Jetzt haben einflussreiche Mitglieder des Europäischen Parlaments der Europäischen Union (EU) ein Papier vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass sie sich vorstellen könnten, besonders die dominierenden Digital-Unternehmen und deren immer ausufernden Geschäftsfelder wettbewerbsrechtlich zu trennen, einige sprechen auch davon "die Macht dieser Konzerne zu zerschlagen". Dass damit derzeit primär der amerikanische Megakonzern Google Inc. gemeint sein kann, ist vielen Beobachtern klar. Doch auch Apple könnte zunehmend dank seines geschlossenen Systems rund um das iPhone unter Druck geraten:
Kritiker der Macht der US-Konzerne rund um das Internet und die Digital-Welt verweisen auf einen ähnlichen Fall von Machtballung, welcher schon einmal mit üblichen Standards der Wirtschaftspolitik nicht mehr beizukommen war - und zwar jener von Standard Oil Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA: Das Imperium der Rockefellers dominierte über 80 Prozent des Ölmarktes in den USA. Schließlich wurde Standard Oil um 1910 kartellrechtlich zerschlagen. Doch auch heute noch lebt das Rockefeller-Imperium weiter und zwar in Form des weltgrößten Konzerns Exxon Mobile. Die Rockefellers gelten als megareich, tauchen aber kaum in den Forbes-Richest-Listen auf.
Der Vorschlag des Europäischen Parlaments in Bezug auf die mögliche Zerschlagung der Geschäftsfelder der Google Inc. in rechtlich voneinander getrennt betriebene Geschäftsfelder wird derzeit primär von zwei Parlamentariern vorangetrieben, die aber stellvertretend für zahlreiche andere Europaparlamentarier stehen:
Von Dr. Andreas Schwab (CDU), der aus dem EU-Wahlkreis Freiburg i.B. aus Deutschland stammt, sowie durch den Spanier Ramon Tremosa. Während Schwab, 41, studierter Jurist ist, ist der Spanier Tremosa Professor für Betriebswirtschaftslehre und sitzt für die katalanisch-konservative spanische Partei CiU im Europaparlament.
Dass es dem EU-Parlament derzeit und zu Anfang primär um die Beschränkung der Macht von Google geht, zeigt sich unter anderem daran, dass Tremosa, 49, am Samstagmittag twitterte: "Ramon Tremosa... Cas #Google a @elpuntavui, molt bona crònica d'@albertsegura_ @Andreas_Schwab".
Dieser Tweet bedeutet so viel, als dass es bislang zahlreiche Medienberichte rund um den EU-Vorstoß in Bezug die Reduzierung der Google-Macht gebe (".... sehr gute Chronik").
Auch Andreas Schwab twitterte am Samstagvormittag und nahm Bezug auf den deutschen Digital-Kommissar in der Europäischen Union, Günther Oettinger: "@GOettingerEU today @CDU meeting: 'Google will see next year what happens if you don't stick to European rules' @EPPGroup @ramontremosa."
Vor einigen Monaten hatten über 400 europäische Unternehmen – darunter auch zahlreiche aus Deutschland - bei der EU Wettbewerbsbeschwerde gegen die Google Inc. eingereicht. Sie sähen, sagten sie, durch die Monopolstellung von Google ernsthaft und nachhaltig den Wettbewerb im immer wichtiger werdenden Wirtschaftszweig Internet bedroht.
So verfügt die Google Inc. bereits heute über einen Jahresumsatz von rund 70 Milliarden US-Dollar bei einem Jahresgewinn von gut 13 Milliarden Dollar - das ist mehr, als alle deutschen Tageszeitungen, Zeitschriften, Radiosender und Fernsehsender gemeinsam in Deutschland Gewinn erwirtschaften.
Die Marktmacht von Google beruht vor allem darauf, dass sich die Suchmaschine in zahlreichen Ländern der Welt als Zugang ins Internet etablieren konnte, was einerseits ihrer hohen Qualität zuzuordnen ist, andererseits dem normalen Wirtschaftssystem: Je mehr Geld ein Konzern verdient, desto intensiver kann er dieses Geld einsetzen, um seine Dienstleistungen selbst zu verbessern, aber auch um Konkurrenten aus bestimmten Geschäftsfeldern fern zu halten.
Da über 90 Prozent der Deutschen über Google ins Internet gehen, zeigt dies ganz klar: Google sagt, wer was wo findet und entsprechend im E-Commerce kaufen kann. Dabei ist die Google-Macht vielfältig aufgestellt: Sie beruht wirtschaftlich gesehen vor allem in dem weltgrößten Werbesystem, das es jemals gegeben hat: In den Google AdWords Anzeigen (über und rechts neben den redaktionellen Google-Treffern von Drittanbietern) sowie den Google Adsense Anzeigen (eingeblendete Textteil-Anzeigen und Display-Anzeigen auf Hunderttausenden Webseiten weltweit).
