Eric Schmidt von Google kommt nach Deutschland: Zerschlagungs-These sorgt für Unruhe

Unter anderem möchte Schmidt laut dem Magazin DER SPIEGEL dem deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Aufwartung machen. Dabei ist es nicht die erste Deutschlandreise von Eric Schmidt. Hinzu kommt: "Google behandelt die EU wie eine zu verwaltende Kolonie", sagt ein sehr guter Google-Kenner. Sein Vorwurf:

Karte: google.com/intl/de/about/company/facts/locations/
netz-trends.de zählte 79 Google-Standorte weltweit. Kontinental betrachtet sind die meisten in der EU - der wohl wirtschaftlich wichtigsten Google-Region.

Er sei, sagte nun Eric Schmidt, ehemaliger CEO der weltgrößten Internetsuchmaschine Google, von der harten Kritik und dem Proteststurm in Europa gegen Google getroffen. Deshalb wolle der heutige Verwaltungsratschef und Milliardär Schmidt (dessen Vorfahren offensichtlich deutschstämmig sind) nun bereits nächste Woche in Deutschland, Germany, aufschlagen und dort bei wichtigen Multiplikatoren für gut Wetter sorgen.

"Google diktiert großen wie kleinen Unternehmen und Plattformen, nahezu der kompletten Internetwirtschaft, wie was wo zu sein hat: Wie eine Internetseite gebaut sein soll, was aus Sicht von Google zulässig ist und was nicht". Einerseits diene das tatsächlich dem Versuch Googles, Spam-Seiten und Betrugs-Seiten, auch publizistische Müllhalden von qualitativ hochwertigerem Content im Google Index nach hinten zu drängen, doch nicht nur.

Immer häufiger lassen sich Google-Manager dazu verführen, von ihrem einstmals ethischen Anspruch, die Welt des Internets transparent und offen zu halten, zu verabschieden. Das ruft zu Recht Kritiker auf den Plan. Denn immer deutlicher wird: Google sucht letztlich primär nach der eigenen totalen Macht, Kontrolle und dem Wunsch, der größte Konzern aller Zeiten zu werden, der letztlich wie ein Staat im Staat agieren kann. Das Nice-Boys-Image mit bunten Smarties droht den Bach hinunter zu gehen.

Von Frankfurter Allgemeinen Zeitung, über Bild und die Berliner Morgenpost der Funke Gruppe aus Essen bis hin zu kleinen Portalen: Die Front der Kritiker an Googles Allmachts-Tendenz wächst und mir ihr die Rufe: Zerschlagt dieses Konglomerat. Für Google kann das auf lang Sicht gefährlich werden. Doch bislang juckt das Google kaum. Unberührt weitet das Imperium seinen Machtbereich weiter im E-Commerce aus. Man will die komplette Verwertungskette.

Gleichzeitig "spioniert Google die wichtigen AdWords-Konten, also Anzeigenkonten seiner Kunden, aus, um immer aggressiver selbst groß ins E-Commerce zusätzlich zum Anzeigengeschäft einzusteigen", sagt der sehr gute Google-Kenner weiter.

Auch netz-trends.de hat über dieses Thema mehrfach geschrieben: Das Öl von Google sind die AdWords-Konten. Sie garantieren dem Konzern mehrere Milliarden Dollar Gewinn im Jahr. AdWords sind jene kleinen Textteil-Anzeigen, welche über den redaktionellen Google Search-Treffern kommerziell eingeblendet werden und seit einigen Monaten mit dem Wörtchen "Anzeige" gekennzeichnet sind. "Wir hatten alle nicht damit gerechnet, dass solche kleinen Textteilanzeigen einmal eine solche Marktmacht erhalten könnten", sagt ein Mitglied des Bundesverbandes der deutschen Anzeigenblätter (BVDA).

