Fahrradklau: 96 von 100 Rädern bleiben in Berlin weg

Die Sommerferien stehen vor der Tür und damit die beste Zeit für Fahrradfahrer. Doch heiß laufen sich nicht nur die Radfahrer selber, sondern ebenso unerwünschte Trittbrettfahrer: Die Fahrraddiebe. Für sie beginnt jetzt die wichtigste Zeit des Jahres.

Bild: billiger.de
Der lange Schatten der Fahrradmafia überzieht Deutschland.

Denn im Sommer werden in Deutschland so viele Räder gestohlen, wie sonst nie. Kein Wunder: In lauen Sommernächten oder im heiß-schwülen Getümmel der Stadt hat kaum einer Nerven, sich um seltsame Gestalten zu kümmern, die mit riesigen Bolzenschneidern oder Akku-Flex bewaffnet aus Hinterhöfen, Kellern oder üblichen Fahrradstellplätzen die Räder entwenden.

Fast ein Viertel aller Fahrraddiebstähle entfallen auf nur zwei Sommermonate – Juni und Juli. Im Jahr 2015 waren es insgesamt 335.174 gestohlene Fahrräder. Alleine 233.444 davon entfallen auf die 160 größten deutschen Städte und Landkreise. Grund genug für das Verbraucherportal für Preisvergleiche, billiger.de (2,98 Mio. Nutzer lt. AGOF 02/2016), sich die Szene in einer Städte-Studie näher anzuschauen. Auffallend: die dürftige Aufklärungsquote. Sie liegt im Schnitt bei gerade einmal dünnen 9,1%. Das bedeutet: 9 von 10 gestohlenen Fahrrädern bleiben verschwunden.

Dabei ist Fahrraddiebstahl kein Bagatell-Delikt und für die Täter äußerst einträglich: Denn der Schaden wird pro Jahr auf 160 Millionen Euro geschätzt. Geld, das die Diebe zum Großteil als Umsatz für sich verbuchen können. Denn Tausende der Räder werden auf dem Schwarzmarkt oder dreist über den normalen Fahrradhandel weiterverkauft – oft in anderen Städten oder Ländern, damit es nicht so auffällt.

Das Geschäft mit den gestohlenen Fahrrädern läuft gut

Ganz oben im Straftaten-Ranking findet sich Münster mit 1.719 gestohlenen Rädern pro 100.000 Einwohner (absolut: 5.193, plus 670 gegenüber 2014). Immerhin belegt Sachsen-Anhalts Magdeburg deutschlandweit den zweiten Platz der Klau-Hochburgen. So wurden hier 1.514 „Bikes“ je 100.000 Einwohner von Langfingern und organisierten Banden entwendet – so viele wie fast nirgends in Deutschland. Absolut entspricht dies 3.517 entwendeten Rädern.

Cottbus belegt den dritten Rang mit 1.502 Diebstählen je 100.000 Einwohner (1.494 absolut). Ebenfalls bei Diebstahls-Hochburgen vorn dabei ist wieder eine ostdeutsche Stadt: Halle an der Saale (1.445 Delikte je 100.000 Einwohner, gesamt Fahrräder: 3.359).

Es folgen Emden (1.376 Delikte je 100.000 Einwohner), Potsdam (1.341 Delikte je 100.000 Einwohner), Landshut (1.308 Delikte je 100.000 EW), Dessau-Roßlau (1.294 Delikte je 100.000 EW), Kiel (1.286 Delikte je 100.000 EW), Oldenburg, Leipzig, Göttingen, Bremen, Delmenhorst, Regensburg, Braunschweig, Bremerhaven, Hamburg, Wilhelmshaven, Aachen, Neumünster, Lübeck, Berlin, Freiburg (Breisgau), Hannover, Speyer, Osnabrück, Bonn und Karlsruhe.

