
Wie das kostenlose Programm HandBrake aus Frankreich zum Standard für Video-Kompression wurde – und warum es bis heute weltweit von Redaktionen, YouTubern und Filmarchiven genutzt wird
Nach dem KI-Chaos von OpusClip, das Interviews automatisch zerschneidet und neu gewichtet, richtet sich der zweite Teil der NETZ-TRENDS.de-Serie auf das genaue Gegenteil: ein Werkzeug, das keine künstliche Intelligenz braucht, sondern auf reine Rechenlogik setzt. HandBrake, der unscheinbare Open-Source-Klassiker, verkleinert und konvertiert seit über zwanzig Jahren Videodateien – zuverlässig, datensicher und völlig ohne Cloud-Anbindung. Es ist das Arbeitstier der Videoverarbeitung, unspektakulär, aber präzise.
Entwickelt wurde HandBrake im Jahr 2003 im französischen Brittany vom Informatiker Éric “titer” Petit. Sein Ziel war es, DVDs verlustarm in platzsparende MP4-Dateien umzuwandeln – zu einer Zeit, als eine durchschnittliche Festplatte kaum 40 Gigabyte fasste. Petit stellte seine Software unter die freie GNU-Lizenz GPL v2 und legte damit den Grundstein für eines der langlebigsten Projekte der Open-Source-Welt.
Nach seinem Rückzug 2006 führten der US-Amerikaner Rodney Hester und der Kanadier Chris Long die Entwicklung fort, zunächst unter dem Namen „MediaFork“. 2007 wurde das Projekt wieder mit HandBrake vereint. Seither betreut ein internationales Team von Freiwilligen – aus den USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Australien – den Code. Eine Firma steht nicht dahinter, sondern eine globale Gemeinschaft, die sich über GitHub organisiert und ihre Arbeit aus Spenden finanziert.
Mit Version 1.0.0 im Dezember 2016 erhielt HandBrake eine moderne Oberfläche, Hardware-Beschleunigung und dutzende Voreinstellungen für YouTube, iPhone und Web. Seither gilt es als Industriestandard unter den kostenlosen Videokonvertern.
HandBrake ist ein Transcoder, ein Programm, das Videodateien in andere Formate überführt, Codecs neu berechnet und die Datenmenge reduziert, ohne sichtbare Verluste. Es basiert auf bewährten Bibliotheken wie FFmpeg, x264 und x265. Alle Berechnungen erfolgen lokal, ohne Cloud-Anbindung. Dadurch bleiben sensible Daten geschützt – ein Argument, das im professionellen Umfeld, etwa in Redaktionen oder Kliniken, entscheidend ist.
Erhältlich ist HandBrake ausschließlich über die offizielle Seite handbrake.fr. Nach der Installation öffnet sich beim Start sofort das Fenster zur Dateiauswahl – keine Werbung, kein Abo, keine Account-Pflicht. Wer HandBrake startet, will arbeiten, nicht warten.
Nach dem Öffnen der Datei genügt ein Blick in das obere Menü. Unter „Voreinstellung“ wird das Profil Fast 720p30 gewählt – eine solide Einstellung, die gute Qualität bei deutlich reduzierter Größe liefert. Anschließend wechselt man zum Reiter „Video“, wo alle wichtigen Parameter liegen.
Links oben steht der Videoencoder H.264 (x264), der für Web-Plattformen ideal ist. Die Bildfrequenz bleibt auf 30 Bilder pro Sekunde, die Option „Konstante Bildfrequenz“ bleibt aktiviert. Im mittleren Abschnitt „Qualität“ wird statt der „Konstanten Qualität“ die Option „Mittlere Bitrate (kbps)“ aktiviert. Hier wird der entscheidende Wert eingetragen: 1100 kbps. Diese Bitrate ergibt bei einem Video von rund drei Minuten und zehn Sekunden eine Datei von etwa 25 Megabyte.
Um eine gleichmäßigere Verteilung der Datenrate zu erzielen, sollte zusätzlich „Encodierung in mehreren Durchgängen“ aktiviert sein. Die Option „Beschleunigter Analysedurchgang“ bleibt eingeschaltet. Der Encoder arbeitet damit in zwei Phasen – erst wird das Video analysiert, dann komprimiert – was eine höhere Präzision bei gleichbleibender Zielgröße ergibt.