Googles AdWords-System ist das Öl im Superkonzern

Große Google AdWords-Kunden überweisen auch in Deutschland mittlerweile über 100 Millionen Euro jährlich an Google, um einen guten Anzeigenplatz zu erhalten - die Voraussetzung für eine gute conversion rate, also die Chance, dass aus einem Klick ein Umsatz generiert wird. Dabei ist bekannt: Auf den ersten Google-Treffer nach einer Suchanfrage gehen in der Regel gut 25% aller Klicks.

Nur: So erfolgreich das digitale Google-Werbesystem ist, so kantig nutzt es Google, um den Monsterkonzern weiter aufzublasen - an vorderster Front mit eigenen Abverkaufskanälen beispielsweise für Versicherungen alá Allianz-Vertrieb oder Ergo-Vertrieb im Google eigenen E-Commerce Channel Google Compare (Beispiel: google.co.uk/compare/carinsurance/form?p=home). Die Vermittlungs-Provisionen sollen also künftig auch an Google fließen. Ein lukratives Geschäft - denn pro Abschluss einer Lebensversicherung fließen bis zu 4.500 Euro Provision. Googles Ziel:

Konkurrenten aus dem Feld schlagen, den Markt weltweit vereinnahmen und dann auch den Versicherungskonzernen die Konditionen diktieren. Schon heute kassiert Google 50 bis 70% an Sharings mit Geschäftspartnern. Hat sich Google bislang gerne mit dem Image eines neutralen Suchkonzerns umgeben, wagt sich Google immer weiter vor als aggressiver Abverkaufs-Kanal der alles macht. Bestes Beispiel: Das in Großbritannien gestartete "Google Compare". Hier titelt Google wie ein einfacher Werbungtreibender für sein E-Commerce-Produkt: "Get car isurance quotes from up to 127 providers" (Grafik unten).

Google wird jetzt auch zum weltgrößten E-Commerce-Konzern und frisst die Kinder, die ihn finanzieren: Seine Anzeigenkunden. Google will also die totale Macht. Google Compare ist kein primäres Vergleichsportal sondern ein primäres Google-Verkaufsportal das einen Milliarden-Mark abgreifen möchte - den seiner Anzeigenkunden.Quelle: google.co.uk/compare/carinsurance/form?p=home

Schon heute setzt Google über 60 Milliarden Dollar um, bei rund 13 Milliarden Dollar Jahresgewinn - das ist mehr als alle deutschen Medienhäuser (RTL, Pro7, alle Tageszeitungen und alle Zeitschriften) zusammen an Gewinn erwirtschaften. Google vereint nach Marktschätzungen rund 30 bis 40% der Online-Werbeeinnahmen auf sich. Tendenz: Steigend.

Wie das geht? Indem die Werbepreise für Google AdWords weiter von der Google Inc. nach oben geschraubt werden. Schon heute kann es sein, dass ein Klick auf eine AdWords-Anzeige beispielsweise im Kfz-Anzeigenbereich mit der werblichen Überschrift "Billige Kfz-Versicherung hier" bis zu 25 Euro pro Klick kostet, also der Werbungtreibende nach einem Klick auf die Adwords-Anzeige an Google überweisen muss.

25 Euro für einen Klick eines Nutzers auf eine Google-Anzeige - für viele der Weg in den ruinösen Wettbewerb

Klicken also nur vier Personen, die eine Kfz-Versicherung beispielsweise zur klassischen Wechselsaison im Oktober / November suchen, auf eine von Versicherungen oder Versicherungs-Portalen eingeblendete Google AdWords-Anzeige, setzt Google damit bereits 80 Euro um.

Google breitet seine eigenen E-Commerce-Angebote schon auf der Startseite immer stärker aus und verdrängt Wettbewerber. In Kürze startet in Deutschland noch Google Compare - ein Versicherungs- und Finanz-Vergleichs- und Verkaufsportal von Google. In UK läuft es bereits.

Doch: Ein Abschluss einer neuen Kfz-Versicherung ist damit noch lange nicht gewährleistet. Ähnlich schaut es im Reise-Segment aus: Im harten Wettbewerb der Reisebuchungsportale ist es schon heute nicht unüblich, dass bis zu 300 Klicks auf eine in Google geschaltete Google AdWords Anzeige erfolgen müssen, ehe ein Reisebuchungsportal tatsächlich eine Reise verkaufen kann.

