Rezension Ancestry.de im Test: Gutes Ahnungsforschungsportal, aber fieses Abo-Modell

Das Portal Ancestry.de bietet Hobby-Ahnenforschern Zugang zu zahlreichen historischen Dokumenten. Das Tool soll dabei helfen, die eigene Familiengeschichte zu rekonstruieren. Doch Nutzer sollten auf das Kleingedruckte achten, denn die Abo-Falle droht. Und das ist nicht die einzige Schwäche.

Bild: Ancestry.de/netz-trends.de
Die Homepage des Anbieters Ancestry.de ist übersichtlich und ansprechend gestaltet.

Es sind wohl DIE zentralen Fragen unseres Lebens: Wer bin ich und woher komme ich eigentlich? Zumindest bei Letzterem gibt es tatkräftige Unterstützung aus dem Internet. Dort erleben sogenannte Ahnenforschungsprogramme schon seit längerem einen wahren Boom. Das wohl bekannteste Portal ist neben Myheritage.de der Anbieter Ancestry.de.

Riesige Datenbank mit historischem Archivmaterial

Nach eigenen Angaben ist Ancestry.de die „weltweit größte Online-Plattform für Familienforschung“. 20 Milliarden historische Dokumente würden den Nutzern zur Verfügung gestellt, darunter 500 Millionen deutsche. Doch damit ist das Ende Fahnenstange noch nicht erreicht: Die Datenbank mit digitalisiertem Archivmaterial wachse stetig an, erklärt das Unternehmen auf seiner Homepage. Jeden Tag würden neue Sammlungen hinzugefügt. [1]

Die Plattform erlaubt es zudem mit anderen Ahnenforschern in Austausch zu treten. So wäre es beispielsweise möglich, entfernte Verwandte an den entlegensten Orten der Welt zu finden. Die Seite von Ancestry.de ist einfach gestaltet und auch für Laien schnell verständlich. Von zu Hause aus können bequem per Klick hunderte Aufzeichnungen und historische Register durchforstet werden.

1 Milliarde Umsatz mit Online-Ahnenforschung

Ancestry.de hat rund drei Millionen Mitglieder. Der Service wird in mehr als 30 Ländern angeboten. Insgesamt wurden schon mehr als 100 Millionen Stammbäume mit der Software erstellt. Im Jahr 2017 setzte das Unternehmen mit Sitz in Lehi im Bundesstaat Utah mehr als 1 Milliarde Euro um. Für Ancestry arbeiten mehr als 1.600 Personen an acht verschiedenen Standorten weltweit, darunter auch ein Büro in München. [2]

Die Datenbank des Anbieters bietet seinen Nutzern Zugriff auf zahlreiche historische Aufzeichnungen. Zu den geschichtlichen Quellen gehören beispielsweise Volkszählungen und Wählerlisten, militärische Aufzeichnungen wie Kriegs-, Verwundeten- und Vermisstenlisten, Geburts- sowie Heirats- und Sterberegister. Der zahlende Kunde erhält auch einen Einblick in Ein- und Auswanderungslisten sowie Kirchenbücher.

Online-Stammbaum erinnert an Facebook-Timeline

Um mit der Erstellung eines Familienstammbaums zu beginnen, gibt man nach dem Login als Erstes einfach seinen Namen ein. Anschließend ergänzt man den Stammbaum mit den Daten seiner Vorfahren, wie beispielsweise den Eltern oder Großeltern. Basierend auf den eingegebenen Informationen sucht das System in seiner Datenbank nach möglichen Ahnen, die sich per Klick dem Familienstammbaum hinzufügen lassen.

Einen Pluspunkt erhält der Online-Dienst für die übersichtliche Gestaltung des Online-Stammbaums, der in unterschiedlichen Darstellungsvarianten ausgegeben werden kann. Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten Personenseiten. Darin werden sämtliche Eingaben zu einer Person in Form einer Lebensgeschichte dargestellt, die hinsichtlich der grafischen Aufbereitung an die Facebook-Timeline erinnert. Zu jeder Zeit besteht die Möglichkeit, den Stammbaum mit Fotos, Dokumenten und PDFs nach Belieben zu erweitern.

