Burda Rückblick: Patricia Riekel gibt BUNTE-Chefredaktion ab / Zeitschrift ist größer als 1954

Sie gehört zu jenen Chefredakteuren, die mit am längsten die Hebel der publizistischen Macht in Deutschland bedienten: Patricia Riekel. Jetzt hört sie nach 20 Jahren zum 1. Juli zumindest als Chefredakteurin auf.

Die Bunte, wie man sie unter Patricia Riekel liebte: Große Schlagzeilen, tolle Bilder, nie verletzend.

Doch Riekel übergibt immer noch eine sehr große Zeitschrift, wie netz-trends.de beim Blick auf alte IVW-Zahlen belegt (Textende). Nachfolger von Patricia Riekel, die aus der Bunten eine einmalige Mischung aus Tratsch, Politik und Hintergrundberichten über die Reichen, Schönen oder Mächtigen machte, wird Robert Pölzer. Dass sich Riekel offensichtlich für einen Mann als ihren Nachfolger entschieden hat, verwundert viele in der Szene.

Denn die Bunte hat es gerade mit einer starken weiblich-intellektuell-emotionalen Feder wie keine andere Zeitschrift dieser Couleur geschafft, das Geschehen der Prominenten hintergründig, fair und recht allumfassend zu beleuchten. Der Respekt vor dem Menschen – egal ob prominent oder nicht prominent – war Patricia Riekel ganz offensichtlich immer ein hohes Anliegen.

Wo andere Unterhaltungs-Zeitschriften sich im vermeintlichen Promi-Schlamm suhlten, gelang es der Bunten stets, Distanz und Respekt auch vor vermeintlichen Fehltritten berühmten Persönlichkeiten zu bewahren. Trotzdem fühlte man sich immer nah unterrichtet. Die Bunte haute keine Menschen in die Pfanne. Das schätzten auch die Leser.

Man kann sich derzeit die Bunte ohne Patricia Riekel, jene körperlich eher kleine Frau, oft gesehen an der Seite von Helmut Markwort, kaum vorstellen. Das Vorwort von ihr hatte in der Republik einen publizistischen Stellenwert fast vergleichbar mit der SPIEGEL-Hausmitteilung auf Seite 3.

Künftig also ein männliches Gesicht als Aufmacher zum Bunte-Heft? Man muss natürlich die Frage stellen: Hat der in der breiten Promi-Masse eher unbekannte neue Bunte-Chefredakteur Robert Pölzer wirklich das Zeug, zum Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte der Reichen, Schönen und Mächtigen zu werden?

Riekel ist selbst Teil der Promi-Szene

Riekel war selbst Teil der Promi-Szene und eignete sich deshalb vorzüglich als Vertrauensperson. Bei ihr wusste man, sie nutzt Vertrauen niemals aus. Das ist bei anderen Medien ganz anders:

Bei der ARD soll es schon so manches Mal vorgekommen sein, dass der Redakteur zum Interviewten sagte, das Mikro oder die Kamera wäre aus und trotzdem wurde dann das abgefilmt und in der ARD gesendet, was man angeblich nicht filme und nicht mitschneide. Auch bei anderen Medien passieren solche Dinge, dass am Telefon vertraulich berichtetes, plötzlich der Redakteur trotz Diskretions-Zusage doch publizierte. Journalisten manövrieren sich damit immer weiter ins Abseits. Solchen Leuten teilt man nichts mehr mit.

Patricia Riekel hatte viele Schlachten geschlagen – berühmt ist jene mit Caroline von Monaco, aber auch jene mit Jörg Kachelmann.

Aber trotz der juristischen Schlachten vertrat Riekel doch stets eine Instanz: Die Bunte, die unter Riekel wieder eine Instanz geworden ist. Und als solches wurde sie auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen und ernst genommen. Sie war eine Sozial-Kanzlerin, nur halt ohne vom Volk gewählt worden zu sein.