Der einzige der an dem System richtig Asche verdient – nämlich viele Milliarden Euro im Jahr - ist Google. Nun kann man das eigentlich nicht Google vorhalten - wohl aber die Preistreiberei in den Google-AdWords-Konten, die in den besonders begehrten Branchen mittlerweile zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen den Portalen führen. Die meisten eCommerce-Portale erwirtschaften bis zu 80% ihres Umsatzes durch die Schaltung von Google AdWords-Anzeigen.

Wenn nun Eric Schmidt vor seiner Deutschland-Visite sagt, er verstehe die ganze Aufregung um Google in Europa nicht, muss ihm entgegengehalten werden, dass Google einerseits durch das immer ruinösere Google AdWords-System zunehmend zu einem erheblichen Problem für viele in der Digitalwirtschaft wird.

Google spioniere seine Kunden aus und mache mit dem Knowhow ihnen dann mit eigenen E-Commerce-Angeboten Konkurrenz

Gleichzeitig – und das wiegt deutlich schwerer – "spioniert Google ähnlich der NSA seine eigenen Kunden aus", sagt der sehr gute Google-Kenner. Grund: Niemand weiß so gut wie Google, welche Anzeigen-Keywords zu einem späteren tatsächlichen Produkt-Verkauf führen und welche nicht.

Deshalb nimmt Google den Internet-Wettbewerb, der an Googles Suchmaschine hängt, nun gleich von zwei Seiten in die Zange: Einerseits ist Ablass in den AdWords-Konten für ein gutes Listung zu zahlen, andererseits macht Google den eigenen Kunden verschärft Konkurrenz in Europa:

Durch eigene eCommerce-Angebote, die exakt die Bereiche abdecken, mit welchen im eCommerce bislang einigermaßen Dank des AdWords-Systems Geld verdient werden konnte: Im Reisemarkt, im Versicherungsmarkt, im auf Provisionen basierenden Produktvergleichs-Markt. So lanciert Google immer prominenter eigene eCommerce-Produkte in den Google Suchergebnissen: Google Flights (für den Verkauf von Flugtickets), Google Hotels (für den Verkauf von Hotelzimmern), Google Compare (für den Verkauf von Versicherungen), Google Products - für die erfolgsbasierte Produkt-Vermittlung.

Springers idealo.de Produktvergleichsseite wurde downgegraded von Google - warum nur?

Aktuell geht einmal mehr einen Raunen durch die Branche. Google hat mal wieder ein Update durch seine Suchmaschine gejagt und einige Plattformen sind Gewinner, einige große Verlierer. Einer der Absteiger in der Sichtbarkeit in den Google-Trefferlisten sei idealo.de - eine Preisvergleichs- und Produktvermittlungsseite der Axel Springer SE - schreibt das Fachmagazin fvw. Das dürfte unmittelbare und möglicherweise drastische Auswirkungen auf den Umsatz und Gewinn des Springer-Portals besonders im Reisesegment haben.

Dabei ist zu sagen: Klar, nicht nur idealo.de wurde abgestraft, auch viele andere Anbieter bereits vorher und auch künftig. Dabei mag die aktuelle Google-Abstufung von idealo Konkurrenten freuen - die durchaus auffällig ist -, doch viele fragen sich auch: Wie kann das ausgerechnet jetzt sein???

Bissige Karikatur zur Macht des Stanardoil-Ölmonopols von Rockefeller um 1910. Bekannt auch als Standard Oil Trust. Immer mehr sagen heute: Die böse Kranke als Sinnbild für Google das sei auch heute schon Realität.

Kein Grund zur Panik Herr Schmidt? "Das sehen Tausende eCommerce-Unternehmen, aber auch Online-Publisher längst nicht mehr so", sagt ein Geschäftsführer eines großen Internet-Unternehmens aus München zu netz-trends.de und spricht damit aus, was unzählige kleine wie große Anbieter im Netz sich niemals getrauen würden offen zu sagen.