Landkreise: Diebstähle bereits auf Großstadtniveau

Billiger.de wertete auch Daten zum Fahrraddiebstahl auf Landkreis-Ebene aus. Im Top-60-Landkreis-Ranking fällt ein starker Bezug zu den benachbarten städtischen Klau-Hochburgen auf.

So sind etwa die Landkreise um Münster (Borken, Coesfeld, Steinfurt), Cottbus (Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz), Magdeburg, Halle (Saale) oder Dessau-Roßlau (Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg oder Jerichower Land) beim Fahrradklau ebenfalls führend.

Der Landkreis Borken (Platz eins im Landkreis-Ranking) verzeichnete 2015 ein Diebstahl-Aufkommen von 1.048 geklauten Rädern je 100.00 Einwohner (3.826 insgesamt), im Kreis Spree-Neiße (Platz zwei) waren es 981 je 100.000 EW (1.158 insgesamt) und im Kreis Oberspreewald-Lausitz 946 Delikte je 100.000 EW (1.068 insgesamt). Mit diesen Quoten bewegen sich die Kreise auf Großstadtniveau.

Weitere von Fahrraddiebstahl stark betroffene Landkreise in Deutschland sind: Coesfeld, Steinfurt, Pinneberg, Anhalt-Bitterfeld, Gütersloh, Kleve, Vorpommern-Greifswald, Wittenberg, Warendorf, Havelland, Görlitz, Lüneburg, Jerichower Land, Lörrach, Teltow-Fläming, Vechta, Göttingen, Uckermarck, Grafschaft Bentheim, Emsland, Aurich, Stendal, Leer, Celle, Salzlandkreis, Konstanz und Wesel.

Tag für Tag kommen in Berlin 88 Räder weg, gesamt 30.758

Auch wenn deutschlandweit die Delikte um 4.586 zurückgingen, stellten viele Kommunen wieder neue negative Bestmarken auf. Bereits im Jahr 2014 knackte Berlin die dramatische Grenze von über 30.000 gestohlenen Fahrrädern (30.758). Im Jahr 2015 kamen nochmals 1.487 Delikte hinzu. Das heißt: In der Bundeshauptstadt kamen 2015 sage und schreibe 32.245 Räder abhanden. Täglich sind dies mittlerweile mindestens 88 Räder.

Mit einer unglaublichen Steigerung von 1.074 gestohlenen Rädern kann das eher kleine Halle (Saale) aufwarten. Die mitteldeutsche Stadt verbuchte somit 3.359 Diebstähle. Eine ähnliche Steigerungsrate verzeichnete das viel größere Hamburg mit 1.256 geklauten Rädern (17.217 insgesamt).

In folgenden Städten gab es ebenfalls starke Anstiege: Kiel (plus 893), Essen (plus 763), Münster (plus 670), Aachen (plus 453) und Nürnberg (plus 423).

Positiv: Städte, die in der Vergangenheit mit hohen Kriminalitäts-Wachstumsraten aufwarten konnten, verzeichneten erstmals wieder Rückgänge: Dresden (minus 1.786), Dortmund (minus 1.449), Cottbus (minus 528) oder Recklinghausen (minus 468).

Katastrophale Aufklärungsquoten: Unter 4% in Passau, Duisburg, Hamburg oder Berlin

Dennoch gibt es keinen Grund zur Freude. Denn ist das Rad erst geklaut, bleibt es in 90% der Fälle auch weg. In Deutschland kommen die Ermittlungsbehörden im Schnitt nur auf 9,1% Aufklärungsquote. Seit Jahren das gleiche Trauerspiel.

Auffällig sind hier die enormen Schwankungen innerhalb des Vergleichs. So schwanken die Aufklärungsquoten zwischen 27,9% in Jena, 24,5% in Fürth und 24,4% in Cottbus (was eigentlich auch nicht sonderlich berühmt ist) und 2,9% in Passau oder 3,9% in Duisburg, Berlin und Hamburg.