Viele werden Patricia Riekel vermissen. Warum geht sie? Weil sie jetzt 66 ist? Oder weil sie Angst hat, dass der Olymp nun erreicht ist und der Druck des Internets immer stärker auch bei der Bunten anklopft und Auflage fordert. All diese Gründe sind verständlich. Als Gesellschafts-Königin – eine Boulevard-Schranze war sie nie – tritt sie nun zurück. Sie hat Journalisten-Geschichte und Zeitschriften-Geschichte in Deutschland mit ihrer Truppe aus überaus fähigen Autoren und Redakteuren geschrieben. Stets wohlwollend im Hintergrund begleitet von Hubert Burda, dem Verleger.

Wenigstens bleibt Patricia Riekel der Journaille und auch Millionen Bürgern, die sie als Journalistin und Chefredakteurin schätzen, erhalten. Sie möchte weiterhin den Bambi-Preis ausrichten. Und sie möchte weiterhin als Herausgeberin beim Hause Hubert Burda Media an Bord bleiben. Das ist gut für Burda und wird viele freuen.

Sie hatte selbst mal Angst, vom Hof gejagt zu werden

Die 66-Jährige Grande Dame des Gesellschafts- und Mode-Journalismus in Deutschland, Patricia Riekel, soll künftig als Herausgeberin aller Magazine der Mediengruppe BurdaStyle fungieren. Dazu gehören neben der "Bunte", "Donna", "Elle", "Freundin", "Harper's Bazaar" und das von Riekel geliebte und vor Jahren aus der Taufe gehobene Frauen-Magazin "Instyle", zu welchem es mittlerweile auch ein Männer-Pedant gibt.

Riekel selbst hat als Chefredakteurin innerhalb von Jahren Millionen verdient. Sie ist durchaus das, was man als reich bezeichnen darf. Arbeiten muss sie nicht mehr. Aber sie will es scheinbar noch. Doch bis Nachts um 2 oder 4 an einer Ausgabe feilen, das scheint sie nun nach langen 20 Jahren doch nicht mehr um jeden Preis machen zu wollen.

In einem Interview mit der DIE WELT sagte Riekel einmal sinngemäß, sie habe Angst, dass man sie irgendwann einmal im fortgeschrittenen Alter vom Hof jage. Das blieb ihr offensichtlich erspart. Im Gegenteil: Viele sollen sie gebeten haben zu bleiben, nicht zu gehen. Nun geht sie und bleibt. Ein Mittelweg also.

Für den neuen Chefredakteur Robert Pölzer, der seit 2003 Chefredakteur bei Burda ist, dürfte es nicht einfach werden. Zum einen, sagt ein ehemaliger Bunte-Redakteur zu netz-trends.de, gebe es bei der Bunten durchaus einige bissige Redakteurinnen, mit denen es nicht gerade angenehm sei, zusammenzuarbeiten.

Zum anderen ist es bekannt: Geht ein König oder eine Königin, fällt es der zurückbleibenden Truppe oft schwer, einen neuen König oder eine neue Königin zu akzeptieren.

Das erlebt die Publizistik-Szene seit Jahren beim DER SPIEGEL, aber auch beim von Helmut Markwort gegründeten FOCUS. Das öffentliche Stühlerücken und Hinterhergetrete in den dortigen Chefredaktionen ist zum wenig schön anzuschauenden Ritual geworden. Den Magazinen hat es letztlich geschadet – beim Leser und damit auch dem Zeitschriftenkäufer, aber auch den Werbekunden.

Pölzer wird es schwer haben

Klar ist: Es dauert, bis sich manches zurechtruckelt. Verfehlungen gehören bei einem Neuanfang dazu, müssen aber auch schnell wieder korrigiert werden können. Try and error, versuche und scheitere, haben aber ihren Preis. Die Kunst ist es, weniger zu scheitern als zu gewinnen. Es ist aber kaum zu glauben, dass der Chefredakteurs-Wechsel bei einer doch letztlich so wichtigen und nach wie vor großen Zeitschrift wie der Bunten nun problemlos über die Bühne geht.

Der 54-Jährige Pölzer war bei einer ganzen Reihe an Burda-Titeln Chefredakteur: bei der Zeitschrift "Neue Woche", "Freizeit Revue" oder "Freizeit Spass" und "Freizeit Exklusiv".