Denn wer sich mit Google anlegt, dem droht der Untergang. Google hat faktisch die Macht jeden digitalen Internet-Anbieter Dank seines Suchmaschinen-Monopols (gut 90% Marktanteil in Deutschland) ins komplette wirtschaftliche Abseits zu drängen. "Mit unzähligen Unternehmen hat das Google auch bereits gemacht", sagt eine Londoner Anwältin. Immerhin ist Google bislang noch in einem fair:

Eine Vernichtung im Google-Index kann große wie kleine Anbieter treffen. Zum Kumpanen des anderen in der Welt bestehenden Großkapitals hat sich Google bislang nicht gemacht. Doch sollte Google das eines Tages auch noch machen, würde die Lawine gegen Google noch stärker ins Rollen kommen. Deshalb geht es hier um mehr als eine Gleichberechtigung - es geht um ein Grundprinzip einer freien Gesellschaft zu der ein freies und faires Wettbewerbssystem gilt.

Google hat sich sehr große Verdienste erworben und Hunderttausenden Menschen die Selbständigkeit ermöglicht - das darf aber nicht ein Freibrief für die Totale Macht von Google werden...

Dass ohne Google Hunderttausende Internet-Unternehmen nicht existieren würden, steht ganz außer Frage. Google ist Fluch und Segen in einem. Erst Google hat es möglich gemacht, dass Hunderttausende Einzelunternehmer, Studenten, plötzlich ohne großes Eigenkapital Unternehmen aufbauen konnten. Das wiegt schwer. Doch nicht so schwer, als dass man nun bereit wäre, tatenlos zuzusehen wie Google seine Kinder frisst.

Wie blank die Nerven bei vielen Internet-Anbietern beim Gedanken an die Marktmacht des US-Monsterkonzerns Google längst liegen, zeigte kürzlich eine weltweit beachtete massive Kritik von Mathias Döpfner, dem CEO der Axel Springer SE (Bild-Zeitung, Die Welt, N249):

Döpfner warf Google erhebliche Wettbewerbsverzerrungen vor zu Lasten des freien Wettbewerbs. Indirekt brachte er zudem auch die Gedankenspiele einer möglichen Zerschlagung von Google auf das Tablett (möglicherweise ähnlich der Zerschlagung des Rockefeller Öl-Monopols Standardoil in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts). Hat Döpfners Kritik etwas mit dem Downgrade von idealo.de zu tun? Aus Google-Sicht angeblich nicht. Aber Zweifel im Markt bleiben.

Den gedanklichen Leitfaden einer möglichen Zerschlagung von Google nahm kürzlich etwas verdeckt formuliert auch Sigmar Gabriel (SPD), Deutschlands Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister auf und sagte: Zunächst müsse nun das Bundeskartellamt sich mit der Google-Macht auseinandersetzen.

Aber auch Gabriel scheint sich zunehmend an den Gedanken zu gewöhnen, dass Google an die staatliche Kandare genommen werden soll. Die harmloseste Variante wäre, dass Google, wie vor gut 15 Jahren Microsoft, dazu gezwungen wird, bereits auf der Google-Startseite fünf weitere Internet-Suchmaschinen in gleichberechtigter Größe anzubieten. "Das könnte einen dringend notwendigen Wettbewerb wieder herstellen", meint ein ranghoher Bundestagsabgeordneter der CDU zu netz-trends. Für weiteres Misbehagen sorgt auf höchsten Ebenen in Deutschland auch die Nähe von Google, Microsoft & Co zur US-Stasibehörde NSA. Auch wenn Eric Schmidt nun im Gespräch mit dem SPIEGEL sagte, Google würde nicht (aktiv) mit der NSA zusammenarbeiten. Doch lassen die Enthüllungen von Edward Snowden bislang viele anderes befürchten.

Zudem lesen: Mathias Döpfner%

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