Aktie Rocket Internet: "Proven Winner" im Börsen-Visier

Kommentar - So schön die Börse im Glücksfall für jene ist, die Aktien verkaufen, so gnadenlos ist das Börsenparkett, also Börsen-Analysten in Investment-Banken und deren begleitende Medien.

Bild: Screenshot Rocket Internet Homepage
Rocket Internet ist nach wie vor das erfolgreichste deutsche Internet-Unternehmen.

Sie zerlegen oft mit Härte, manchmal auch mit Wonne, Misserfolge. Denn Schwachstellen lassen sich nach einen Börsengang nicht mehr so kaschieren, wie vor einem IPO. Das erlebt derzeit das erfolgreichste deutsche Internet-Unternehmen Rocket Internet aus Berlin. Zwar sitzt das Unternehmen auf einer Kriegskasse von über 1 Milliarde Euro, dennoch werden die Rockets seit Monaten von der Realität heimgesucht. Und die heißt: So genial es im Marketing ist, Portale, die noch nicht durchgängig erfolgreich sind, den Börsianern und Medien einfach als "Geprüfte Gewinner" - als "Proven Winners" - zu verkaufen, so deutlich wird jetzt doch, dass die Zeit des Welpenschutzes für Rocket Internet an der Börse zu Ende geht.

Anleger möchten mit einem Aktienkauf keinen Wertverlust erleiden. Insofern nimmt der Druck auf Rocket Internet zu. Rocket-Speerspitze Oliver Samwer – ein zweifelsohne genialer charismatischer Verkäufer – durchläuft derzeit eine für ihn selbst spannende weitere Entwicklung. Und die heißt: Steht er auch in der Krise stark da, welche immer auch emotional belastend ist?

13 Proven Winners nennt Rocket Internet an der Börse. Doch die Kandidaten waren von Anfang an noch keine Olympiasieger im von US-Konzernen dominierten megakapitalistischen Internet-Spiel Made in USA. Wo in Deutschland schon jubiliert wird, wenn ein Investor 10 Millionen oder 30 Millionen Euro Venture Capital gibt, bekommen Internet-Entrepreneur in den USA erst ab einem Investment von 10 Milliarden US-Dollar ein Lächeln, nicht selten ein süffisant Lächeln.

Deutschlang hinkt meilenweit hinter den USA hinterher und droht den Anschluss sogar komplett zu verlieren. Einen großen Beitrag haben dabei auch die deutschen Medien. Jeder Internet-Pups aus den USA wird hierzulande plötzlich ganz ohne Scheu vor angeblicher Schleichwerbung für ein Portal groß geschrieben. In umgekehrter Schlussfolgerung werden deutsche erfolgreiche Internet-Unternehmen (die nicht zu einem Deutschland AG-Großkonzern gehören) entweder über Jahre ignoriert oder im Falle von Misserfolgen regelrecht kaputt geschrieben. Der begleitende Good Will fehlt vielen Journalisten. Ganz so, als säßen die meisten nicht Dank Internet Made in USA selbst auf einem absterbenden Ast. Neben Rocket Internet aus Berlin ist Unister aus Leipzig ein Paradebeispiel hierfür.

Insofern: Klar ist es da schwer, Projekte, an welchen Rocket Internet beteiligt ist - wie Westwing, Home24 oder HelloFresh - zu Erfolgen werden zu lassen. Zudem: Das Hamburger Medienportal Meedia hat ja Recht, wenn es schreibt, dass ein Aktienabsturz von einst 51,40 Euro auf nunmehr 28,30 Euro selten vorkommt.

Doch es ist auch nicht so, dass es unmöglich wäre. Fast vergessen sind die Zeiten, als Apple in den 1990er Jahre vor allem dank einer Investmentspritze durch Bill Gates von Microsoft überleben konnte. Gute Geschäftsideen benötigen eben meist auch Kapital – nicht wenn es gut geht, sondern wenn es mal schlechter geht oder der Aufbau Unsummen kostet. Ohne ein unternehmerisches Risiko geht es eben meist nicht.

Insofern steht Deutschland am Scheideweg: Sind wir bereit, uns den Aufbau einer unausweichlichen Zukunftstechnologie – wie dem Internet und dem damit verbundenen E-Commerce – etwas kosten zu lassen, oder nicht? Wenn nicht, heißt das: Deutschland wird im Internet schlicht ein ewiger Bittsteller in den USA bleiben.

Dann wird eben alles über US-Konzerne künftig abgewickelt: Vom Autokauf eines Mercedes-Benz bis zur Buchung einer Pauschalreise einer bayerischen Familie. Schon heute sind Tausende deutsche Onlineshops von Amazon abhängig. Und Hunderttausende deutsche Betriebe von der Sichtbarkeit in der Google-Internetsuchmaschine.

Das Internet ist eine Schlüsseltechnik wie es vor 130 Jahren die Erfindung des Automobils war. Deutschland geht es auch heute noch so gut, da das Automobil hierzulande erfunden wurde.

Eine kürzliche Studie brachte auf den Punkt, wie dramatisch das Internet unter den neuen Rockefellers – also Google, Amazon und Facebook – aufgeteilt wird: Nur zwei Unternehmen erwirtschaften 57% des gesamten 300-Milliarden-US-Dollar-Umsatzes im amerikanischen Internet.

Es sind dies Google und Amazon. In Deutschland dürfte das nicht viel anders aussehen. Auch hierzulande dürften Google und Amazon mindestens 60% des im Internet erwirtschafteten Umsatzes auf sich vereinen – wenn das genügt. Einige schätzen den Marktanteil sogar höher ein.

Um 1910 hatte Rockefeller eine ähnliche Macht: 85% des Bankgeschäftes lief in den USA über die Rockefeller Bank und eine weitere US-Bank. In einer ähnlichen Größenordnung dominierte Rockefeller das Öl und Petroleum. Die Macht der Rockefeller-Gruppe war damals selbst in Deutschland so groß, dass sich das Berliner Parlament nicht getraute, Gesetze zu erlassen, die den Rockefeller-Trust in den USA verärgern könnten.

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