Die starke Marktmacht beispielsweise von Google AdWords führt mittlerweile immer häufiger zu einem ruinösen Wettbewerb um Anzeigenplätze in Google AdWords: Teils müssen die Werbekunden hier bereits über 25 Euro pro Nutzer-Klick bezahlen, damit sie überhaupt noch einigermaßen relevant in den Google AdWords-Blöcken auftauchen. Die Höhe der Kosten für das Google AdWords-System wird einerseits von Google festgelegt. Andererseits entscheidet eine Art Auktion, welcher zahlreiche Parater zu Grunde liegen. Mit Google Adwords und Google Adsense wurde die Google Inc. der weltgrößte Werbekonzern.
Die harte Wettbewerb rund um eine gute Platzbegrenzung der Fremdanzeigen (Google AdWords) in Google führt dazu, dass es deutsche Internet-Unternehmen gibt, die in den vergangenen zehn Jahren nach Schätzungen bereits über 1 Milliarde Euro Werbegelder an die Google Inc. überwiesen haben, um selbst wachsen zu können, also Umsatz und Gewinn zu generieren. Dabei ist allen Machern im Internet klar:
Die Google Inc. könnte derzeit nahezu jedes Internet-Unternehmen beispielsweise in Deutschland dadurch eliminieren, indem es die Webseiten des Anbieters einfach aus der Suchmaschine nimmt oder die Sichtbarkeit der Treffer zu einer Person, einem Unternehmen oder einer sonstigen Institution einfach so weit reduziert, dass fast nichts mehr davon in Google zu finden ist.
Dabei wendet Google eine Technik an: Die Google Inc. entscheidet auf Grund zahlreicher Parameter, wie oft Daten und Angebote in Google täglich eingeblendet werden und auf welchem Rang. So werden beispielsweise kleine Webseiten teils von Google in der Internetsuchmaschine 20.000 Mal pro Tag eingeblendet. Netz-Trends.de weiß, dass es aber Webseiten gibt, deren Einblende-Frequenz Google einfach mal über Nacht von 20.000 auf 2.000 reduziert hat.
Dauert eine solche als "downgrade" umschriebene Abstufung einer Webseite in der Google-Suchmaschine länger an, bedeutet das für einen Webseiten-Betreiber in aller Regel massive wirtschaftliche Einbrüche, wenn nicht den wirtschaftlichen Tod. Eine deutliche Reduzierung der Sichtbarkeit in der Google-Sichtbarkeit erlebte kürzlich auch der deutsche Hotelanbieter HRS. Es wird kolportiert, wonach die HRS-Webseiten in Google um bis zu 25 Prozent weniger sichtbar gewesen wären.
Dazu muss man wissen: Ein großer Webseiten-Betreiber verfügt leicht über einige Hunderttausend bis Millionen Unter-Webseiten. Sie alle sind darauf angelegt, dass sie in Google nach der Eingabe von Suchanfragen (keywords) auch mit einem entsprechenden Angebot an den Nutzer gefunden werden.
Über die Gründe, warum eine Webseite in Google plötzlich kaum mehr auffindbar ist, gehen die Meinungen auseinander: Google behauptet gerne, die betreffende Webseite habe qualitative Fehler gemacht. Doch weiß netz-trends.de aus zahlreichen Beispielen, dass dieses so nicht immer zutrifft: Beispielsweise gehen Beobachter derzeit davon aus, dass zahlreiche Produktvergleichs-Seiten in Google deutlich schlechter eingeblendet werden, da Google sein eigenes Produkt Google Products pushen möchte, um auch dort Einnahmen zu erzielen.
Als im negativen Sinne betroffene Konkurrenz-Webseiten werden derzeit immer wieder Seiten wie billiger.de oder idealo.de (Axel Springer) genannt, deren Sichtbar in der Inernetsuchmaschine Google deutlich reduziert worden sei. Es gibt auch in Deutschland große Webseiten, deren Sichtbarkeit in Google seit Jahren faktisch gegen Null tendiert. Die Betreiber wurden in solchen Fällen von Google bestraft (man spricht von einem "Filter" auf einer Webseite), ohne dass sie eine Chance haben, diese Strafe jemals wieder loszuwerden.
Entsprechend bereitet den Wettbewerbshütern der EU neben der Suchmaschinen-Macht von Google, die ausufernden zusätzlichen Geschäftsfelder, mit welchen Google eigenen Werbekunden zunehmend massive Konkurrenz macht, Magenschmerzen: Mit Google Compare (in UK gestartet), will die Google Inc. der weltgrößte Vermittler (auf Provisionsbasis) von Versicherungen und sonstigen Finanzdienstleistungsprodukten werden.
