen bestimmen Zeitraum im November haben wir unseren Kundinnen und Kunden einen speziellen Rabatt auf das Paket ProJobs und Premium gegeben. Trotzdem bekamen und bekommen die Kundinnen und Kunden weiterhin auch die Möglichkeit, lediglich die vergünstigte Premium-Mitgliedschaft abzuschließen. In ihrer zweiten Excel-Auflistung sprechen sie von einem Premium und ProJobs Paket das ist nicht korrekt. Richtig ist: es handelt sich lediglich um ein XING Premium-Angebot, das unabhängig von der speziellen Rabatt-Aktion im November besteht.".
Im Dezember 2020 zeichneten für die NEW WORK SE folgende Personen verantwortlich: (Vorstand): Petra von Strombeck (Vorsitzende), Dr. Patrick Alberts, Ingo Chu, Frank Hassler, Jens Pape. Chairman of the Supervisory Board (Aufsichtsratsvorsitzender): Martin Weiss.
Auf Bewertungsportalen wie Trustpilot lassen Hunderte Verbraucher aus Deutschland, der Schweiz oder Österreich ihrer Wut über XING freien lauf. So erreicht XING mit Stichtag 8. Februar 2021 unter 429 Bewertungen die miserable Bewertung von lediglich einem Stern von fünf. Schlechter geht es nicht mehr.
Beispielsweise schreibt ein "Burhan Buri" Anfang Februar 2021: "ACHTUNG ABZOCKE JEDER FÄLLT IRGENDWANN… ACHTUNG ABZOCKE JEDER FÄLLT IRGENDWANN REIN! NIEMALS PREMIUM BUCHEN! ABZOCKEN WIRD SPÄTESTENS NACH 1 JAHR KOMMEN!".
Und ein "ltvchi" führt aus- "grösster hundeverein den es gibt". Eine "Anna" wiederum schrieb Anfang Februar 2021: "LÖSCHT EUCH. Kann’s kaum abwarten, bis dieses ‘Unternehmen’ irrelevant wird. Konservatives Design, Funktionen und Mitgliedschaftsstruktur! Einfach schlecht... Wenn nicht 1-2 Boomer-Kunden dort vertreten wären, hätte ich mein Profil längst gelöscht! Schützt euch vor XING, kündigt alle eure (Probe-)Mitgliedschaften!"
Und auch bei der Verbraucherzentrale ist XING ein negativer Dauerbrenner. In einer Pressemitteilung vom 2. April 2019 teilte die Verbraucherzentrale mit:
"Um eine Premium-Mitgliedschaft bei Xing zu kündigen, sollten Sie auf die angebotene Online-Möglichkeit verzichten. Das Wichtigste in Kürze: Die Verbraucherzentrale NRW hatte Xing 2016 erfolgreich abgemahnt, weil das Unternehmen Kunden nach einer abgeschlossenen Online-Kündigung aufforderte, diese noch einmal zu bestätigen. Inzwischen hat das Unternehmen auf den "online durchführbaren Kündigungsprozess" umgestellt. Doch Vorsicht: Eine Kündigung kann man dort online nicht ohne weitere aufwändige Schritte erklären! Statt den Online-Prozess zu nutzen, senden Sie lieber eine E-Mail, einen Brief oder ein Fax an Xing."
Wie wir jetzt wissen, genügt in vielen Fällen auch nicht eine Kündigung, sondern eben zwei.
Über die intransparente dubiose Preisgestaltung auf Xing regten sich schon vor zehn Jahren, 2010, Nutzer auf dem Portal beobachter.ch auf: "Auf der www.xing.com Seite findet man keine Information auf Anhieb, dass es was kostet", beschwerte sich ein "Maxtech" am 23. Oktober 2010.
So groß unser Verständnis für die Internetszene ist und so sehr wir wissen, wie schwierig es ist, hier Geld zu verdienen, da geschätzt 80 Prozent der Gewinne und Umsätze aus dem deutschen, ja dem Internet in der EU, zu den großen Portalen in die USA wandern:
Dennoch ist es dringend an der Zeit, dass der Gesetzgeber bei solchen Abzock-Geschäftsmodellen aktiv wird. Es kann nicht sein, dass ein Verbraucher mit niedrigen Konditionen in ein Abo gelockt wird, das sich bei Ablauf in den Kosten verdreifacht, verfierfacht oder verfünffacht. Hier muss ein prozentualer Deckel drauf.
Wie ist Eure Erfahrung mit Xing? Teilt sie mit unseren Lesern und hinterlasst gerne einen Kommentar.