500 Jahre Familiengeschichte mit einem Klick

Die Redaktion von netz-trends.de begab sich selbst auf Ahnenforschung, um Erfahrungen mit dem Portal zu sammeln. Dabei unterstützte das Team eine direkte Nachfahrin des deutsch-baltischen Adelsgeschlechts Bienemann von Bienenstamm bei der Suche nach ihrer Familiengeschichte. Im Zuge der Recherche wurde Ancestry.de auf Stärken und Schwächen hin untersucht. Der erste Online-Stammbaum war bereits mit nur wenigen Klicks erstellt.

Besonders bemerkenswert ist das umfangreiche Archivmaterial. Mitunter stieß das Redaktionsteam auf bislang unbekannte Fotoaufnahmen und Dokumente, die selbst der Nachfahrin nicht bekannt gewesen sind. Nach einigen Wochen Recherchezeit war ein Familienstammbaum zusammengestellt worden, der bis ins 16. Jahrhundert zurückreichte. [3]

Stammbaum lässt sich nur schwer exportieren

Punktabzug gibt jedoch bezüglich der Exportmöglichkeiten. Zur Speicherung nutzt Ancestry.de das übliche GEDCOM-Format. Damit lässt sich der Familienstammbaum abspeichern und in andere Programme übertragen. Allerdings handelt es sich bei GEDCOM um ein textbasiertes Dateiformat aus dem Jahr 1985! Es ist so veraltet, dass weder Dokumente noch andere Fotos gesichert werden können. [4]

Andere Exportmöglichkeiten gibt es kaum. Es besteht lediglich die Möglichkeit, sich den Stammbaum über die Druckfunktion als PDF-Datei ausgeben zu lassen. Allerdings können dann im Nachhinein keine Änderungen vorgenommen werden. Durch die Limitierung haben es die Betreiber mehr oder weniger darauf abgesehen, den Nutzer dauerhaft auf der Seite zu halten. Und das kann schnell teuer werden!

Uneingeschränkte Nutzung kostet monatlichen Beitrag

Um nämlich uneingeschränkten Zugriff auf alle Funktionen des Portals zu erhalten, wird eine Mitgliedschaft zwingend vorausgesetzt. Diese bietet Ancesty.de in zwei verschiedenen Preismodellen an.

Je nach gewähltem Tarif stehen dem Nutzer unterschiedliche Datenbanken zur Verfügung. Mit dem Abo-Modell Deutschland Premium haben Mitglieder Zugriff auf rund 500 Millionen historische Dokumente aus Deutschland. Der Tarif International Deluxe ist wesentlich umfassender und beinhaltet mehr als 20 Milliarden Dokumente weltweit.

Für das Deutschland-Abo werden im Monat 12,99 Euro verlangt beziehungsweise 9,99 Euro monatlich beim 6-Monatsabo. Die internationale Variante schlägt mit jeweils 10,00 Euro mehr zu Buche (22,99 Euro je Monat beziehungsweise 19,99 Euro monatlich beim 6-Monatsabo).

Anfang April 2018 bot das Portal seinen Nutzern noch eine "kostenlose" Testphase an, die ohne Kündigung nahtlos in ein Abo überging. Dieses Angebot existiert mittlerweile nicht mehr.Bild: waybackmaschine.com/ ancestry.de

Gratis-Version bietet Nutzern kaum Mehrwert

Dem Portal netzsieger.de zufolge hatte Ancesty.de noch im April 2018 ein kostenloses Demo-Konto für Interessenten zur Verfügung gestellt, um das Tool für zwei Wochen zu testen. Ärgerlich war dabei: Dieses Angebot, was sowohl eine Registrierung als auch die Hinterlegung von Bank- oder Kreditkartendaten voraussetzte, wurde nach der Probephase in ein Abo umgewandelt. Der Kunde musste also vor Ablauf des Testzeitraumes fristgerecht kündigen, damit ihm Ancestry.de nichts abbuchte. [5]

Mittlerweile hat das Ahnenforschungsportal das Demo-Konto offenbar eingestellt. Stattdessen kann jeder Nutzer nun kostenlos einen Stammbaum online anlegen. Dabei gewährt Ancestry.de auch Zugriff auf die Datenbank. Zudem werden dem Nutzer Hinweise mit möglichen Übereinstimmungen in der Gratis-Version angezeigt. Möchte man jedoch einzelne Suchergebnisse aufrufen und sich die zugehörigen Dokumente anschauen, poppt eine Bezahlschranke auf.

