"Vertrieb 2015": Stellenabbau bei Nürnberger Versicherung? / Einige Preisvergleichsportale vermitteln PKV nicht mehr

Die NÜRNBERGER Beteiligungs-Aktiengesellschaft ist an der Börse notiert, wobei die Beitragseinnahmen im Jahr 2013 laut Bilanzausweisung bei 3,601 Milliarden Euro liegen. Josef Hofmann schreibt jedenfalls in der Nürnberger Zeitung (NZ), wonach der Vertrieb der Nürnberger Versicherungsgruppe komplett umgebaut werde und "das im Eiltempo". Dabei dürfte der Umbruch im Vertriebsmarkt von Versicherungen erheblich durch die Veränderung der Provisionszahlungen besonders im Falle der Privaten Krankenversicherung (PKV) mit ursächlich sein, aber auch die Krise der Lebensversicherung. Im Zentrum steht aber auch das Internet:

Die Nürnberger Versicherung versucht sich für die Zukunft neu aufzustellen.

Die Nürnberger Versicherung ist bekannt für qualitativ hochwertige und bezahlbare Versicherungsangebote. Regelmäßig gute Ergebnisse erzielt beispielsweise die Nürnberger Krankenversicherung in Tests - und das seit Jahren. Doch nun scheint es in dem Nürnberger Versicherungsnunternehmen zu kriseln und das Unternehmen sucht nach Auswegen, Mitarbeiter sind geschockt.

Denn seitdem die Versicherungskonzerne Deutschlands unter Zuarbeit des "Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft" (GDV) die Provisionsauszahlungen für private Krankenversicherungen (PKV) auch an Preisvergleichsportale, beziehungsweise Versicherungsvermittlungsportale, auf fünf Jahre gestreckt haben, lohnt sich das Vermitteln von PKVs für diese nicht mehr.

Viele Finanzdienstleistungsportale sortierten auf Grund der Veränderungen der Provisionsauszahlungen deshalb den Services des Vermittelns von privaten Krankenversicherungen aus dem Online-Sortiment aus.

Ein Geschäftsführer eines bekannten unabhängigen Versicherungsportals sagte zu netz-trends.de: "Das lohnt sich für uns einfach nicht mehr. Deshalb mussten wir 2013 bereits 20 Mitarbeiter im Servicebereich kündigen, die meisten Gekündigten waren Versicherungskaufleute".

Provisionszahlungen wurden für PKVs verändert

Die Versicherungen hatten vor zwei Jahren argumentiert, die Kündigungsrate und Wechselrate sei im Bereich der Privaten Krankenversicherung zu hoch, weshalb man es sich nicht mehr leisten könne, eine Provision für das Vermitteln einer privaten Krankenversicherung im ersten Jahr zu bezahlen. "Diese Reform war dringend notwendig", berichtet der Sprecher eines nordrheinwestfälischen Versicherungskonzerns netz-trends.de.

Doch ob das Onlineproblem das einzige der Nürnberger Versicherung ist, steht nicht fest. Jedenfalls schreibt die Nürnberger Zeitung, die in aller Regel bei Themen rund um die Nürnberger Versicherung sehr gut informiert ist, wonach es "bei der Nürnberger Versicherungsgruppe gewaltig" rumore.

Weiter führt die Zeitung aus, wonach der Grund für das "Rumoren eine Neuordnung des Vertriebs, die Stellenstreichungen, Standortschließungen und -verlagerungen sowie ein neues Vergütungssystem" sei. Das Programm trage den Namen "Vertrieb 2015" und solle Anfang 2015 "im Eiltempo starten".

Bekannt ist, dass die Versicherungskonzerne unter den von der EU verordneten Niedrigzinsen ebenso leiden, wie normale private Sparer. Hinzu kämen, schreibt die Nürnberger Zeitung, "neue Regularien bezüglich Risikoabsicherung und Transparenz für die Kunden, ein harter Kampf um Preise und Konditionen und aggressive Wettbewerber im Internet". All dies drücke auf die Erträge.

Deshalb müsse die Versicherungsbranche nun massiv Kosten einsparen. Doch wie die Nürnberger Versicherung mit einem gemunkelten kleineren Vertriebsapparat die Defizite in der Versicherungsvermittlung im Bereich der Privaten Krankenversicherung abfedern möchte, ist bislang nicht bekannt.

Krise vorangeschritten?

Jedenfalls scheint die Krise bei der Nürnberger Versicherung so weit vorangeschritten zu sein, dass es zwischen Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat einen abgeschlossenen Interessenausgleich gebe, schreibt die Nürnberger Zeitung weiter.

Ziel sei, "einen Vertriebskostennachteil gegenüber dem Markt" dringend abzubauen. Besonders die HUK Coburg ist für einen besonders aggressiven Vertrieb bekannt.

