Von mp - Mit dem Aufkommen von Google, Facebook & Co. fließen immer mehr Gelder in Online-Werbung. Der Konsumgüterriese Procter & Gamble zog nun die Reisleine und kürzt seinen digitalen Werbeetat erheblich. Zuvor übte das Unternehmen Kritik an den Online-Konzernen und stellte generell die Effektivität von Internetwerbung in Frage.
Das US-Unternehmen Procter & Gamble, kurz P & G, gehört zu den größten Konsumgüteherstellern weltweit. Für seine bekannten Marken wie die Rasierklingen „Gillette“, die Windelmarke „Pampers“ oder die Zahnpflegereihe „Oral B“ gab der Konzern im letzten Fiskaljahr mehr als 7,1 Milliarden US-Dollar für Werbung aus. Damit war das Unternehmen mit Sitz in Cincinnati, Ohio, der größte Werbetreibende weltweit.
Wie für moderne Firmen üblich, wirbt P & G auf allen möglichen Kanälen, um potenzielle Kunde zu erreichen. Neben der klassischen Rundfunk- und Printwerbung setzte das Unternehmen in den letzten Jahren auch vermehrt auf moderne Digitalwerbung über Facebook, YouTube und Google. Damit ist jetzt aber Schluss! Wie der Konzern nun bekanntgab, beabsichtige man den Online-Werbeetat - gegenläufig zum allgemeinen Trend - drastisch kürzen zu wollen.
Werbegelder werden für einzelne Plattformen um bis zu 50 Prozent gestrichen
Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge müssen zahlreiche Online-Medien mit Kürzungen ihrer Werbeeinnahmen durch die Procter & Gamble AG rechnen. Von den Einsparungen betroffen sind nahezu alle Marken des Konsumgüteherstellers wie „Ariel“, „Wick“ oder „Head and Shoulders“. [1]
Schmerzhaft dürfte es auch für „mehrere große digitale Spieler“ werden, wie Marc Pritchard, Markenchef von P & G, ankündigte, denen man den Werbeetat um 20 bis 50 Prozent kürzen wolle. Obwohl Pritchard keine Namen nannte, richtete sich seine Botschaft vermutlich an die großen Technikriesen Google und Facebook. Insgesamt sollen die Ausgaben für Digitalwerbung um 200 Millionen US-Dollar verringert werden.
Als Grund für die Kürzungen führt das Management von P & G vor allem mangelnde Transparenz, unzureichendes Datenmaterial, Klickbetrug durch Bots und ein problematisches Werbeumfeld an. So wurden beispielsweise über YouTube Werbebotschaften im Umfeld von Terrorvideos verbreitet. [2]
Darüber hinaus zweifelt das Unternehmen generell an der Effektivität von Online-Werbung. Bereits im letzten Jahr hätte man den Werbeetat erheblich reduziert, ohne dass sich dies auf den Umsatz auswirkte. Zudem fehle ein unabhängiges Instrument, um den Erfolg von Werbeanzeigen zu messen.
P & G übt schon länger Kritik an Internetkonzernen
Der Markenchef von P & G hatte bereits im Frühjahr 2017 den Druck auf Online-Konzerne erhöht und sie zu mehr Transparenz aufgefordert. Das Unternehmen wünschte sich unter anderen mehr Informationen darüber, welche Nutzer wann und wie oft die Werbeanzeigen zu sehen bekämen, um den Erfolg ihrer Medienkampagnen besser messen zu können.
„Manchmal liefern wir ein qualitativ hochwertiges Medienerlebnis, aber allzu oft ist die Erfahrung, naja, richtig schlecht. Wir bombardieren Konsumenten mit Tausenden von Anzeigen pro Tag, unterziehen sie endlosen Werbezeiten, unterbrechen sie mit Pop-ups und überladen ihre Bildschirme und Feeds mit Werbung. Und mit einer Ad-Blocker-Quote um die 40 Prozent und Betrugsseiten mit einem Anteil um 20 Prozent, wer weiß da schon, ob sie unsere Anzeigen überhaupt sehen“, so Pritchard im letzten Jahr. [3]
Nach der Kritik gab Facebook wohl einige Messdaten an P & G heraus, die der Konsumgüterhersteller bereits auswertete. Die Ergebnisse sind alarmierend: Eine mobile Anzeige würde im Facebook Newsfeed gerade einmal 1,7 Sekunden vom Nutzer betrachtet werden. Andererseits würden manche Kunde die P&G-Reklame zu häufig sehen. Werbebotschaften kämen auf diese Weise erst gar nicht beim Kunden an, so die Kritik. Außerdem forderte P & G bessere Methoden, um gegen Klickbetrug und Bots vorzugehen.