Patricia Riekel hatte "Bunte" 1996 als Chef-Journalistin übernommen. Damals war die Bunte auf dem absteigenden Ast, beziehungsweise war die Angst groß, sie könne dahin kommen. Damals noch ohne Google und ein großes Internet. Mittlerweile hat die Bunte sich trotz Internet eine große Fangemeinde rückerobert und auch neue Zielgruppen erreicht. Das ist alles Riekels Verdienst. Sie hatte stets einen unglaublich guten Riecher die richtigen Leute auf die richtigen Posten zu setzen und damit auch auf die richtigen publizistischen Geschichten zu setzen.

Bleibt die viel beschworene Verzahnung von Print und Online – mit all ihren Chancen und Risiken. Klar ist: Die Bunte muss aufpassen, dass ihr im Internet nicht Krawall-Portale wie promiflash das Wasser abgraben. So ist es beispielsweise den Badischen Neuesten Nachrichten passiert. Statt auf BNN klicken heute Hunderttausende Badensener aus Karlsruhe und Umgebung auf das Konkurrenzportal ka-news.de. Dieses Schicksal muss der Bunten nicht passieren. Die Kunst wird also eine Zweimarken-Strategie sein: bunte.de auszubauen und trotzdem einen Exklusiv-Anspruch für die Zeitschrift BUNTE zu erhalten, einen regelmäßig triftigen Grund, für Bunte nach wie vor Geld am Kiosk oder für das Abo auszugeben.

Heute verkauft die Bunte laut IVW noch rund 500.000 Exemplare. Die Bunte war unter ihrem Namen erstmals 1954 an Deutschlands Kiosken ausgelegt. Von Anfang an war der Titel Programm. Ganz ähnlich wie bei Axel Springers "Bild". Bunt sollte die Bunte das Leben wiedergeben. Bunt, mit vielen Fotos, Hintergründen, Lebensbeichten, Lebens-Berichten.

Zur Gründung 1954 hatte die "Bunte Illustrierte" - damals noch aus Offenburg und nicht aus München - eine verkaufte Auflage von rund 275.237 Exemplaren pro Heft (im 4. Quartal), wobei 55.380 über den Einzelverkauf abgesetzt werden konnten. Größer waren damals vielleicht 25 andere Zeitschriften in Deutschland – zum Beispiel die Burda-Zeitschrift "Bild und Funk". Sie konnte 1954 am Kiosk oder im Abo mit einer Ausgabe 313.595 Exemplare verkaufen.

Zur BUNTE-Gründung 1954 hatten nur wenige Zeitschriften eine Auflage von über 500.000 Exemplaren in Deutschland

Beim Blick auf Zahlen des Auflagen-Tüvs IVW zeigt sich: 1954 hatten nur circa 10 Zeitschriften in Deutschland eine Auflage, die über 500.000 verkaufte Exemplare hinausgingen, auf welches es die Bunte auch heute noch, trotz Internet, bringt.

Zu den zehn größten Zeitschriften in Deutschland gehörte 1954 beispielsweise auch das Nicht-Burda-Blatt "Das Beste aus Reader's Digest" mit 574.517 verkauften Exemplaren pro einer Ausgabe.

Groß war auch die "Neue Post" aus der Grüner Verlag GmbH mit einer verkauften Auflage von 414.220 Exemplaren. Oder "Constanze" aus der Constanze Verlag-GmbH mit 485.994 verkauften Exemplare. Ebenfalls bereits vor Jahrzehnten auflagenstark war 1954 der "Der Stern - Die große Illustrierte" aus der Henri Nannen GmbH mit 658.187 verkauften Exemplaren.

Die Schwelle von über einer Millionen verkauften Zeitschriften-Exemplaren konnte 1954 laut IVW nur ein Titel in Deutschland nehmen: die "Hör zu" aus dem Verlag Hammerich & Lesser Verlag GmbH mit einer verkauften Auflage von 2.212.757 Exemplaren. Das Rundfunkblatt residierte damals an der berühmten Axel Springer-Adresse in Hamburg, der Kaiser-Wilhelm-Str. 6.