Auf Länderebene führt – wie seit Jahren – Thüringen mit einer vergleichsweisen positiven Quote von 17,9%. Die üblichen Flops sind die Stadtstaaten, welche sich mit Aufklärungsquoten von unter 5,3% ebenfalls am Ende der Skala befinden.

63,2% der ermittelten Tatverdächtigen sind in Offenbach Bürger nichtdeutscher Herkunft

Auffallend ist die relativ hohe Anzahl der sogenannten „nichtdeutschen Tatverdächtigen“. Das sind Bürger ausländischer Staatsangehörigkeit, Staatenlose oder Personen, bei denen die Staatsangehörigkeit ungeklärt ist. Wurden im Jahr 2013 insgesamt 22,6% nichtdeutsche Tatverdächtige dingfest gemacht, waren es 2015 immerhin schon 29,6%.

Absoluter Spitzenreiter im Städteranking ist Offenbach (Main) mit 63,2% nichtdeutschen Tatverdächtigen (2014: 42%). Ebenso weit über dem Durchschnitt: Reutlingen (60,9%), München (53,8%) und Frankfurt (Oder) mit 52,2%.

Auffällig ist, dass 12% der ermittelten nichtdeutschen Tatverdächtigen einen polnischen Pass, rund 10% einen rumänischen und 9% einen türkischen Pass besitzen. Die Flüchtlinge sind also nicht das Problem.

Die 10 wichtigsten Tipps der billiger.de-Experten zur Fahrradsicherung

1. Die Erfahrung zeigt: Benötigt ein Dieb mehr als drei Minuten, um das Fahrrad zu stehlen, lässt der Gelegenheitsdieb die Hände davon.

2. Auf gute Fahrradschlösser achten (u.a. Bügel- oder Faltschlösser mit VdS-Zertifikat). Die Erfahrungen zeigen, dass ein Schloss wenigstens die Qualitätsmerkmale eines vom Schlage Abus Granit X-Plus 540 aufweisen sollte (auf billiger.de zwischen 61,70 € bis 80,90 € gelistet). Gut sind zwei Schlösser, wobei das zweite einfacher sein kann.

3. Bei teuren Rädern oder Pedelecs, empfehlen sich GPS-Tracker. Sie werden u.a. in Fahrradlampen, den Sattelstützen oder einem der Rohre eingebaut und können das Auffinden erleichtern.

4. Individualisieren Sie das Rad mit auffälligen Farben oder Aufklebern oder Accessoires. Der Dieb wird dafür nur schwerlich einen Abnehmer finden und lässt vielleicht die Hände davon.

5. Wichtig: Das Rad soll immer an einem stabilen Gegenstand angeschlossen werden (etwa Laternenmast). Viele Hausratversicherungen legen Wert darauf, dass die Fahrräder über Nacht im Innenhof eines Hauses oder dem Keller eingeschlossen sind.

6. Das Fahrrad sollte codiert und registriert werden. Die Fahrradklubs und die Polizei sind hierfür die richtigen Partner.

7. Sattel beim Abstellen mitnehmen: Ohne den Sattel am Rad hat vor allem der Gelegenheitsdieb kaum einen Anreiz das abgeschlossene Velo zu klauen.

8. Wer ein Fahrrad kauft, sollte das zudem nur mit eindeutiger Rechnung machen.

9. Man sollte mind. ein Foto von seinem Fahrrad machen. Das erleichtert die Beweisführung im Falle eines Diebstahls gegenüber der Polizei.

10. Merken: Ist ein Rad in den Fängen der Kriminellen, sind der Kreativität im Abtransport und Weiterveräußerung keine Grenzen gesetzt: Die Räder werden oft schon in Deutschland zerlegt oder in Gänze als Hehler-Ware auf Wochen- und Flohmärkten oder im Fahrradhandel im In- und EU-Ausland zu Geld gemacht.

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