Unten rechts bleibt die Voreinstellung „fast“ aktiv, das Profil main und das Level 3.1 – diese Kombination ist optimal für Social-Media-Videos, Reels und Web-Uploads. Anschließend wird unten im Fenster unter „Speichern unter“ ein neuer Dateiname vergeben – zum Beispiel karakas_video_20251015_verkleinert.mp4 – und über „Wählen …“ ein Zielordner bestimmt. Danach genügt ein Klick auf den grünen Pfeil „Start“, und HandBrake beginnt mit der Kompression.
Während der Umwandlung zeigt ein Fortschrittsbalken den Status an. Nach Abschluss liegt im gewählten Ordner eine neue Datei – gleich lang, aber etwa 80 Prozent kleiner. In Tests schrumpfte ein Clip von 480 MB auf knapp 90 MB – ohne sichtbare Qualitätsverluste.
Wer eine Datei nicht auf 25, sondern auf exakt 24 MB reduzieren möchte, kann HandBrake mit einer kleinen Anpassung präzise steuern. Die Berechnung ist einfach: Bei einer Laufzeit von etwas über drei Minuten reicht es, im Feld „Mittlere Bitrate (kbps)“ statt 1100 den Wert 1050 kbps einzutragen. Diese minimale Änderung senkt die Größe um etwa ein Megabyte, ohne dass die Bildqualität sichtbar leidet.
Die Regel lautet: 50 kbps weniger entsprechen ungefähr einem Megabyte Ersparnis bei drei Minuten Laufzeit. Wer es eilig hat und lieber mit der Qualitätsautomatik arbeitet, kann statt der festen Bitrate auch den RF-Wert (Rate Factor) nutzen. Wird dieser von 21 auf 23 oder 24 erhöht, pendelt sich das Ergebnis ebenfalls bei etwa 23 bis 24 MB ein – mit leicht stärkerer Kompression, aber weiterhin sauberem Bild.
Für Redaktionen oder Social-Media-Abteilungen lohnt es sich, ein solches Profil als Voreinstellung zu speichern. Es lässt sich unter einem eigenen Namen – etwa Fast 720p30 – 25MB Preset – ablegen und künftig mit einem Klick aufrufen. So bleibt die Produktionsqualität über mehrere Projekte hinweg konstant.
HandBrake arbeitet vollständig offline. Keine Upload-Begrenzung, keine Cloud, keine fremden Server. Das ist nicht nur datenschutzrechtlich relevant, sondern auch praktisch. Selbst Gigabyte-große Videodateien werden sicher verarbeitet, ohne dass Internetbandbreite verloren geht. Für Institutionen mit sensiblen Inhalten ist HandBrake damit ein Standardwerkzeug.
Die Benutzeroberfläche wirkt technisch und schlicht, eine Echtzeit-Vorschau gibt es nicht. Doch genau diese Reduktion auf das Wesentliche ist Teil seines Erfolgs. HandBrake zwingt den Nutzer, zu verstehen, was er tut – und belohnt ihn mit professionellen Ergebnissen. Wer die Wechselwirkung von Codec, Bitrate und Auflösung einmal verstanden hat, erreicht eine Kompressionsqualität, die selbst teuren Encoder-Programmen kaum nachsteht.
HandBrake ist kein Trendprodukt, sondern ein Stück digitaler Handwerkskultur. Entstanden aus französischem Idealismus, getragen von einem internationalen Netzwerk freiwilliger Entwickler, steht es seit über zwei Jahrzehnten für Präzision, Stabilität und Offenheit. Es ist das Werkzeug derer, die Effizienz suchen statt Effekte, Kontrolle statt Cloud.
Wer Videos für Social Media, Redaktionen oder Archive aufbereitet, wird früher oder später bei HandBrake landen. Denn am Ende zählt nicht der Algorithmus, sondern das Ergebnis: ein Video, das mit klarem Bild, geringem Speicherverbrauch und vollständiger Datenhoheit überzeugt.
In einer Zeit, in der KI-Tools ständig neue Versprechen abgeben, erinnert HandBrake daran, dass echte Intelligenz auch in sauberem Handwerk liegt – in Code, der hält, was er seit 2003 verspricht.
Ausblick:
In Teil 3 der NETZ-TRENDS.de-Serie folgt der Test von Veed.io, jener KI-Plattform, die behauptet, lange Interviews automatisch zu kürzen und Social-Videos zu generieren. NETZ-TRENDS.de prüft, ob sie hält, was sie verspricht – oder ob wieder mehr Algorithmus als Intelligenz am Werk ist. In Teil 1 dieser Serie beschäftigten sich NETZ-TRENDS uns mit OpusClip.