Gesamtwerbeetat bleibt unangetastet
„Sobald wir die nötige Transparenz vonseiten der Online-Konzerne erhielten, wussten wir, wie die Realität wirklich aussah“, kommentierte Pritchard die Datenauswertung. Daraufhin habe sich P & G der Probleme selbst angenommen und nach effektiveren Möglichkeiten gesucht, seine Werbedollars zu investieren.
Freuen dürfen sich wohl die klassischen Werbekanäle wie Zeitungen und TV. Denn P & G möchte das eingesparte Geld unter anderem für mehr Fernseh- und Printwerbung ausgeben. Auch im Online-Bereich bleibt das Engagement bestehen, wobei man jedoch vermehrt auf seriöse Audio- und Video-Streamingdienstleister setzen möchte. Schließlich bieten Netflix, Maxdome und Amazon Prime mit ihren Serien und Filmen ein deutlich kalkulierbareres Werbeumfeld als YouTube und Facebook an.
Facebook, Google und Co. stehen unter Zugzwang
Wenn P & G, der größte Werbekunde der Welt, seine Marketingausgaben bei bestimmten Online-Plattformen reduzieren möchte, kann das eine Signalwirkung auf andere Unternehmen haben. Aus diesem Grund stehen nun Facebook, Google und Co. unter Zugzwang.
Um Werbetreibende nicht weiter abzuschrecken, haben die größten Online-Unternehmen bereits auf die Kritik von P & G reagiert und Verbesserungen versprochen. Facebook gab erst vor kurzem bekannt, dass man weiterhin an seinem Algorithmus arbeiten werde, um problematischen Inhalten auf seiner Plattform zu begegnen. [4]
YouTube hat hingegen eine neue Technologie eingeführt, mit der Videos vorab auf ihre Inhalte überprüft werden können. Darüber hinaus hat das Unternehmen mehr menschliche Mitarbeiter eingestellt, um Medien zu sichten. Ferner versprach YouTube seinen Vermarktern mehr Kontrolle darüber, wo ihre Werbung erscheint. [5]
Weitere Werbekürzungen könnten Online-Konzerne in die Bredouille bringen
Viele Online-Konzerne, wie Facebook und Google, stellen den Nutzern ihre Inhalte und Services kostenlos zur Verfügung. Einnahmen generieren sie vor allem aus Werbung, die Unternehmen auf Ihren Plattformen schalten. Gehen nun die Werbeeinnahmen zurück, verlieren die Tech-Giganten einen Großteil ihrer Einkünfte.
Schließen sich viele Werbekunden zusammen – neben P & G hatte bereits auch Unilever mit Werbe-Kürzungen auf Facebook und Google gedroht –, könnte dies die vermeintlichen Internetgiganten zwar nicht zu Fall bringen, aber doch erheblich unter Druck. Inwieweit andere Bezahlmodelle, wie beispielsweise ein Abonnement, erfolgreich sein könnten, ist unklar. Fest steht jedoch, dass auch Google und Facebook trotz ihrer Dominanz nicht unverwundbar sind und mit fehlenden Werbegeldern schnell in die Bredouille geraten könnten.
Einzelnachweise
[1] P&G Contends Too Much Digital Ad Spending Is a Waste von Suzanne Vranica. In: The Wall Street Journal vom 1. März 2018. Abruf am 2. März 2018.
[2] When Procter & Gamble Cut $200 Million in Digital Ad Spend, It Increased Its Reach 10% von Lauren Johnson. In: Adweek vom 2. März 2018. Abruf am 2. März 2018.
[3] P&G’s Marc Pritchard Doubles Down on Demands of Digital Ad Giants von Alexandra Bruell. In: The Wall Street Journal vom 2. März 2017. Abruf am 2. März 2018.
[4] Facebook overhauls News Feed in favor of 'meaningful social interactions' von Julia Carri Wong. In: The Guardian vom 12. Januar 2018. Abruf am 2. März 2018.
[5] YouTube Subjecting All 'Preferred' Content to Human Review von Jack Nicas. In: Fox Business vom 16. Januar 2018. Abruf am 2. März 2018.
[6] Unilever threatens Facebook, Google with online advertising cuts von Christopher Carbone. In: Foxnews.com vom 12. Februar 2018. Abruf am 2. März 2018.