Neben der privaten Krankenversicherung könnte auch der Lebensversicherungsmarkt ein Problem bei der Nürnberger Krankenversicherung darstellen. Aufgrund der Niedrigzinsen schließen immer weniger Bürger eine Lebensversicherung als Produkt für die private Altersvorsorge ab. Doch ist die Krise im Bereich der Lebensversicherungen von der Versicherungsbranche auch hausgemacht:

Einige Finanzdienstleister hatten unter Schulterschluss mit Versicherungs-Unternehmen teils drastisch sich an den Spareinlagen bedient. Netz-Trends.de berichtete von einem Fall beim Finanzdienstleister MLP, in welchem ein Wirtschaftsingenieur, ausgebildet an der TU Karlsruhe, MLP vorwarf, in einem Zeitraum von rund 15 Jahren von circa 103.000 Euro angesparter privater Altersvorsorge angebliche "Kosten" in Höhe von über 30% abgezogen zu haben.

Der Vorwurf: MLP habe ihn mit dem Lebensversicherer Heidelberger Leben "abgezockt". Zudem rechnete er vor: hätte er seine Spareinlagen die 15 Jahre auf ein privates Sparbuch bei einem Zinssatz von 2% einbezahlt - was es heute nicht mehr gibt – hätte er heute rund 30.000 Euro mehr auf dem Konto. (Artikelverweis: "Wie dubios sind die Versicherer? Kritik: 'Abzocke bei MLP und Heidelberger Lebensversicherung AG' / 'Von 103.000 Euro Altersvorsorge nur 84.000 übrig'")

Reduzierung der Bezirksdirektionen von 63 auf 34

Doch ob Lebensversicherungs-Krise oder PKV-Krise in der Branche: Die Nürnberger Versicherung scheint ihr Vertriebsproblem unter anderem mit "der Auflösung der sieben Vertriebsdirektionen" sowie einer "Reduzierung der Zahl der Bezirksdirektionen von 63 auf 34" in den Griff bekommen zu wollen. Künftig wolle man, schreibt die Nürnberger Zeitung, den Vertrieb der Nürnberger Versicherung auf 14 Dreh- und Angelpunkte konzentrieren.

Wie viele Mitarbeiter ihren Job verlieren, ist bislang nicht klar. Spekulationen nennen Zahlen im dreistelligen Bereich. Für Unruhe sorge in der Belegschaft aber, führt die Nürnberger Zeitung weiter aus, dass "viele Stellen neu ausgeschrieben werden und sich etablierte Mitarbeiter neu bewerben" müssten.

Solche Verfahren einer Neuausschreibung deuten darauf hin, dass die Nürnberger Versicherung gleichzeitig versuchen könnte über ein Absenken von Provisionen ihre Kosten zu reduzieren. Gleichzeitig scheint der Nürnberger etablierte Versicherungskonzern durch übliche Aufhebungsverträge sein Personal reduzieren zu wollen.

Angeblich würde die Nürnberger Versicherung "Turboprämien" ausschütten, sollten sich Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im ersten Quartal 2015 für eine Unterschrift auf einem Aufhebungsvertrag entscheiden. Begleitet werde der Jobabbau durch "Änderungs- und Beendigungskündigungen".

Betriebsbedingte Kündigungen sollen letztes Mittel sein

Doch bevor es zu Kündigungen komme, schreibt die Nürnberger Zeitung weiter, versuche der Versicherungskonzern den Mitarbeiterstock erst durch andere Maßnahmen zu reduzieren: "Versetzungen, Teilzeit- und Altersteilzeitangebote sowie einvernehmliche Trennungen von Mitarbeitern". Außerdem sollten "befristete Arbeitsverträge nicht verlängert werden". Betriebsbedingte Kündigungen seien zum jetzigen Zeitpunkt bei der Nürnberger Versicherungsgruppe die "Ultima Ratio".

Derweil sind viele Mitarbeiter der Nürnberger Versicherung geschockt. Sie sprächen, berichtet die Nürnberger Zeitung weiter, von einer "Demontage der Außenbezirke", während die "Hauptverwaltung im Büroturm in der Nürnberger Ostendstraße unangetastet" bleibe:

Hier habe die Geschäftsleitung sogar eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren auf angeblich 4.311 genehmigt. Noch für das Jahr 2011 weist der Konzern 4.142 Mitarbeiter für die Zentrale (Mitarbeiter im Innendienst) aus. Die Nürnberger Versicherung beschäftigt derzeit rund 23.500 Menschen im Außendienst sowie in den Agenturen der Versicherungsgruppe.

Wie dramatisch sich die wirtschaftliche Situation der Nürnberger Versicherung scheinbar geändert hat, lässt sich daran ablesen, dass der neue Vorstandschef des Konzerns, Armin Zitzmann, im Interview mit der Nürnberger Zeitung Anfang 2013 noch sagte, er habe damals "überhaupt keine Gedanken an ein Stellenabbauprogramm verschwendet".

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