Mit Google Flight will die Google Inc. der weltgrößte Vermittler (auf Provisionsbasis) von Flugtickets werden. Mit Google Hotelfinder will Google (auf Provisionsbasis) der größte Vermittler von Hotels werden. Mit Google Products will Google der weltgrößte Vermittler von Produkten aller Art werden (auf Provisionsbasis). Mit YouTube ist die Google Inc. schon heute der mächtigste Anbieter von Videos - könnte also langfristig hier der mächtigste TV-Anbieter auf dem Globus werden.
Doch damit nicht genug: Mit Android ist die Google Inc. schon heute der weltgrößte Anbieter von Handy-Betriebssystemen - statt 1 Milliarde Nutzer, strebt Google nun weltweit 2 Milliarden Nutzer an. Mit Google Mail ist die Google Inc. ebenfalls schon jetzt der weltgrößte Anbieter von E-Mail-Fächern. Ähnlich sieht es beim Appstore Google Play aus: Hier ist die Google Inc. nun das größte und mächtigste Tor zum Finden von Apps auf Handys.
Angesichts einer solch enormen Machtanballung sagte vor einigen Monaten der deutsche Axel Springer CEO Mathias Döpfner (Bild-Zeitung, Die Welt, N24) in einem bemerkenswerten Beitrag in der deutschen nationalen Tageszeitung Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), er habe "Angst vor Google". Dieses Statement war weltweit in Hunderten Medien verbreitet worden und zeigte einmal mehr die weltweit zunehmende Sensibilität im Umgang mit der Google-Macht.
Ähnlich kritisch in Bezug auf die von Monat zu Monat wachsende Google-Macht hatte sich mehrmals der verstorbene Herausgeber der deutschen nationalen Tageszeitung Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, geäußert.
Die vor allem in Deutschland immer lauter werdende Google-Kritik gipfelte bislang darin, dass der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD; Lese-Empfehlung: "Sigmar Gabriel: Google-Macht in der Netz-Trends-Analyse") ebenfalls in einem FAZ-Beitrag geschrieben hatte, er könne sich als letzte Option ein Gedankenspiel in Bezug auf die mögliche Notwendigkeit vorstellen, die Macht des amerikanischen Megakonzerns Google durch kartellrechtliche Maßnahmen zu zerschlagen.
Hinzu kommt: Die deutsche Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) soll vor einigen Monaten in kleinerem Kreise geäußert haben, sie halte die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs im digitalen Zeitalter für ein politisches Primat. Das deuten Kenner der Szene als deutlichen Fingerzeig an amerikanische Megakonzerne wie Google, wonach sie dringend dafür sorgen sollten, dass Wettbewerbs-Verzerrungen unterbleiben. Dabei sind solche Statements noch höflich ausgedrückt: Denn Google ist letztlich das Tor für die Wirtschaft im Internet. Ohne Google läuft in Ländern wie Deutschland hier fast nichts mehr.
Google ist in der EU im fünften Jahr unter Druck. So läuft seit 2010 offiziell ein anti-trust-Verfahren. Anfang November 2014 erklärte die neue Wettbewerbs-Kommissarin der EU, die Dänin Margrethe Vestager, 46, erklärt, wonach sie mehr Zeit benötige, um sich ein Bild rund um die wettbewerbsrechtliche Situation von Unternehmen im Google-Systems zu machen.
Vestagers Vorgänger, der Spanier Joaquin Almunia, hatte im Frühjahr 2014 in der Internetszene sowie auf politischer Ebene für Aufsehen gesorgt, als er äußerte, er könne keine marktbeherrschende Stellung der Google Inc. erkennen und wolle deshalb das Wettbewerbsverfahren gegen Google mit einigen wenigen Auflagen einstellen:
Nach wie vor droht Google mit 6 Milliarden US-Dollar eine empfindliche Strafzahlung in Europa für den Fall, dass sich die Google Inc. nicht stärker darum bemüht, eigene Geschäftsfelder klarer vom Google-Suchmaschinen-Geschäft zu trennen.
Wie breit die Kritiker-Front der Google-Macht im Europaparlament ist, zeigt sich auch an Äußerungen beispielsweise des deutsch-französischer Politikers Jan Philipp Albrecht. Er sitzt für die deutsche Partei der Grünen im EU-Parlament und sagte: "Internet-Suchmaschinen wie Google sollt es nicht erlaubt werden, ihre Marktmacht dazu zu gebrauchen, um eigene kommerzielle Angebote auf der eigenen Internetsuchmaschine nach vorne zu treiben". Albrecht, der in Hamburg wohnt, ist justizpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament.