Telegram macht heimlich Backups auf Smartphone

Es soll ja Leute geben, die möchten jedes noch so kleine Wörtchen, das sie mit jemandem chatten, dokumentieren. Ganz nach dem Motto, man weiß ja nie wofür das gut ist. Und im übelsten Fall können solche Leute dann noch Jahre später die Freundin, den Freund damit erpressen, was dieser angeblich gesagt oder geschickt habe.

Immer das Theater mit den ungefragten Backups. (Bild: Pixabay License)

Und dann gibt es da die Leute, die froh sind, wenn Schnee von gestern Schnee von gestern ist und bleibt und Chatprotokolle automatisch irgendwann mal gelöscht werden. Es sind ja im Laufe der Jahre meist unnütze Tausende.

Nun wirbt der einstmals in Russland von einem findigen regierungskritischen Tüftler entwickelte Smartphone-Messenger „Telegram“ damit, er sei besonders sicher. Man sei angeblich datenschutzrechtlich sicherer, sicherer gegen Hackerangriffe und vor allem laufe man nicht über US-Surfer, die ja nicht besser sind, also chinesische oder russische.

Verschlüsselte Daten

Dann wirbt Telegram damit, wonach die Daten auch dort optimaler verschlüsselt würden als beim US-Konkurrenten WhatsApp. Zudem, was wirklich attraktiv ist: Es gibt bei Telegram die Option der angeblich extra gut verschlüsselten „geheimen“ Chats.

Das interessanteste an diesen Telegram-Chats ist, dass man dort einen „Selbstzerstörer“ festlegen kann. Da stellt man dann ein, ob eine Nachricht innerhalb von 7 Sekunden, wenigen Minuten, einer Stunde, einem Tag oder einer Woche automatisch zerstört werden soll – auf dem eigenen Handy und dem des anderen, der an einer solchen „geheimen“ Chatsitzung teilnimmt.

Gerade Chats mit eher fremden Menschen können sich da oftmals anbieten. Auch möchte man nicht, dass jedes Foto, jedes Video unbedingt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf dem Smartphone der anderen Person bleibt.

Löschfunktion für Nachrichten

Bei WhatsApp kann man bislang nur einzelne Nachrichten innerhalb weniger Minuten wieder löschen – sowohl auf dem eigenen Smartphone als eben auch, und das ist wirklich cool, auf dem Handy des anderen. Manchmal schreibt man Dinge oder verschickt Fotos und Videos, die man dann doch lieber nicht auf dem Handy des anderen dauerhaft haben möchte.

Und dann gibt es da noch bei Telegram die Funktion einer PIN, mit der man angeblich seine Chats sichern könne. Man weiß ja nie, wer mal das Handy in die Hand kriegt.

Doch gerade diese PIN-Geschichte bei Telegram ist pure Augenwischerei am Nutzer.

Denn, das brachte ein Netz-Trends.de-Test zu Tage: Wer in der „Huawei App Gallery“, „Google Play“ oder in sonstigen App-Sammelbecken Telegram deinstalliert und später wieder installiert, der kommt dann nicht nur ohne PIN wieder in Telegram rein.

Automatische Selbstzerstörung der Nachrichten

Nein: Es sind auch noch alte Chatprotokolle automatisch und ungefragt da, zumindest die, welche nicht in den geheimen Chats geführt wurden. Ohne dass der Nutzer die Option hätte, selbst zu entscheiden, ob die Chatprotokolle beim Deinstallieren überhaupt erhalten bleiben, beziehungsweise bei der Neuinstallation wieder übernommen werden.

Das war früher anders, scheint aber Telegram zum Negativen verändert zu haben. Zumindest konnten wir in unserem Test nirgends eine Option finden, die Backups unterbindet.

Wenigstens diese Option bietet Konkurrent WhatsApp relativ offen und per mehrmaliger Abfrage regelmäßig an. Zwar versucht auch WhatsApp einem ein „Backups“ anzudrehen, mit welchem man die Chatprotokolle jederzeit dauerhaft archivieren könne und bei einer Neuinstallation auf einem neuen Handy oder dem alten wieder übernehmen könne.

Chats bei Neuinstallation wieder drauf - auch wenn man das nicht will

Doch wer klug ist, und den ganzen Chatmüll nicht auch noch in einem „Backup“ sichern lässt (wozu???), erhält bei einer Neuinstallation nicht sämtliche Tausende alten Chats wieder.

Besonders heikel ist bei Telegram auch, dass es eine große datenschutzrechtliche Frage aufwirft, ob Telegram überhaupt ungefragt über Jahre Chatprotokolle, die wie E-Mail-Protokolle anzusehen sind, in der EU trotz Deinstallation archivieren darf.

Zudem wird das PIN-System bei Telegram ad absurdum geführt. Denn so kommen dann doch fremde Personen an zahlreiche eigentlich intime Chats.

In der IT-Szene sagen deshalb mittlerweile viele: Der Messenger „Signal“, ebenfalls mit einer Chat-Selbstzerstörungsfunktion ausgestattet, sei sowieso datenschutzrechtlich der bessere.

So oder so muss man aber wissen: Es gibt mittlerweile Apps, welche automatisch jeden Chat mit anderen protokollieren – ob mit oder ohne Selbstzerstörung auf dem Handy.

Doch kann man zumindest davon ausgehen, dass die wenigstens Smartphone-Chatter auch noch parallel so eine etwas perverse Spionage-App installieren.

Wir baten den „Support“ von Telegram über einen Antwort. Diese steht bis heute aus.

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