Der Nutzer kann also die eingeblendeten Hinweise nie verifizieren, ohne sich nicht zuvor kostenpflichtig anzumelden. Der Mehrwert der Gratis-Version ist daher mehr als fragwürdig. Denn was nützt es dem Kunden, wenn er Daten zwar eingeben, aber keine Dokumente rausziehen kann. Eine einfache Ahnentafel ließe sich beispielsweise mit wenig Aufwand über PowerPoint oder ähnlichen Programmen erstellen.

Das Einstiegsangebot bei Ancestry.de beginnt ab günstigen 4,99 Euro. Der Haken: Nach einem Monat steigt der Preis auf 12,99 Euro - also um 160 Prozent!Bild: Ancestry.de

Die Qualität der Datenbank kann also nicht überprüft werden. Wer sich also auf Ahnenforschung begeben möchte, kommt an einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft nicht vorbei. Und die wird schnell zur Kostenfalle. Ancestry.de bietet nämlich lediglich Abo-Modelle an und lockt seine Kunden mit sogenannten Einstiegsangeboten.

Nach Probemonat bis zu 160 Prozent Preisaufschlag

So kostet der günstigste Tarif mit Zugriff auf 500 Millionen deutsche historische Originaldokumente 4,99 Euro im ersten Monat. Für die darauffolgenden Monate werden jeweils 12,99 Euro fällig. Das entspricht einem Preisanstieg von rund 160 Prozent! Kündigt der Interessent nicht rechtzeitig seine Probe-Phase, verlängert sich das Abonnement automatisch.

So staunten wir nicht schlecht, als plötzlich 119, 94 Euro von Ancestry.de abgebucht wurden, obwohl wir uns gar nicht daran erinnert konnten, das wissentlich aktiviert zu haben. Zugutehalten muss man dem Unternehmen jedoch, dass es bereits nach nur einer Protestmail ohne Wenn und Aber den Betrag wieder gutgeschrieben hatte.

Wer sich also das Programm nur interessehalber anschauen möchte, der sollte unbedingt die Kündigungsfrist im Hinterkopf behalten. Ansonsten kann es nämlich schnell teuer werden. Während die einfache Bedienbarkeit und die umfassende Datenbank durchaus überzeugend sind, ist das Preismodell nach Meinung von netz-trends.de durchaus noch zu optimieren. Hier wäre beispielsweise eine Einmalzahlung dem Abo-Modell vorzuziehen.

Wie zu erwarten war, sieht das Ancestry.de natürlich anders. In einer E-Mail an die Redaktion von netz-trends.de bezieht eine Unternehmenssprecherin zum Abo-Modell folgendermaßen Stellung: „Da Ahnenforschung ein längerfristiges Thema ist, schätzen unsere Kunden einfach auch einen kontinuierlichen Service und nicht etwas, das sie immer wieder aktiv verlängern müssen.“

Unverbindliche und kostenfreie Ahnenforschung über das Bundesarchiv

Wer sich ganz unverbindlich auf Ahnenforschung begeben möchte, der kann zumindest in Deutschland auf das Angebot des Bundesarchivs zurückgreifen. Die Datenbank des Bundes enthält nach eigenen Angaben „eine große Zahl personenbezogener Unterlagen“. Diese sind jedoch im Wesentlichen auf das 20. Jahrhundert beschränkt. [6]

Wer jedoch weiter in die Vergangenheit zurückgehen möchte, kommt um eine umfangreichere Recherche nicht herum. Portale wie Ancestry.de oder Myheritage.de erleichtern dabei die Suche enorm. Eine Mitgliedschaft kann sich für Hobby-Ahnenforscher also durchaus lohnen.

Einen ausführlichen Testbericht zu Myheritage.de sowie einen Vergleich zu Ancestry.de mit allen Pros und Contras finden Sie in der kommenden Woche auf netz-trends.de.

Einzelnachweise:

[1] Ancestry.de – Erforschen Sie Ihre Familiengeschichte, in: ancestry.de, Abruf am 18.10.2018

[2] Ancestry.com Corporate, in: ancestry.com, Abruf am 22.10.2018.

[3] Bienemann von Bienenstamm (Adelsgeschlecht), in: wikipedia.de, Abruf am 22.10.2018.

[4] GEDCOM, in: wikipedia.de, Abruf am 22.10.2018.

[5] Ancestry.de von Lukas Grozna, in: netzsieger.de vom 27.04.2018, Abruf am 24.10.2018.

[6] Personen- und Ahnenforschung, in: bundesarchiv.de, Abruf am 22.10.2018.



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