Im aufstrebenden Wirtschaftswunderland bedeutend war auch die Zeitschrift "Frau und Mutter" mit einer verkauften Auflage von 541.105 im Jahr 1954. Herausgeber der Zeitschrift war der "Verlag Hauptarbeitsstelle für Frauenseelsorge". Auch hier dürfte bereits der Verlagsname Zeitschriften-Programm gewesen sein.

Mittlerweile schon eingestellt ist beispielsweise die "Quick" aus dem Münchner Gründungshaus, dem Verlag Th. Martens & Co. GmbH (gehörte später zum Heinrich Bauer Verlag in Hamburg). Die Quick hatte 1954 immerhin eine verkaufte Auflage von 627.347 Exemplaren. Sie war bereits 1992 auf Grund sinkender Auflagen eingestellt worden. Statt einstmals über 700.000 Exemplare hatte sie 1992 nur noch rund 220.000 Exemplare verkaufen können.

Längst sind viele der alten großen Zeitschriften verschwunden, die BUNTE glänzt auch 2016 noch immer

Nicht mehr am Markt ist auch die Zeitschrift "Reichsbund, Zeitschrift der Kriegs- u. Zivilbeschädigten, Sozialrentner und für dessen Hinterbliebenen". Sie brachte es 1954 laut IVW immerhin auf eine verkaufte Auflage von 633.533 Exemplare. Damit war der Reichsbund auf einer Ebene mit dem Stern und gehörte zu den sieben größten Zeitschriften Deutschlands überhaupt. Immerhin gibt es heute noch einen Verein, welcher sich nennt, wie die große alte Zeitschrift.

Ebenfalls vom Markt verschwunden – auch ganz ohne Internet - ist die Zeitschrift "Lockende Linie: Kleines Magazin für Haar- und Schönheitspflege" aus dem Münchener "Verlag JoMa-Druck und Verlag Johann Markthaler KG". Die "Lockende Linie" konnte 1954 pro Ausgabe im Schnitt immerhin 667.440 Exemplare verkaufen.

Wirklich groß sind auch damals im aufstrebenden Deutschland der 1950er und in den Jahren danach nur die wenigsten Zeitschriften geworden. Viele Blätter blieben trotz des großen Nachrichten- und Klatschdurstes der Deutschen eher klein und hatten Auflage von unter 200.000 bis unter 50.000 Exemplare. Die magische Grenze von über 500.000 verkauften Exemplaren galt damals wie heute als ein sehr großer publizistischer Erfolg. Immerhin konnten aber in den 1980er Jahren in Deutschland über 50 Zeitschriften Auflagen von über einer Millionen Exemplare vorweisen.

60 Jahre Zeitschriftengeschichte in Deutschland bedeuten auch 60 Jahre Zeitschriftengeschichte für die Bunte. Sie ist eine der letzten Altvorderen, die auch heute noch in der ersten Reihe mitspielen können.

Mit heute rund 500.000 verkauften Exemplaren (darunter 232.026 im Einzelhandel) hat sich die Bunte erstaunlich hervorragend im Print-Kampf mit dem Internet geschlagen. Zwei Jahre nach Riekels Antritt als Chefredakteurin bei der Bunten hatte die Zeitschrift eine Auflage von 663.122 Exemplaren, also im Jahr 1998. Das ist aber nicht eklatant höher als heute. Andere Print-Dickschiffe haben in den vergangenen 20 Jahren erheblich mehr an Auflage einbüßen müssen.

Der letztlich wahrscheinlich doch unaufhaltsam kommenden Bunte-Abstieg auf unter 500.000 verkaufte Exemplare überlässt Patricia Riekel nun offensichtlich ihrem Nachfolger. Doch der hat keinen Grund zu klagen: Denn Riekel hinterlässt vor allem ein sehr gutes Erbe und keine publizistische Problemzone. Die große Marke BUNTE hat auch für die nächsten Jahrzehnte noch sehr viel Potential. Voraussetzung: Man macht keine großen Fehler und kann die Marke mit dem höchsten Glamour-Faktor in Deutschland erhalten. Eine spannende Aufgabe.

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